"Indogermanen" Start
Dez war mit Ola früh auf dem Weg durch die Passage zur Markthalle,
mit dem vollbepackten Esel und Packtaschen auf den Rücken
hatten sie schon einen längeren Marsch hinter sich,
als endlich die Skyline Frankfurts auftauchte.
Die Ströme von Menschen aus den Wohnvierteln waren noch nicht in Gang gekommen,
die sich zu den Zentren durch den chaotischen Verkehr
drückten - man konnte das nur als "drücken" bezeichnen.
Einmal war Ola dort hinein geraten und anschließend ihr Erlebnis daheim erzählt.
Sie hatten geradezu freie Bahn, bis auf die Bummler, die noch von der Nacht waren.
Als sie ihre Landwaren gut verkauft hatten-
fast immer an den gleichen Händler der riesigen Markthalle, den Us,
ging es ganz schnell noch an den Stand mit Zucker und Schokolade,
den sich Ola gerne gönnte.
Die Kinder "Es, Die, Da" werden sich freuen, dachte sie.
Dez hatte keine eigenen Wünsche, so dicke hatten sie es nicht und so sparte er eben an sich selbst.
Die buddistische Gemeinde verkündete diese Bescheidenheit immer wieder und vermutlich hatte sie recht damit.
Sie taten sich auf und nahmen unterwegs noch einen Sparten mit, der gerade von einem der vielen Strassenhändler angeboten wurde.
Sie freuten sich, als sie den Menschenströme in die Metropole gehen sahen, Mensch an Mensch, alle Straßen voll und alles verstopft.
Sie drückten und wurden gedrückt.
Dez meinte nur lakonisch:
Mein Großvater hatte einmal das Wort "Pedding" genannt, das wird wohl so etwas gewesen sein..
Die Taunushöhen waren in Sicht, als sie das Nordend Frankfurts erreicht hatten-
Die Häuser waren teilweise über den Straßen gebaut, so daß die Strecke oftmals wie ein einziger langer
Tunnel vorkam,
egal nach welcher Richtung man ging-
die Dunstglocke der Stadt wetteiferte mit dem Feldberg-Turm, um Aufmerksamkeit, wenn man kurz vor dem Bergkamm stand.
Flugzeuge konnte nur noch bei bestimmten Wetterlagen landen, so dicht ist die Suppe geworden.
Der Main und der Rhein gleichen einer Kloake, sie sind dem Hindus sehr ähnlich geworden.
Die Metropolen sind so arg angewachsen, daß sie ineinander übergehen.
Die Bevölkerungszahl Europas ist von 450 Millionen auf 1,5 Milliarden angestiegen,
weil die Völkerwanderungen aus allen armen Ländern der ganzen Welt sogar die längst begonnenen Islamisierung
gestoppt und überschwappt haben- nun teilen sich alle Arten von Menschen und alle Religionen zugleich den europ.
Kontinent bis zum Ural.
Nach dem Zusammenbruch Chinas und Russlands sind allerorten indische Verhältnisse gekommen,
auch in Europa, das sich im Gegensatz zu den beiden Riesenstaaten freiwillig überfremden ließ.
Dez Urgroßeltern kamen aus Sri Lanka, Ola hatte Vorfahren aus Uri in der Schweiz.
Die alten Nationalstaaten hatten mit der großen Vermischung irgendwann aufgegeben,
der sogenannte Genscherismus war einer der Gedanken gewesen, dem die "Multikultur" und die "Willkommenskultur" gefolgt war.
Diese Begriffe der Vergangenheit wurden nur noch selten am Lagerfeuer genannt,
so man sich das ab und an leisten konnte.
Wälder waren längst abgeholzt, man verbrennt getrocknete Fäkalien- ein neuer alter Geschäftszweig mit Fladen - und eine weite Steppe mit weiten Anbauflächen des Landes wurde nur noch von den Ackerbauern
bewohnt, die sehr bescheiden in Lehmhütten lebten, weil die Häuser längst verfallen waren und Metalldiebe sogar die Straßenlaternen und Garagentore geklaut haben.
Die Landflucht war vollendet, nun waren nur noch die kleinen Bauern mit ihren kleineren Parzellen draußen, außerhalb der Städte. Die Bauern haben mit Zwille und Sparten ihr Land gegen Plünderer verteidigt, sonst wäre keine Ernte auf den Markt gekommen. Der Beruf des Feldschütz kam wieder.
Dörfer gab es schon lange keine mehr, die sind nicht mehr rentabel gewesen
und so hat man sie abgetragen, um noch mehr
Anbaufläche zu bekommen.
Nicht mal kleinere Landstädte blieben von dieser Abräumaktion verschont.
Denkmale, Schlösser und was auch immer herum stand-
alles verfiel und wurde abgeräumt.
Vorbei die Zeit, als sich das Wasserwirtschaftsamt um den Erhalt
der
Wasserwege kümmerte - bald war alles halb überwuchert.
Strom, Gas und Wasser oder Abwasser hat keiner mehr bezahlen können,
so waren die Leitungen auf dem Land marode und wurden
schlicht abgeschaltet.
Niemand kümmerte sich um die "Registrierung" von Personen, irgendwelche Register auf dem Land-
die Landbewohner wurden zu einer Randgruppe,
während die Stadtbewohner noch deutlicher in Kasten
eingeteilt waren,
aber ohne dieses offiziell zuzugestehen, man nannte das "Demokratie", wo niemand wußte wer wen vertritt.
Indische Verhältnisse sozusagen, das Chaos war wohl Programm - aber es war "multiethnisch" und frei,
die "besseren Leute" waren wohl eindeutig freier, von denen kannte unsere Landarbeiterfamilie aber niemanden.
Die hätten mit dem Landvolk, ehemals Bauern, auch niemals gesprochen, außer beim Handeln.
Die indische Sorte Mensch hat wohl -zumindest optisch- die Dominanz errungen,
selbst Afrikaner konnten sich in diesem Völkergemisch nicht behaupten:
Viele haben es versucht, aber viele sind auch wieder abgewandert nach Afrika,
weil sie ganz einfach keinen wirtschaftlichen Vorteil sahen, nach Europa oder Asien einzuwandern.
Viel wußte unsere Familie nicht von den globalen Verhältnissen, nur eben das,
was die Zentralregierung kundtat auf den Infotafeln in der Stadt.
Dez und Ola haben von ihren Großeltern noch lesen gelernt, mit dem Schreiben taten sie sich aber bereits schwer.
Wozu etwas schriftlich aufbewahren, wem hätten sie schreiben sollen, wozu etwas schriftlich hinterlassen,
wenn schon abzusehen ist, daß die nachfolgenden Generationen damit nichts mehr werden anfangen können?
Die Fleischversorgung in den Städten wurde undurchschaubar, die Herkünfte immer unklarer.
So gingen sie mit ihrem Esel langsam und sich unterhaltend durch die weiten Felder mit den Hecken, Knicks, Haine und Büsche,
die wegen der Bodenerosionensgefahr angepflanzt wurden..
"Eigentlich haben wir es sehr schön bei uns auf dem Land, meinte Ola, da hat man wenigstens seine Ruhe."
In den Städten brachen immer und immer wieder Seuchen aus, die tausende Tote forderten- mal war es diese, mal jede Krankheit.
Vorsorge und Impfungen hat man aufgegeben und nur noch Pandemien -notdürftig- versorgt.
Das Wasser war längst rationiert, die Wasserleitungen in der Stadt belieferten nur Zapfstellen vor den Höusern.
"Was hat Großvater damit gemeint, als er sagte-
damals waren in jedem Haus Wasserleitungen, es gab Strom und Gas?"
meinte Ola nach einer Weile des stillen Marsches, der nur durch gelegentliche "Eselhalte" unterbrochen wurde.
Dez wußte es nicht, woher auch - seine Vorfahren stammen nicht gerade aus einem solch "noblem Gebiet", wie er sich ausdrückte.
Wir können uns glücklich schätzen, hinter dem Taunuskamm in dem kleinen Tal zu wohnen, wo man aus dem Bach
Wasser schöpfen kann.
Durch die dünne Landbesiedlung ist die Verschmutzung noch gering, die einstige "Überdüngung" war Vergangenheit,
niemand hatte Geld für künstliche Dünger oder Spritzmittel-
womit hätten Herbizite oder Pestitide oder Funghizide auch auf die Felder aufgebracht werden sollten?
Mit dem Esel, ohne Maschinen?
Öl gab es keines mehr, das war rationalisiert und streng limitiert für die Kraftwerke reserviert.
Die Bevölkerungsobergrenze ergab sich sozusagen "natürlich", weil die Masse der Menschen das 50. Lebensjahr
kaum überlebte und nur die Oberklasse ein hohes Alter in Luxus genißen konnte.
Marktbestücker erzählten sich von seltsamen Fleischsorten, die seit etlicher Zeit zu haben waren.
Das war wohl der Grund zur überstürzten Flucht nach Afrika?
Die Forschung war ebenfalls nur noch für diese hohe Klasse da, mit Genmanipulationen und bester Versorgung,
Wohnambiente, Dienstboten und Springbrunnen.
Nun waren sie wieder daheim angekommen, in ihren Trullis aus Lehm.
Eines war den Großeltern, eines ihnen und je ein kleineres Trullo als Scheune oder Stall.
Nein, unzufrieden waren sie nicht, arm zwar und hier draußen recht einsam,
aber unzufrieden konnte man sie nicht nennen.
Sie kannten nichts anderes und fügten sich - typisch indische Mentalität - ihrem Schicksal.
Krank durfte allerdings niemand werden, denn da war der Glaube näher als der Arzt.
Hier draußen gab es keine Moscheen, keine Tempel und auch keine Kirchen oder Synagogen,
keine Regierungsgebäude, Theater oder Museen,
nicht mal mehr Wasserwerke oder Kläranlagen -
kein Funkturm oder Aussichtsplattform, keine Straßen oder Autobahnen, Eisenbahnen oder Fabriken-
alles hat sich von selbst aufgerieben und aufgelöst.
Der Arzt war weit weit weg in der Stadt, hier auf dem Land gab es nur Kräuter.
Langsam, aber sicher setzte sich die mündliche Überlieferung wieder durch:
Fernsehen oder Radio waren hier nicht denkbar, es war kein Strom da.
Für Solarzellen hatte man kein Geld und wenn, wären die sowieso der Stadt vorbehalten.
Die Kinder kannten keine Schule und keinen Kindergarten-
es waren ja keine anderen Gebäude mehr auf dem Land vorhanden,
nur eben ab und zu eine winzige Ansammlung von Trullis und ähnlichen Hütten.
Es gab Schmiede, die aus gesammelten Alteisen-Teilen Messer und Sparten und anderes Gerät fertigten,
und als Gegenleistung Naturalien nahmen - Geld hatte hier kaum einer und wenn,
dann vom Eintausch auf dem Markt.
Die Klimazonen änderten sich entsprechend,
weil der Wald ein Garant für feuchtes Wetter und Niederschlag gewesen war-
heute ist zwar durch das "Knick-Programm" (Niederholz-Haine und Hauwald) der letzten Jahrzehnte einiges verbessert worden,
das aber das alte Wasserniveau nie wieder erreichte.
Folglich war Europa nun wärmer und trockener geworden.
Die Landarbeiter hatten nicht mal Geld für Folien, mit denen sie die Verdunstung
aus dem Boden hätten reduzieren können.
Deshalb haben sie sich einige Tricks ausgedacht,
die wohl direkt aus der Urzeit der Menschen hätten stammen können..
Da sie keine Medikamente bekamen, konnte sie bedenkenlos die menschlichen Fäkalien
mit denen der Tiere mischen und auf die Felder ausbringen.
Eines Tages erzählte Großvater vor dem Trullo den Enkeln wieder einer seiner Geschichten:
"Es begab sich zu der Zeit, als in unserem Wohngebiet Menschen mit weißer Hautfarbe lebten,
die wohl daher kam, daß sie immer im Dunkeln der Wälder lebten, die so dicht waren,
daß einer den anderen nur sehen konnte, wenn er sich bewegte."
Die Enkelchen Es, Die und Da staunten und fragten:
"Und woher kamen die Dörfer, von denen du uns erzählt hast
und die breiten Straßen,
auf denen sich die Autos so schnell bewegt haben?"
Das will ich euch sagen, meint der Großvater- als mein Vater auszog um besser leben zu können,
in die Fremde, wo "diese Ungläubigen" wohnten, wie er sie nannte.
Dort hat man ihm geholfen seßhaft zu werden, mit Geld und mit einer Wohnung,
sie gaben ihm Arbeit und Einkommen.
Aber es kamen immer mehr und mehr und mehr in dieses gelobte Land..
Die Großmutter meinte:
Dann mußt du auch sagen, daß dadurch heftige Kriege entstanden sind.
Kriege, die durch die unterschiedlichen Glauben ausgelöst
und immer wieder geschürt worden sind.
Die Menschen sind immer mehr geworden, die Resourcen der Natur aber schwanden.
"Für diesen Tag soll das reichen, ich habe ja schon einen ganz trockenen Hals"
sagte Großvater, laßt mich mal wieder in Ruhe, ich muß mein Mittagsschläfchen halten.
Die nächsten Nachbarn waren Lothar und Claudia,
ein kinderloses Paar, das sich mit Geflügelzucht befaßte.
Sie waren noch Abkömlinge der einstigen Urbevölkerung,
sie war blond und er hatte einen starken Bartwuchs,
war kräftig gebaut.
Dann kamen einzelne Holzbaracken mit je einer Schicksalsgemeinschaft,
die wie die Ola und der Dez sich mit Obst und Gemüse - Zucht betaten.
Ein Wanderprediger sprach von der Autobahn, die heute eine Holperpiste ist-
"siehe das Ende der Welt ist nah!"
So ein dummes Zeug meinte der Großvater,
es geht immer weiter, geh am besten weiter..
Anschließend ging man auf das Feld um Sämlinge zu ernten,
die mühsam wieder kultiviert wurden, nachdem die großen Pharmafirmen sich aus der Fläche
zurück gezogen haben, die nicht
kollektiv zu den großen Agrarfabriken der flachen Ebenen zugehörten.
Die kleinräumigen Taunus- Westerwaldgebiete und andere hügeligen Regionen
waren freilich vernachlässigt, es hat sich für die großen Betriebe nicht gelohnt.
Wie auch immer, die Kleinbetriebe waren alleine und machten ihr eigenes Ding.
Abnehmer gab es genug, die Metropolen vertilgen Unmengen an Lebensmitteln !
Die Kinder spielen im Dreck, das ist der schönste Spielplatz -
so lernen sie den Umgang mit der Erde, die langsam aber sicher wieder "Mutter Erde" genannt wird.
Aber nur, wenn vollmundige Politiker sprechen- davon bekommt man auf dem platten Land nichts mit
und auch die einfachen Schichten der städtischen
Bevölkerung werden davon bestimmt nicht berieselt..
Die Leute stehen an bei Lebensmitteln, an der Wasserzapfstelle, an der Bahn oder Bus-
die einzigen Verkehrsmittel, die leidlich funktionieren, aber total überfüllt sind.
Der Beruf des Schiebers drückt die Leute in die öffentlichen Transportmittel, damit noch mehr hinein passen.
Zwischen den Metropolen fahren nur die Schnellbahn und Güterzüge,
die Autobahnen sind von der Natur bereits ein ganzes Stück eingenommen.
Geisterhafte Tankstellenanlagen, Kleinflugplätze, Viadukte und Brücken,
über die nur noch Eselskarren humpeln.
Großvater, erzähl' uns doch nochmal von früher!
Die Kinder bohrten- kein Wunder, sie hatte keine Schulen, keine Kindergärten,
keine Spielplätze und kein Fernsehen und kein Radio oder gar Computer oder Smartphone-
nicht mal batteriebetriebenes Spielzeug oder gute Schuhe,
die bei weitem wichtiger gewesen wären, so liefen alle mit umgewickelten Tüchern herum.
Großvater trug nur Schuhe, die er sich aus Rinde und Stroh und Kordel selbstgemacht hatte.
Selbst Kordel hat er selbst gemacht und das war sein "Gefach";
er nannte sich "Kordelmacher".
Brenn-Nesseln gab es mehr als genug, überall wuchs dieses Kraut und daraus
"hechelte" er die Nessel-Bahnen, die einzelne Fäden ergaben- hart, zäh und langlebig.
Diese wurde gesponnen, gedreht, bis man daraus eine gleichmäßige Kordel aufwickeln konnte.
(Das Kraut wurde zum Gemüse verkocht, so wurde jeder gesund satt)
Das haben die Kinder oft bei ihm gesehen.
"Was soll ich euch von früher erzählen?"
Nun, sagte da die kleine "Die"- wie war das mit dem Herd und dem Wasser im Haus?
Nun, wenn man einen Knopf drückte, wurde die Herdplatte heiß,
man konnte den Topf oder die Pfanne darauf schnell erhitzen um Essen zu kochen.
Was ist ein "Knopf", wie das Ding, das ich im Sand gefunden habe?
Wie soll das denn gehen, ohne ein brennendes Holzscheit ?
Und das Wasser kam einfach so aus der Wand und abstellen konnte man das auch ?
Welche unheimlichen Wunderzeiten hast du denn erlebt?
"Wenn ihr groß seid, nehme ich euch mal mit in die Stadt,
dann könnt ihr vor jedem Haus einen Wasserhahn sehen und auch bestimmt
mal kurz ausprobieren.."
Ich will das aber jetzt sehen!
Die Wanderung ist viel zu weit für dich, das schaffst du noch nicht..
Aber warte, ich habe da ein Lexikon aufgehoben, das mir mein Vater geschenkt hat,
dort müßte das eigentlich zu sehen sein..
Er holte das gut eingepackte dicke Buch hervor, das mit allerlei Kleinkram aus alten Tagen
aufgehoben wurde.
W...w.... wasser.. Wasserhahn, gut, daß ich noch lesen gelernt habe!
Schau: Da ist das Ding zu sehen..
Ungläubig schauten die Kinder und wollten wissen, was dort im Text alles zu erfahren war.
Ihr solltet lesen lernen, dann ist das ganz einfach.
Keines der Kinder hat je ein Buch gesehen, geschweige denn in einem geblättert..
Nun hatte der Großvater einiges zu tun.
Ola kochte auf dem Solarkocher, einer altmodischen Erfindung,
die mittels parabol gebogenem Spiegelblech die Hitze auf einen Punkt fokusiert.
Mit Brennholz mußte man immer sparsam umgehen, seit die Wälder weg waren.
(Wer heizt schon gerne mit Fäkal-Fladen?)
"Heilige Männer" aller Weltreligionen zogen durch die Lande,
ab und zu kam mal einer dieser seltsamen Leute vorbei:
Sie lebten von den Gläubigen, die bereitwillig etwas gaben.
Die Großmutter war immer ganz wild auf eine "Segnung" dieser heiligen Leute.
Großvater schüttelte nur den Kopf, wenn er das sah.
Die Verbrennung der vielen Toten in der Metropole
verbreitete in der ganzen Talsenke Frankfurts einen bestialischen Gestank,
aber
religiöse Tradition muß halt sein- offen wurden die Leichen verbrannt,
auf allem, was irgendwie brannte, auch auf Kunststoffteilen.
Anschließend hat man alles "dem Fluß übergeben", wie eben diese Traditon war.
Irgendwo am Unterlauf des Rheins haben Menschen davon gelebt,
Müll aus dem Wasser zu fischen und auf Brauchbarkeit zu untersuchen.
Heilige Kühe sind eine Landplage, meinte Großvater,
sie fressen uns nochmal die Haare vom Kopf-
und trotzdem
darf man sie nicht mal verscheuchen.
Heimlich warf er mit Steinen nach diesen Tieren,
oder zog seine Zwille aus dem Ärmel
wenn es Großmutter nicht sah.
So manche Ernte hat er dadurch retten können.
Am täglichen Ablauf lösten sich Tristesse und Arbeit und Schlaf ab.
Dez meinte:
Die Kinder werden kaum jemals schreiben müssen,
dennoch werde ich sie beim Großvater lernen lassen,
auch wenn deren Arbeitskraft nur mehr auf dem Feld gebraucht wird.
Im Winter lebte man auf dem Land nur von dem,
was eingelagert wurde - immer auf der Hut vor ungebetenen Vagabunden,
die das Land durchzogen.
Milde Gaben der Mitmenschen haben das frühere Sozialsystem ersetzt.
Er hat auf dem Weg zur Markthalle oft Tote auf dem Gehweg gesehen,
die von den städtischen Kräften weggeräumt wurden.
Nein, dieses neue Europa war kein Zuckerschlecken,
selbst Afrikaner mieden es.
Zu den Indogermanen zählen freilich auch Türken und Slawen,
mit all ihren ethnischen Minderheiten, die sich noch immer bis aufs Messer befeinden.
Ein falsches Wort und der Konflikt war da-
in der Stadt mußte er immer aufpassen und allem aus dem Weg gehen.
Hier auf dem Land war der Tag Arbeit, aber auch Ruhe und Frieden.
Eines Tages im Frühjahr wollte Ola die Claudia besuchen um etwas Wolle einzutauschen,
Als sie ihr Trulli schwarz verbrannt sah-
Plünderer waren da, die zuweilen in Horden durch die Gegend zogen.
Deshalb hatte Dez seine Steinschleuder gebaut und Großvater immer seinen Stock dabei.
Sie sah, daß sie hier zu spät gekommen ist.
Lothar - oder das was noch von ihm war, lag unweit als Gerippe herum.
Die Dingos werden im Winter ihr Mahl gehalten haben,
dachte sie entsetzt über diesen Anblick.
Weggeräumen wird das niemand, also werde ich die beiden verscharren.
Mehr kann ich nicht tun.
Den Rest wird die Natur gnädig zudecken.
Um das Geschehene wird sich kein Polizist kümmern,
niemand wird das interessieren..
..ihre Gedanken waren trübe und lagen bei den Erzählungen des Großvaters,
wenn er von früher erzählte, wo noch kein Multikulti war.
Daheim angekommen, waren die Kinder schon auf dem Feld und
stecken kleine Pflanzen in die Erde, ein paar Wochen später waren die Gurken dran.
Wasser holen gehörte zu den Hauptbeschäftigungen,
in der Vegetationsperiode nochmal mehr.
Eines Tages kam Dez schwer verletzt nach Hause,
er war auf dem Weg vom Markt beraubt worden-
auch der Esel ist ihm weg gekommen.
"Die ganze Arbeit umsonst gemacht" stammelte er die ganze Zeit,
bis er von der beginnenden Sepsis geheilt wurde.
Ola und Großmutter mit ihren Kräutern waren noch zeitig dabei
und konnten ihn retten -
die Genese brauchte aber sehr lange
und hat ihm eine leichte körperliche Behinderung hinterlassen,
er zog die Schulter immer hoch, wenn sie schmerzte.
Diesen Sommer kam eine arge Trockenheit,
die durch den Klimawandel kam..
.. selbst größere Bäche fielen trocknet, Tiere verendeten,
viele Menschen verdursteten,
bei den Reichen in der Stadt lief der Springbrunnen und am Schwimmbad lagen die reichen Frauen,
während ihnen die Dienstboten kühle Getränke brachten..
..bis der Gatte mit dem Flugzeug von der Dienstreise zurück kam,
er war auf dem Umweltkonvent der UN in New York
und hat bestimmt wieder feinen Schmuck und Konfekt mitgebracht.
Über die Hintertreppe ist der Latino davon, als er den Ehemann heim kommen hörte.
Der Chauffeur hat die Limousine auf Glanz gebracht,
heute sollte sich das Gefährt wieder hupend durch die total verstopften Straßen drängen,
die Gattin wollte ein wenig "shoppen" und sich mit einer Freundin zum Plausch treffen.
Vorbei am Elend der Stadt, die langen Schlangen der am Wasserhahn wartenden Leute
beflissentlich übersehend.
Von den "Unberührbaren" will ich nicht mal anfangen, die aus den "Harzern" kamen,
die niemand mehr bezahlen konnte.
Sollen sie doch sehen, wie sie durchs Leben finden,
dachte sie sich, ich muß das ja auch!
Sie schüttelte ihr langes schwarzes Haar, das zuvor vom Hausfriseur gepflegt wurde.
Der Polizist auf der Kreuzung machte dem schweren schwarzen Wagen die Strecke frei.
An der Flanierzeile der Stadt waren spezielle "VIP-Parkplätze",
die von eigens dafür eingestellten Ordnungskräften frei gehalten wurden.
Der Chauffeur mußte im Auto bleiben, sonst hätten bald die Räder oder sonstige Teile
des Autos gefehlt.
Selbstverständlich trug jede Schutzperson der Reichen eine Waffe und einen Stock,
um den "Pöpel" abzuhalten.
Die Wohngebiete der besseren Leute wurden speziell bewacht und genau kontrolliert.
Der Kordelmacher, der Großvater, hat seinen Enkeln die Technik der Herstellung
vermittelt, damit sich die Kinder später auf ein festes Tauschmittel verlassen konnten.
Er fand, das ist die beste "Erbschaft", die ich hinterlassen kann.
Allemal sicherer, als die großen billig aussehenden Papierscheine, die man Geld nennt.
Gefragt waren eßbare Landprodukte und die waren das Gewerk von Dez und Ola,
die irgendwann einen ehemaligen Soldaten einstellten, der den "Hof" bewachte.
Etwas Mitleid, besonders aber die unsicheren Zeiten waren der Grund dafür.
Bald hat man die Trullis von den Nachbarn wieder aufgebaut und mit
zwei einfachen Wanderarbeitern aus Sizilien besetzt.
Nun konnte das andere Land ebenfalls bewirtschaftet werden-
hoch waren die Flächenerträge nun wirklich nicht!
Wenn keiner keinen versteht und doch dessen Beweggründe begreift,
dann ist das Indogermanien, meinte der Großvater.
Dieses Chaos wird ewig bestehen, so lange sich die Erde dreht..
"open End" ?
Nicht ganz, denn die Erde
dreht sich immer noch und trotz allem.
| |