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Rentner, eine fiktive Geschichte oder eine Idee
Jeden Mittwoch trafen sie sich im Cafe der kleinen Stadt, spielten gut und gerne zwei Stunden Skat, nahmen ein Kännchen Kaffee und ein kleines Stückchen.
Sie waren alleine und in Rente, die "Lebenspartner" sind den letzten Weg gegangen und so suchten sie nach Lösungen, der tödlichen Langeweile zu entgehen.
Hobbies machen keinen Spaß mehr, wenn man alleine ist und die große Wohnung sauber zu halten, ist auch keine Freude.
Die Gruppe, die sich hier im Cafe jeden Mittwoch um Drei traf, sann um Abhilfe und suchte Ideen.
Sechs Leute waren sie am Anfang, einer sprang ab und suchte sich eine Partnerin - die anderen hatten, aus unterschiedlichen Gründen, die Nase voll und wollten keine neue Bindung, wo man sich verbiegen muß. Einen alten Baum verpflanzt man nicht, so war der Tenor.
Er war früher Landschaftsgärtner mit eigenem Geschäft, das inzwischen der Sohn führt und langweilte sich in der Stadtwohnung, wo die letzten Jahre mit seiner Frau waren. Er hob in der Runde an, wo jeder jede Woche einmal in dieser Sache "unsere Zukunft" seine Idee zum Besten gab - und sagte:
Die Rente ist lausig, es kommen gerade mal 46% vom letzten Netto heraus und wenn ich davon die Versicherungen, Strom, Gas, Wasser und Miete etc. zahlen muß, ist schnell Schicht im Schacht und man kann sich Extratouren sparen. Ich will nicht jammern, aber die Wohnung ist mir zu teuer und sie macht mir zu viel Arbeit - wie seht ihr das?
Da waren alle Stimmen auf seiner Seite, als er weiter sprach:
Was wäre, wenn man einer Familie, die in dem eigenen Haus wohnt und wo beide arbeiten gehen müssen, um dieses zu bezahlen - seine Dienste anbietet?
Und welche sollen das sein?
Die Aufmerksamkeit lag auf ihm.
Na ja, alleine dadurch, daß jemand im Haus ist, können Päckchen angenommen werden, leichte Sachen - wie Rasen mähen und Straße kehren Leben im Haus zeigen. Da verhindert Einbrüche und die Kinder, so welche da sind, haben einen Ansprechpartner. Kurz, man paßt ein wenig darauf auf.
Das klingt gut, aber wie kann man Kontakt aufnehmen und wie die richtigen Leute finden?
Ganz einfach: (Das kann jeder halten wie er oder sie will)
Ich suche mir eine Gegend aus - sie muß nicht da sein, wo meine Wohnung bisher war - und hänge auf dem Schulparkplatz oder am Schwarzen Brett einen Zettel aus, wo man die Rufnummer abzupfen kann.. das habe ich schon öfter gesehen. Solche Schwarzen Bretter gibt es auch im kleinen Supermarkt, hob eine Rentnerin an.. wer hat einen Drucker am PC?
Stellt euch mal vor: Keine Miete und keine Sorgen um die Reinigung, um das Kochen und Waschen etc. wäre das nicht toll, selbst wenn wir kein Geld für unsere Dienste nehmen, ist das mehr als nur eine "win-win-Situation" - oder? Steuerlich könnte diese imaginäre Familie unser Zimmer absetzen und da keine Entlohnung in geldlicher Form geschieht, ist auch kein Beschäftigungsverhältnis entstanden. Man kann das als Ehrenamt ansehen. Kein Vertrag, nichts Schriftliches, alles auf den guten Willen und gegenseitiger Achtung. Langeweile wäre allemal weg - die einzige Voraussetzung erfüllen wir ja wohl alle- eine Sterbeversicherung, damit man der Familie nicht auf der Tasche liegt.
Er kam als Erster an die Reihe, quasi als Versuchsballon und so wurde an zwei Stellen der Aushang gemacht.
Nicht lange hin und der erste Anruf kam - eine gestresste Mutter mit hysterischem Tonfall, der alles zuviel war. Sie sei Ärztin und habe einen anstrengenden Schichtdienst, alleinerziehend zudem mit 2 kleinen Kindern im Vorschulalter.
Gerade wollte er seine Zusage per Telefon machen, als es schon wieder läutete:
Wieder eine Frau, die wohl schon etwas größere Kinder hatte, aber vier davon - beide Eltern berufstätig und Pendler, das Haus noch recht neu und mit entsprechenden Belastungen.
Er ging zur 2. Adresse zuerst und stellte sich vor.
Zu der Zeit, als die Kinder gerade alle wieder nach Hause kamen. So stand er vor der Tür, mit Stock und Strohhut und einer größeren Aktentasche.
Es dauerte eine Weile, bis die Haustür geöffnet wurde, zuvor rumpelte es kräftig hinter der Tür an der Treppe im Flur.
Ein schlacksiger Junge öffnete - mit Stöpsel im Ohr und sah ihn fast teilnahmslos an.
Dann führte er ihn zur Mutter, die gerade die Wäsche sortierte und dabei nervös auf die Uhr sah.
Guten Tag Frau Habermann, mein Name ist..
..ich bin in Rente, meine Frau ist vor 2 Jahren gestorben und so trieb mich der Selbsterhaltungstrieb zu neuen Ufern.
Ich sage ihnen was: Wenn sie eine halbe Stunde warten, mache ich der ganzen Familie eine einfache Pasta - ok?
Wo sind die Töpfe?
Die Zutaten habe ich dabei.
Die Mutter schüttelte den Kopf und nach einer kurzen Weile kam der Junge dazu und schaute ihm genau über die Schulter.
Das Essen stand bald auf dem Tisch - geübt, wie schon hundertmal gemacht.
Ruck zuck waren alle im Haus Anwesenden am Tisch und verzehrten mit Genuß die wunderbare Tomaten-Pasta.
Die drei Mädchen kamen mit Bedenken an den Tisch und äußerten ihre Vorbehalte gegen Fleisch, Fisch, Gemüse und wer weiß was sonst noch alles - aber ruck zuck war alles verputzt.
Ich muß nun los, meinte die Frau und sagte- ich komme heute um 21 Uhr erst zurück, mein Mann ist um 17 Uhr da - machen sie mal!
Weg war sie.
Ein Motor brummte und dann war Stille.
Der Schlacksige zeigte ihm die Räumlichkeiten und das versprochene Gästezimmer, von denen in dem geräumigen neuen Haus ein paar waren, weil der Dachboden ausgebaut worden war.
Zwei Mädchen gingen zum Geige-Unterricht, eines zum Reiten, der Junge saß am liebsten an der Gamestation -
die Hausaufgaben wurden praktisch nebenbei gemacht.
Nun geschwind den Tisch abräumen, den Kram in den Geschirrspüler und dann ein wenig ruhen.
Es klingelte aber irgendwie pausenlos, mal an der Tür, dann das Telefon..
So besah er sich den Garten, fand den Rasenmäher und erledigte in alle Ruhe diese Mäharbeit.
Um 16.45 Uhr kam der Jeep des Hausbesitzers angebrummt, ein Meister in einem größeren Metallbaubetrieb, wie er sich vorstellte. Heute sei er früher gegangen, damit er den Rasen.. aber was ist das? Der ist ja schon..
Bei einem Glas Bier wurde die ungewöhnliche Situation besprochen, die der Hausgast ausführlich so erzählte - er langweile sich und möchte in ein Familienhaus einziehen, mit nur einem kleinen Zimmerchen, mehr ist ihm nicht nötig. Für seine Dienste soll nichts gezahlt werden, nur kostenfreie Unterkunft und Logie. Ich bin kein Koch, so jener - aber ich kann gerne mal etws machen, wenn sie oder ihre Frau keine Zeit haben. Ansonsten passe ich auf, zeigte Präsenz im Hause und schaue, daß alles im Lot bleibt. Dabei kam zur Sprache, daß er Sachbearbeiter bei einer Krankenkasse gewesen ist und in der Rente - alleine in einer großen Stadtwohnung keinen Lebenssinn sah. Sie unterhielten sich noch lange, bis die Frau wieder nach Hause kam und für alle Pizza kommen ließ. Sie erzählte: Ich bin im Büro des Supermarktes und immer sehr müde, wenn mein Dienst zuende ist.
Man vereinbarte eine "Probezeit" von einem Monat.
Er fühlte sich beobachtet und merkte, daß der schlacksige Junge interssiert seinen morgentlichen Gymnastikübungen folgte. Jeden Tag eine halbe Stunde, meinte er, das kann jeder. Der Junge druckste herum, er schämte sich, weil andere Jungen stärker seien und ihn ständig drangsalierten.
Nach anfänglichem Scheu machte er die Übungen mit und wunderte sich, wie fit der Alte noch war..
Die Mädchen kicherten nur herum - machten aber heimlich mit, in ihren Zimmern.
Ein Mädchen bat ihn mit zum Rektorat zu kommen um ihr bei einem "klärenden Gespräch" bei zu stehen, das die Klassenlehrerin anberaumt hat. Sie hatte den Brief schon eine Woche in der Tasche und getraute sich nicht, diesen ihren Eltern zu zeigen. Gut, 10 Uhr - das schaffen wir - ich komme mit! Am Abend beichtete die mittlere Tochter ihren Eltern diese Angelegenheit: Die haben mich immer gestoßen, getreten, auf den Boden geworfen - eine Gruppe fremder böser Mädchen, die frisch in die Klasse gekommen waren. Den Termin kann man als Elternteil nur wahrnehmen, wenn man sich frei nimmt und das geht eben nicht immer und ist mit etlichen Umständen verbunden. Die Tochter weiter: Der Grund meiner Vorladung war, daß ich mich -erfolgreich- gewehrt habe!
Die Gymnastik mit unserem neuen Bewohner hat mir sehr dabei geholfen und das fand die Lehrerin nicht gut. Er aber hat die Sache in der Schule gerade gebogen und der Lehrerin erklärt, daß Gewalt nicht akzeptabel sei und sie als Aufsichtsperson da hätte eingreifen müssen. Die Eltern drehten die Köpfe hin und her, und meinten nur: Es hat sie keiner beauftragt, diese Dinge zu regeln! Er meinte nur: Ich habe das früher mit meinen Kindern auch so gemacht und denen bei gestanden. Letztlich waren die Eltern froh, mit diesem sensiblen Thema "Lehrpersonal" diesmal nochmal davon gekommen zu sein..
Seltsam, meinte die Mutter, daß man sie als Erziehungsberechtigen akzeptiert hat! Na ja, meinte die Tochter- die Lehrerin ist total überfordert, sie hat selbst Kinder und eigentlich gar keine Zeit für solche Gespräche und auch keine Nerven dafür.
Die Kinder machten ihre Hausaufgaben, gingen in ihre Freizeit-Stunden und regelten alles so, wie sie es gewohnt waren. Die beiden Eltern fuhren weg und kamen wieder.. inzwischen nahm er die Päckchen und die Post an, es war jemand im Haus, auch wenn kurzfristig alle Familienmitglieder unterwegs waren.
Die Hilfen waren nicht verbindlich geregelt und eher auf freiwilliger Basis gemacht und haben somit viel Freiraum gelassen.
Er traf sich mit seinen Altersgenossen im Cafe und berichtete von seinen Erlebnissen:
Ich bin untergekommen, meine Wohnung ist gekündigt und wurde von neuen Mietern übernommen, die meine Möbel haben wollten - wie praktisch! Na ja, es war ja auch alles bestens in Schuß.
Die neue Wohnadresse habe ich angemeldet, die Post umleiten lassen. Mein Zimmer ist klein, hat aber Internetzugang. Das kleine Gästebad im Keller kann ich nutzen, das reicht mir.
Die Familie ist mir ziemlich ans Herz gewachsen, - inzwischen geht sogar ab und an ein Familienmitglied mit, wenn ich spazieren gehe oder einkaufe - das spart den Eltern viel Zeit und Nerven - dafür habe ich mir einen einfachen, neuen Wagen auf Leasing zugelegt und zuvor meinen alten Karren verkauft. Die Kindern können und wollen - von mir vieles wissen und lernen. Die Eltern werden doch schon spürbar entlastet und was wichtiger ist, die Kinder haben einen ständigen Ansprechpartner in Lebensfragen, mich als alten Hasen, der alle Tricks kennt.
Nach und nach berichteten auch die anderen Freunde von ähnlichen Erlebnissen - nur ein Versuch ging schief und das hatte Gründe, die eher in den psychischen Bereich gingen.
Eine Rentnerin wohnte in einem riesigen Haus, dessen Besitzer ständig geschäftlich unterwegs waren und selten daheim, ohne Kinder - nur mit Hund, auf den es aufzupassen galt.
Nun reichte allen Freunden die Rente dicke aus und sie konnten sogar noch etwas neben hin legen, um sich mal einen Extrawunsch zu erfüllen.
Diese Idee könnte sich etablieren, eine spannende Sache wäre das allemal.
"Mit den eigenen Alten sind die jungen Familien meistens nicht so recht glücklich, das geht bis zur gegenseitigen Ablehnung.
Bei dieser Konstellation jedoch, ist jeder unabhängig und kann frei entscheiden.. frei von Erziehung und Vorurteilen;
ohne das berühmte "Erziehungsknöpfchen", das übrigens wechselseitig funktioniert.
Alt ist von Jung getrennt, kann aber helfen - und so sollte das sein.
Man denke nur einmal an den volkswirtschaftlichen Vorteil, wenn so viele Wohnungen in der City frei werden könnten durch unser Modell!"
Das gab unsere Cafe-Haus-Gruppe dem Journalisten in die Hand, der den Artikel gerne aufnahm.
*** Ende
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