|
2020 Kartusche: Hessischer Apfelwein
Die Jungen sagen "Äppler" zu einem gespritzen Apfelwein, den man als "sauer Gespritzten" (mit Selterswasser aufgefüllt) oder als "süß Gespritzen" (mit Limonade aufgefüllt) in der Gaststube Hessens bestellen kann. Gerade bei Radfahrern und Wanderern ist dieses Getränk als Gespritzter sehr beliebt, denn man möchte nicht angetrunken unterwegs sein.
Der richtige Ausdruck kommt aus Sachsenhausen, einem Stadtteil Frankfurts, wo man Äppelwoi dazu sagt, wenn dieser herbe Wein voll bis zum Eichstrich des "Gerippten" gefüllt wird. Kellerkühl, wie sich das gehört, ausgeschenkt aus einem blau-grauen Steinkrug, wie Anno dunnemals.
Na ja, touristische Seiten gibt es genug, die dieses Thema noch ausführlicher schildern - aber es ist eben auch Kommerz dabei und das will ich auf meinen Seiten nicht zeigen. Fakt ist, daß -lt. Chronik- die "Straußenwirtschaften" auch hier rege besucht wurden und immer wo ein solcher Strauß außen am Haus angebunden war, sah man auch Tische, Stühle und alles was zum Ausschank dazu gehörte: Diese Dinge wurden immer weiter gereicht, wenn der jeweilige Keller (buchstäblich) leer getrunken war.
Der hessische Äppelwoi unterscheidet sich vom Cider ganz gewaltig, der süß und nicht sauer schmeckt.
(Hier irrt Wikipedia ausnahmsweise mal ganz gewaltig - in Hessen wird nichts mit CO2 angereichert, zumindest nicht bei der traditionellen Produktionsmethode)
Wie auch immer, ich bin in einer Lohnkelterei die Hälfte meiner Kindheit herum gekrabbelt und habe alles haarklein mitbekommen, was mit Obstweinen zu tun hat.
Die Leute des Ortes brachten ihr Fallobst von den Wiesen dort hin und tauschten dieses gegen frisch gepressten Saft, der Zuhause eingeweckt oder für die Gelee-Produktion oder als Wein vergoren wurde- davon hat man den ganzen Winter gezehrt. Alles war Handarbeit, von der Baumpflege bis zu Lese, denn gepflückte Äpfel hat man im Keller auf Lattenroste - auf denen Zeitungspapier kam, gelegt und so hielten die Früchte sich bin nach Weihnachten. Damals wurde NICHTS weggeworfen und so kam man wohl auf den Gedanken, aus dem Fallobst Wein zu machen.
Das Obst wurde gewaschen, kam in eine Mühle, wo alles mehr oder weniger grob gemahlen wurde. Diese Maische kam in die Weinpresse, ein großes Ding mit mehreren Lagen Tücher und Bretter darin und einer Spindelstange in der Mitte. Oben war eine dicke Mutter mit Löchern drin, in welche lange stabile Hölzer kamen, mit deren Hilfe man den oberen Holzdeckel und alle anderen darunter langsam nach unten drückte. Der Saft lief in eine massige Gußeisen-Rinne, die emailliert war (damit der Saft nicht korridiert) und von da per Trichter und Schlauch in die Gärballons oder andere Gefäße, die mitgebracht wurden..
Übrig blieb ein stabiler trockener Presskuchen, der Trester.
Der Trester wurde nicht weggeworfen, den holten die Bauern für ihre Schweine - vielleicht war das Schweinefleisch früher so viel schmackhafter als heute, wo nur noch Einheitsfutter gegeben wird? (Früher fütterte man alles was irgendwie eßbar war, auch Rübenschnitzel aus der Miete und altes Brot, Gemüseabfälle)
Wie auch immer, in Frankfurt liebt man den Speierling, das ist eine Zugabe von einer seltsam bitteren Frucht, die ich persönlich noch nie irgendwo gesehen habe.
Bei uns nimmt man KEINEN Speierling, sondern läßt dem Apfel pur und rein die Kraft.
Man darf davon ausgehen, daß diese Vergabe aus Gründen der besseren Haltbarkeit kam.
Ich mache meinen Äppelwoi, den man hier auf dem Land eher Äppelwei nennt, gerne selbst. Nicht aus preislichen Gründen oder weil ich zu viel Obst hätte und obwohl wir eine hervorragende und bekannte Kelterei in der Nähe haben - es ist einfach nur aus dem Grund getan, weil man Gärverhinderer zusetzen muß, um Wein -ganz generell- haltbar zu machen. Ohne dieses Haltbarmachen ist ein Wein - ganz generell - heute nicht mehr vermarktungsfähig: Er gärt immer weiter und würde eine einfache Flasche zum Bersten bringen können und zudem den Restzucker in Alkohol verwandeln, was den Wein letzlich immer saurer werden ließe. Wem aber diese Haltbarkeitsstoffe in den Magen und in den Kopf drücken, sollte sich die kleine Weinproduktion in den eigenen (kühlen!) Keller holen.
Deshalb hole ich mir von dieser wunderbaren Kelterei den Apfelsaft in 1ltr Flaschen**, der nur durch kurze Sterilisation haltbar gemacht wurde und setze daraus meinen Apfelwein an.
Dieser ist fix genug weggetrunken - also sind Haltbarkeitsstoffe und andere Chemie nicht nötig. Der Wein ist richtig erfrischend und lecker. (Auch als Gespritzter im Hochsommer)
**aber nur zum Trinkgenuß, für den selbstgemachten Apfelwein reicht der einfache Apfelsaft vom Diskounter (100%, aus Konzentrat - den Unterschied schmeckt man beim Apfelwein NICHT.
Ich hoffe ein wenig Licht ins Dunkel gebracht zu haben und wünsche viel Freude mit dem neuen Hobby..
(Früher hatten wir noch eigenes Obst, heute lohnt sich das nicht mehr; die Bäume und Sträucher waren zu wenig und die Gerätschaft überaltert.)
Obige Links sind mir als Fördermitglied Wikipedias erlaubt.
***
| |