Stadtchronikel Braunfels (Lahn)
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Stadtchronikel - Braunfels
Dieses Städtchen liegt oberhalb des Lahnbeckens, auf der südl. Seite
und ist durch das markante Schloß
schon von weitem zu erkennen.
Dieses gut erhaltene Gemäuer beherbert ein Museum und kann
als ehem. Herrschergebäude
heute besichtigt werden.
Es wird noch heute von einem der Nachfahren des Fürstenhauses bewohnt.
(Diese
sind aber nur in den ehem. Diensträumen, weil so ein großes Gemäuer kaum zu beheizen ist)
Die Stadt selbst
ist zwar klein, aber interessant.
Besonders der historische Marktplatz und viele Straßen rundherum sind mit
prächtigen Fachwerkhäusern zu bestaunen.
Dazu sollte man wissen, daß innerhalb der eigentlichen engeren Stadtmauern,
-die beiden um die Burg direkt herum-
nur Adel und hohe Bedienstete des Herrscherhauses ihre Häuser hatten.
Der weitere Ring umschloß die Altstadt
Das Geschäftsleben ist - wie überall in den kleinen Städten -
immer mehr eingeschränkt,
wogegen heute ausl. Lokalitäten dominieren.
(Es gibt aber noch eine oder zwei alte Gaststätte(n)
und
ein feines und ein einfacheres Cafe unter deutscher Leitung ist heute -aus Altersgründen- geschlossen)
Drei oder vier Supermärkte, eine Apotheke und eine Tankstelle,
drei Autoreparatur-Services und ein kleiner Sportflugplatz,
wo auch Modellflieger starten - gehört dazu.
Auffällig sind zwei größere Kliniken,
eine geriatrische und
eine sportmedizinische
oder orthopädische und eine Klinik für Neurologie, alle mit Reha.
Früher hatte Braunfels
eine eigene Brauerei, "Wahl" deren Teiche heute den Anglern
und Freizeitlern dienen.
Daneben ist gleich ein
Campingplatz und eine Tennis- und Sportanlage, der schöne Golfclub ist nicht weit und ein Heimatmuseum in der Mühle.
Es wird also einiges
an Freizeitwert geboten und wir fahren gerne dorthin
um einen netten Spaziergang im Schloßpark zu machen und daei auch die Wintersburg zum umkreisen oder durch zu spazieren.
Das alte oder ehemalige Feriengebiet "Wintersburg" war mit Holzhütten auf kleinen Grundstücken im lichten Wald,
wo aber
bald ein Niedergang kam, als die Grundstücke in private Hände kamen.
(Dieses Feriengebiet ist in sich eine herrliche Sache,
wären da nicht die größeren Aus- und Umbauten, der
Unrat durch sozialen Abstieg,
wie man in vielen Ortskernen der letzten 20 Jahre sehen kann)
In der Altstadt Braunfels jedenfalls
ist alles ordentlich und gepflegt.
Wer die Stadt erwandern will, sollte unten im Tal bei den Sportanlagen parken,
unten
geht in der Senke rechts die Straße nach Philippstein..
(von Weilburg kommend)
gegenüber des Parkplatzes kann man
entweder zuerst an den Teichen entlang
oder direkt in den Hang unter der Burg angehen.
Nun liegt die Stadtchronik von 1990 auf meinem Leseplatz..
und tat sich schon einmal sehr gut an, zumal diese
lt. Verfasser sich nicht nur um das Schloß und seine Bewohner,
sondern um die Leute der Stadt kümmert, deren
Erleben nur mühsam im Buch eingefangen werden konnte.
Drei Autoren haben sich wohl ihr Leben lang um diese
Dinge gekümmert und alles zusammengetragen.
Meinen Dank an dieser Stelle dafür - vom Jahr 1100 bis heute ist
eine weiter Weg..
..nun beginnt aber das Buch wie alle diese Chroniken mit der Aufzählung derer auf und davon,
deren Brüder, Verwandten und viele Heiraten unter den Adligen,
Gebietsabtretungen und Zugewinnen, von den kleinen Leuten keine Spur,
bis auf ein paar Preise und Löhne für Tagelöhner, Wäscherinnen
und andere Zugeh-Leute der Reichen.
Der
Reichtum kam dem Grafenhaus erst, als eine Bruderlinie (Solms) erlosch und viel Land und Leute dazu kamen.
So ist bis heute die Wintersburg ein Zankapfel, eines von einigen wüstgegangenen Siedlungen jener Zeit,
das
zu Solms gehört hat.
Im Hirschgraben -westlich, etwas oberhalb der heutigen Straße nach Leun-
war wohl diese
Siedlung gelegen, die sich später nach Norden hin ausgeweitet hat.
Man darf wohl vermuten, daß Pest, Cholera,
Thyphus, Grippe-Ephedemien, Brände und
Kriegsgeschehnisse daran schuld waren, daß Orte "wüst" gingen, wie
überall im Land.
(Wenn die "wehrfähigen" Männer immer wieder "ausgehoben" wurden,
um für die Mächtigen
in seltsame Kriege zu ziehen, die oft genug Verwandten-Zwiste waren, braucht man sich nicht zu wundern,
daß daheim die Angehörigen ein sehr sehr
beschwerliches und armes Leben hatten.
Ausgehoben klingt wie das Einsammeln von Eiern im Hühnerstall und so
muß das auch gewesen sein:
Dem Fürsten gehörte alles Land, Wald, Gelände nebst Häusern und Bewohnern,
Wild und
Getier- ganz automatisch, weil das die Dynasten unter sich ausgemacht haben.
Die Kirche war nur "moralische" Hilfe,
die aber immer auf Seiten der Herrscher war,
zum Teil genau so arg wie diese, wenn es um die Beitreibung ihrer
"Forderungen"
gegen die Gläubigen ging.
Kirche war oft in Personalunion zur Macht, "gläubig" hat folglich jeder Untertan zu sein!
"Gib dem Kaiser was des Kaisers ist"
Der "Glaube" konnte nur aufkommen durch die Ungebildetheit der allermeisten Teile der Bevölkerung,
die weder lesen noch schreiben konnten - und durch geschickte rhetorische Trick willfähig gemacht wurden -
dafür aber unter der Knute des Herren (Gottes oder oh my Lord) standen -
so herum oder auch anders herum.
Wie auch immer, man liest von innerer Burgmauer und äußerer,
von Kirchenbauten (eine soll der Ursprung
des Ortes gewesen sein) und vom Kleinadel,
welcher hinter den Mauern wohnte, von Strafregistern und so weiter.
In einer Zeile wurde erwähnt, daß im heutigen Schloßgarten jede Menge
kleiner einfacher Häuschen gewesen
sein sollen, wo man Handwerker und Dienstboten
für die Herrschaften der Burg gehabt habe.
Der Zehntturm ist aber erhalten und mit Um- und Anbauten versehen worden..
auf dem Stich von Merian soll man
noch ein paar Ansiedlungen sehen,
die es heute nicht mehr gibt.
Die Kirche St. Georgen mit ihrem Fischgrätenverband
an Bruchsteingiebel - Mauern ist älter als Braunfels,
so wird vermutet, obwohl es keinerlei Dokumente darüber
gibt.
Zum alten Herrenhaus St. Georgen geht es gegenüber der Sportanlage aufwärts
die Schlesier-Str. / Untergasse auf der
rechten Seite dieses auffällige
große und langestreckte Fachwerkgebäude.
Über die weitere Entwicklung St. Georgens wird später in der Chronik berichtet..
Die Verbindungen des Hauses Braunfels zu anderen Raubrittern,
pardon Steuereinnehmern nach Falkenstein und Katzenellnbogen etc.
sind kennzeichnend für die invasive Art der Adelsleute, die in Klöstern und im Klerus einsickerten.
Mal ist nicht klar, ob die damalige Schreibweise Vor- oder Zunamen nennt,
die Schreibweise ist der damaligen
Rechtschreibung entsprungen,
wie das heute z.T. auch wieder ist.
Auf Seite 29/30 wird gezeigt, daß die Gräfin sehr fortschrittlich war
und im Schloß eine Apotheke zur
Versorgung aller Leute des Ortes eingerichtet hatte.
(eher ließ, als selbst eingerichtet zu haben)
Seite 29 kümmert sich auch um das Thema "Befreiung von der Leibeigenschaft".
Seite 35 behandelt
ein Fest, wo 250 Leute eingeladen waren, die 15.000 Liter Wein soffen
- in 2 Tagen und 2 Nächten, also gut 60 Liter
pro Person.
Das Wort "Gemeine" (Menschen) kommt auf Seite40 und anderen Seiten immer wieder vor.
Auch bei "gemeine
Tätigkeiten".
Die einfallenden fremden Truppen, ob Freund oder Feind "raubten und plünderten
und quälten ohne
Ausnahme" Seite 47 - nur das Rothe Buch 1430-1450
und das Staylsche Repertorium -15.Jhd.- ist nach dem großen Brand erhalten.
Was ist ein "Weed"? Das erklärt Seite 65, es sind Löschwasserbecken,
davon gab es einige in Braunfels - in Fels gehauen.
Seite 66, die "ehrbare Schäferzunft" wird eingeführt,
eigentlich sollte diese Berufsgruppe, wie die der
Scharfrichter
und Abdecker keinesfalls in die Gilden oder Zünfte aufgenommen werden.
Ich bin gespannt, wie dieses total unspannende Buch weiter gehen wird-
bis jetzt wurden die normalen Menschen
nicht bedacht, es ging im Buch immer nur um den Adel,
die "Dynasten", die besser selbst zum Opfer der Kriege geworden
wären,
als daß die Bevölkerung darunter hätte alleine leiden müssen.
Ein steiniger Wälzer, den ich euch,
geneigte Leser oder Leserinnen, hiermit ersparen will.
Nun hat sich das Buch doch noch entwickelt und zeigt sich von einer anderen Seite:
Seite 69 erzählt, dass ein pfiffiger Bauer dem Prinzen Albrecht
seinen hübschen Hund habe verkaufen wollen
und nach langer Suche auf einen Prinzen traf,
der jedoch der Bruder Prinz Georg war.
Der Bauer sagte
"Seid ihr der Hundenarr oder ist das euer Bruder?"
Der Angesprochene lachte und meinte:
"Ich gebe euch
10 Mark, wenn ihr das meinem Bruder sagt!"
Und gesagt, getan - der richtige Prinz gab als Antwort eine
schallende Ohrfeige.
Der Bauer behielt seinen Hund und bekam 10 Mark vom Prinzen Georg.
Das hat den Geohrfeigten
wohl versöhnt.
Mir zeigt diese Geschichte, daß der "kleine Mann" nichts galt,
der hohe Herr durfte diesen
mal eben spontan strafen,
ohne daß irgendwelche Folgen gekommen wären.
Seite 72 erzählt von einem Benderhaus, einem Benderkeller -
damals wurde die Dauben der Fässer noch mit
Haselnussruten gebunden.
Damals gab es noch viele Weingärten, seine Durchlaucht war wohl
ein begnadeter "Blindverkoster" von Weinen,
der jedes Raten gewann.
Der hiesige Wein war nicht unumstritten:
Wohl dem, so sagte ein hoher Gast, der diesen
trefflichen Tropfen nicht trinken muß..
Der Weinanbau ging ein, als die Bahnlinie Lahntal 1863 gebaut wurde-
dann kamen die Weine von der Mosel und
vom Rhein billig in nördliche Gefilde.
Der letzte Weinhang wird wohl vor 1900 gewesen sein, am Kloster Altenberg.
Seite 74 Damals war -wie überall- so auch in Braunfels jeder Handwerker
auch ein Kleinst- oder Ziegenbauer.
Aus dieser Zeit stammt die Geschichte, als eine Geiß in ihrem sehr engen Keller
seltsam still verharrte und
sich die Besitzerin keinen anderen Rat wußte
als den Nachbarn zu holen, der ebenfalls eine Ziege hatte:
Dieser besah sich das gute Tier und sagte:
"Hinne is de dud, ob se vorne dud is, waas ich net!"
Seite 74 damals im 18.Jhd. war noch die Dreifelderwirtschaft - Winterfeld, Sommerfeld, Brachland.
Angebaut wurde Roggen, Weizen, Gerste, Hafer und Erbsen, Flachs,
Linsen, Wicken, Buchweizen (auch Harekorn genannt,
nach lat. Haruspex, Wahrsager, Zigeuner)
Hirse und Ölfrüchte. Gemüse zog man in den eigenen Kleingärten.
Seite 78 behandelt die Brunnen der Stadt,die bis 25mtr tief
in der Sohle waren und oft bis zu 10mtr tief
in der Erde den Wasserspiegel hatten.
Seite 81 im Jahr 1735 wurde die Postlinie Wetzlar - Koblenz
über den St. Georgenhof Braunfels geführt,
die heutige Weilburgerstraße war noch nicht gebaut.
Auf dieser Seite 81 ist auch die Story vom "Eisernen Heinrich" vermerkt,
der 100 Jahre vor Hannes Bückler,
dem Schinderhannes dasselbe "Gewerk" tat.
Nach seiner Einkerkerung muß seine Bande oder Familie "gefressen haben
wie die Ochsen" lt. Kerkermeister.
Noch heute heißt dieses finstre Verließ nach diesem Schandfleck "Eiserner Heinrich - Loch".
Er muß alles rundherum ausgeplündert haben und war sich für keine Schandtat zu schade,
aber lest es im Buch
einfach selbst!
(Der eigens für ihn errichtete Galgen aus massivem Sandstein hat man später gesprengt,
der Täter selbst kam zu den Anwerbern des Militärs - der Galgen blieb ein "Jungferngalgen")
Seite 86 erzählt von den Stiefbrüdern des Regenten als "Nebenfürsten".
Seite 85 von den fürstlichen
Bemühungen um Sparsamkeit,
allerdings nur bei den Untertanen, nicht bei sich selbst:
Es wurde peinlich genau geregelt, wer wieviel und wie teuer feiern und Verwandte
beherbergen und verköstigen
durfte, wenn jemand heiratete oder starb.
Seite 93: Im Jahr 1845 sind aus den Amtsgemeinden einige Arme
nach
Texas gegangen, ein Adelsverein hat das in die Wege geleitet.
Texas war damals ein Pufferstaat zwischen Mexiko
und den heutigen USA.
Es war die Gründung Neu-Braunfels in Texas.
Seite 94/95 hat einige weiterführende
Literaturhinweise zur Geschichte der Stadt Braunfels:
Louis Kleemann, Bericht über die napoleonische Zeit
F.v. Restorff, topographisch-statistische Beschreibung von 1830
J. Lenz, Bericht über die Bauernunruhen in Braunfels
Amtschronik, Bericht über die landwirtschaftlichen Verhältnisse
Fürst Ferdinand im Spukschloß
Erlebnis einer Braunfelser Hebamme
Maria Kirchfels, Ein Eisfest
Karl Metz
Genehmigung der Personenbeförderung auf der Eisenbahn
Ida Mehl, brave Belzgässer Kinder
Brief eines Braunfelsers aus der Garnison
Eintrag des Kirchendieners Lutz 1880
(Diese Hinweise beziehen sich auf das Buch, auf spätere Kapitel, nicht auf externe Bücher)
Seite 96 - was ist ein "Tröller"? Ein Schandgatter oder Schandpfahl?
Seite 97 wurde die Regierung Braunfels nach Nassau "mediatisiert" unter Napoleons Gesetze gestellt. (Rheinbund)
Das hielt die franz. Truppen nicht ab, in Massen die Stadt zu plündern und zu quälen.
Die braunf. Fürsten freilich sind feige nach Frankfurt geflohen, wo sie sicher waren.
Mit Napoleon zog auch ein Marschall Bernadotte
wie ein Schinderhannes durch die Gegend, kam sah und stahl alles,
was nicht niet- und nagelfest war.
Napoleon oder Montecuccoli, die Spanier, Franzosen, Schweden und Preußen -
diese Invasoren benahmen sich alle wie der Räuber Schinderhannes, meistens schlimmer.
1813 sollen 99 Braunfelser an Typhus gestorben sein,
weil zu viele Verwundete der franz. Armee dort einquartiert
wurden.
Danach fielen die Preußen in gleicher Weise ein, wieder wurde alles geklaut
oder feierlich ausgedrückt "requiriert"
Im Jahr 1806 waren nur noch 1400 Einwohner in der Stadt.
Die Weilburger Herrscher nannte man "Napoleoniden", "bonapartistische Mißgeburten"
und "Tyrann von Syrakus"
und "Diebesbande".
Seite 108: Im Jahre 1831 wurden 8699 Evangelische, 135 Katholische, 16 Mennoniten und 255 Juden gezählt.
Seite 109 - ein Dragoner ist "von der Fahne nach Hause geflüchtet"
und bekam von Amts wegen alle seine Habe
eingezogen..
Seite 111 die Mitgliederliste des Gesangvereins - dort schieb man Name mit "h": Nahmen.
Seite 112 zeigt mundartliche Sprüche:
(von mir mundartlich verbessert, im Buch sind da ein paar Fehler)
Wersch waas, werds wisse, zwaa wisse mieh wej aaner !
Dej hot die Daler in de Schirz metgebroocht !
Wer uffem Geldsack stieht, is gruhs!
E hot die Ficht, e is voll wai en Kroppe, es is wei en Maadstecke!
Got, wenn ihr gih wollt, dort stiht euer Körbsche!
E is wei bies Geld, kimmt immer wirrer..
Klaane Dippercher hu die grieste Henkelcher!
Besser wej es lier Schees nachgelaafe..
Es schläft bis die Kouh en Batze gilt.
E mächt Sticker, die krawwele die Wand enuff!
E kann e schie Stick ärwet leie lorre!
E läßt naut leie wej gleunig Eise.
Es hahst em alles, nur kaa Gäulsgeschirr!
Sää is su dirr, sää kann e Gaas zwischisch die Hörner kisse.
Die Fraa ä die Saaf verlient me net.
Es seint scho Nachtwächter bei Daach gestorwe !
Seite 117 (hat heute noch Gültigkeit!)
Der Kommunalpolitiker!
Gern will ich sein ein Rather, verlangt nur keine That,
ich bin Familienvater und auch Gemeinderath,
Ja freilich, beides bin ich, das macht mir viele Pein,
ich bin gewiß freisinnig wie's einer nur kann sein.
Hätt' ich nicht viele Kinder, dann wär's mir einerlei,
vorsichtig wär ich minder, spräch auch noch mal so frei.
Allein Familienvater - der Punkt ist delikat
und noch viel delikater ist ein Gemeinderath!
Die Antwort kam wohl gleich:
Sei nicht allein ein Rather, sei auch ein braver Thater -
sei'st auch Familienvater und hast Du gleich den Kater.
Denn nicht allein zum Rathen hat man in Magistraten
die Herren eingeladen. Sie sollen dafür sorgen,
daß nicht an jedem Morgen erwachet voller Sorgen
der Bürger und muß borgen das Brot, das Fleisch, das Bier.
Willst Du die schweren Pflichten des Amtes treu verrichten,
mußt sonder Rücksichten allweg die Streite schlichten
auf Bürgersteu'r verzichten, auch Dunkelmänner lichten,
Wahrheit und Lüge sichten - das wären so die Pflichten!
Seite 112-121 behandelt das Prozedere der Auswanderung nach Texas nochmal genauer.
Dann kam die Mißernte, das Jahr 1848, die Revolution,
der schwarz-rot-goldne Burschenbanner,
der Bauernaufstand unter der Führung
eines Pfarrers Schaum, einige Tote und Verwundete, viel Geschrei,
das Einlenken des Fürsten, leere Versprechungen, nochmaliger Marsch in die Stadt
und Drohungen der Aufständischen.
Seite 131: Ein "Sensenstrecker Fritzchen" erhielt eine langjährige Freiheitsstrafe
wegen Landfriedensbruches,
weil er in seiner Schmiede für die Bauern die Sensen
umgeschmiedet hatte in Spieße, die als Waffen des Aufstandes
eingesetzt wurden.
Seite 136 erzählt vom Branntweinmonopol, das schon immer von Regierenden
als Einnahmequelle angesehen wurde
und.. von Schmugglern, die dieses umgehen konnten,
was auch schon immer so war - bis zum heutigen Tag!
Nun ja, der gute Onkel Fürst mußte schließlich sein 2500 Morgen
großen Tierpark besorgen, d.h. er hatte
seine Leute dafür.
Die dort eingesperrten Tiere futterten 700 Achtel (je 75kg) Hafer und 550 Ztr. Heu weg,
jedes Jahr..
.. von diesen Prestige-Objekten gab es etliche.
Das kostet !
Seite 137 berichtet vom Tee-Konflikt:
Der Fürst war auf der Jagd, da befahl er:
"laßt mir Tee bereiten" und
schickte den "Leibjäger" in die Wirtschaft um den Teebeutel
aufbrühen zu lassen.
Wieder zurück wunderte
er sich über die dicken Fettaugen auf dem Tee
und ließ die "biedere Frau" vorladen:
"ach es woar gar so wink Gemeus, do huh aach noch e Werschtche nei geschnidde"
Seite 143 berichtet vom Wäscher Jörg und seiner Familie,
die eine Bleicherei am Teich betrieben und seinen
riesigen Händen (12 3/4 Handschuhgröße),
die dort sehr glücklich gelebt haben soll.
und vom Eisfest,
das ein holl. Freund des Fürsten Albrecht, der alle unterhalten und erfreut hat.
Seite 157 von div. Kleinbahnen,
die zur Erzbeförderung, teils aber auch zur Personenbeförderung waren.
S157 erzählt vom Familienleben in der Altstadt,
es kommen gelegentlich doch noch Dinge vor,
die vom Leben der kleinen Leute berichten, die allesamt sehr abhängig
gehalten wurden.
Meist wurde von Geschichten erzählt, die in den Ohren der Oberen drollig doof waren,
wie die
obige Story mit dem Tee.
So gewinne ich den Eindruck, daß die ganze Bevölkerung in Vasallen und in Zugängern
und Dienstboten eingeteilt war, die dem Regierenden und seiner Familie
willig sein mußten, wie Nutztiere rechtlos und
der Willkür
und den Launen der Obrigkeit ausgesetzt.
"Humor ist der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt!"
(Ringelnatz)
Seite 169 nennt Lebensmittelpreise: 1 Pfd. Ochsenfleisch 6 Pfg.
1 Pfd. Kalbfleisch 6 Pfg. 1 Pfd Hammelfleisch 2 Pfg. 1 Pfd. Butter 3 Pfg.
5 Brote erster Sorte 7 Pfg. 1 Ztr Weizen 9 Pfg. 1 Ztr Hafer 3 Pfg. 1 Ztr Kartoffeln 25 Pfg.
Mensch und Vieh wurden am gleichen Tag gezählt.
775 männliche, 937 weibliche Bewohner in Braunfels,
1575 evangelische, 66 katholische und 71 jüdische.
2 Zuchtstuten, 15 Pferde für die Landwirtschaft, 24
weitere Pferde,
3 Esel, 1 Bulle, 187 Kühe, 72 Ochsen (vermutlich Zugtiere),
46 Schweine (ziemlich wenig) 360 Schafe, 147 Ziegen und 30
Bienenstöcke.
Auf Seite 170 ein trauriger Brief (1870) eines Soldaten an seinen Bruder,
den er nie wieder sah- er fiel.. ( so nennt man das, wenn einer im Krieg abgemetzelt wurde)
Von der Hochzeitslinde, die leider nicht mehr da ist,
handelt ein Gedicht auf Seite 170 "mein alter Baum"
https://www.deut sche-digitale-bibliothek.de/item/RXNDMEJEIJPOLRD4XFIZW4PWCC2DEJYP
Du mußt nun fallen, alter Baum, da hilft kein Zaudern mehr
versperrst den andern nur den Raum wirst selber kahl und leer.
Wie hast du einst so schön gerauscht im sanften Abendwind
ich aber habe oft gelauscht, ein träumerisches Kind.
Ich saß im weichen Gras und sann und blickte lang empor
in dein Geäst, der Tag verrann, die Mutter rief am Tor.
Und wenn ich nachts im Bette lag und sah den Sternen zu,
dann rauschest du vorm Schlafgemach und wiegtest mich in Ruh.
Nun mußt du fallen, alter Baum, wird mir das Herz auch schwer,
schon längst verfloß der Jugend Traum und du wirst kahl und leer.
Doch sollst du noch zu letzter Rast mir bleiben, treuer Freund!
Schon blitzt die Axt - ich glaube fast, ich hab um dich geweint.
(Ludwig Schellenberg 1828-1884 Belzgasse 10)
1877/78 raffte die Diphtherie viele Kinder weg.
Seite 174 erzählt, dass 1875 noch neue Brunnen gebaut wurden, an denen die Bewohner ihr Wasser zapften.
Seite 184 hat merkwürdig formulierte Rechnungen..
Seite 191 erzählt vom Carl Castell, Seite 197 von
W.C. Muschenheim, einem Auswanderer,
der vom Tellerwäscher in New York zum Millionär wurde (Astor)
Auf Seite 198-200 ist die Liste der Auswanderer von 1850.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden großzügige Parkanlagen in 104 Kleingärten umgewandelt,
um die schlimmste Not
der Flüchtlinge zu mildern.
Seite 208 erzählt von der Wintersburg-Anlage als von der Firma
Ha pimag angelegte Ferienanlage 1973,
die Firma gibt es wohl noch,
die Ferienanlage nicht mehr, die Häuser sind privat verkauft worden.
Seite 210 erzählt davon, daß ca 1910 die Fachwerkhäuser verputzt worden sind..
(Später fand ich in der Stadtchronik zu Frankfurt,
daß die Brandversicherung billiger war, wenn diese Häuser verputzt wurden.)
Seite 212 berichtet von der Besoldung der alten Postboten,
die 60 Thaler im Jahr bekamen, aber
jeden Tag 1,5 Pfund Brot
und eineinhalb Maß "schlechtes" Bier. (einfaches Bier)
Viel später, im Jahr 1909 hatte Braunfels richtig was zu bieten:
Duschen, Freizeitbad, Sport, Bibliothek,
öffentliches Grammophon..
Seite 238-239: Kallemänner und das Hintertal:
Sprüche und Ausdrücke.
Das Hintertal
Der älteste Teil unsres Städtchens ist wohl das Hintertal.
Da gab es lauschige Eckchen, meist waren sie eng und schmal.
Da gabs auch noch Keuh und Gaase, und manchen Bauernhof und Hinkel, Säu und Hase,
und selbstgebackenes Brot.
Wir Kinder kannten dies alles bei unserem Versteckenspiel,
da waren in jedem Falle die lauschigen Ecken das Ziel.
Wars Frieße oder Menni's Oale, ein Heuboden oder Stall,
wir sind hineingekrochen, uns war das ganz egal.
Ging der Wind um Adams Nußbaum, flugs standen wir Kinder bereit,
die Nüsse aufzulesen, bald war ja Weihnachtszeit.
In unseren Ferientagen, da holten wir in dem Wald das Futter für die "Gaase"
und Holz für den Winner, wenns kalt.
Im Sommer sagen wir gerne des abends auf "Kurze Trepp",
die älteren lauschten von ferne, bis müde sie gingen zu Bett.
Hat der Nachtwächter elf gepfiffen, war alle Freude aus,
wir durften dann nicht mehr singen und gingen still nach Haus.
Die "Buhne schipse und schneie" half mer abends de Nachbarsleut,
Mer halfe ach Kwetsche kerne und reuherten aach den Hoink.
So warn unsre Jugendtage erfüllt von Arbeit und Freud,
wer möchte nicht gerne noch mal sehen die Stätte der Jugendzeit?
Doch, verschwunden ist Adams Nußbaum, verschwunden auch "Kurze Trepp",
und das Häuschen, wo wir einst wohnten, ganz still und leer ist die Eck.
(Franziska Gontschar geb. Karbach)
http://www.lan genbach-info.de/Uznamen/Lahn-Dill-Kreis/lahn-dill-kreis.php
(Alte Scherznamen für div. Orte)
Kallemänner sind demnach Braunfelser.
Der Tipp den Kaffee zuerst kurz mit kaltem Wasser abzuschrecken,
erst dann aufzubrühen war goldrichtig.
Der Jörg wußte wohl was er tat in seinem Bleicher-Häuschen am Teich.
(Ich habe das gleich am nächsten Tag
ausprobiert..)
Seite 241, die Rees:
"Aich hun jo e bees Maul, awwer wenn aich
dess nit hätt wär aich nit mieh häi !"
Seite 272 Die Bevölkerung konnte für ihr Geld nichts mehr kaufen,
die Not und dann die Erregung wurde groß,
so kam es zu Plünderungen
in Wetzlar und in Braunfels.
Am 25. Oktober 1923 sollen hunderte Menschen aus den
umliegenden Orten
in die Städte gezogen sein und Geschäfte, vornehmlich Textilien - geraubt haben.
Die politischen
Auseinandersetzungen wurden immer heftiger.
Seite 273 erzählt drastisch davon, wie arg die Teuerung die Menschen des Landes betraf.
Die Folgeseiten ab 275 zeigt, wie sehr ich mit meinen geschichtlichen Einschätzungen richtig lag.
Aber es wird auf Seite 300 lustiger, die Rede ist vom Solmser Hof
und seinem Inhaber-Paar, dem Hähnchen und
dem Hühnchen..
Seite 301 zählt Auswanderer und Rückkehrer von 1921-1930 auf.
Seite 303-304 erklärt eindrucksvoll offen, wie es zur Naziherrschaft kam -
nicht von heute auf morgen, sondern
durch das Vollversagen der sozialistischen Parteien,
vornehmlich der S PD und den anderen "Gegenspielern",
die nichts auf die Reihe
brachten und die Arbeitslosigkeit und den Hunger
immer weiter vergrößerten.
Es ging bei der S pd und der N sdap um das Soziale,
die einen meinten das international, die anderen national.
Damals war jede Nation national eingestellt, wie heute immer noch bei den meisten Ländern zu sehen ist.
Dabei kam eine Bewegung auf, die sich
um die kleinen Leute kümmerte und.. das Soziale und..
Arbeitsplätze schuf.
Die Sp d war noch immer für die Luftnummer der sozialen Teilhabe, die aber auf nichts gründete.
Sie konnte die Unternehmer nicht mit ins Boot holen.
(Wie das heute auch noch ist)
Was später kommen sollte, war damals nicht mal zu erahnen.
(Das weiß heute auch keiner, der in gutem
Glauben sein Kreuz in der Wahlkabine macht,
egal was angekreuzt wird - es ist immer eine Wundertüte!)
Seite 722 - die Synagoge wurde um 1950 abgerissen,
mit dem Einverständnis der jüd. Organisation, die eine
Geldleistung erhielt.
Seite 323 berichtet von einem desertierten US Soldaten,
der in Wetzlar erschossen wurde.
Seite 327 nennt das "Löhrer'sche Speiseöl", ein techn. Öl,
das für kräftig Durchmarsch sorgte und in der
Bevölkerung "Torpedo-Öl" genannt wurde.
Tja, die arme Zeit !
Die ersten Wahlen 1948 haben die freien Demokraten und die F dp nach vorne gebracht,
die Verursacher des 3. Reiches in
der Weimarer Republik abgestraft:
S PD und Centrumspartei oder C du.
Diese Sache wurde wohl 1952 bereits wieder
vergessen und die beiden,
SP D und C DU gewannen die Oberhand. Hap imag hat 1973-1978 zweihundert Wohneinheiten
auf der Wintersburg fertig gestellt.
Da die Chronik schon älter ist, konnte ich die weitere Entwicklung der
Wintersburg noch nicht erfahren.
Vielleicht findet sich später noch etwas dazu.
Seite 397 erzählt, daß der Weiher schon 1648 angelegt worden ist.
Seite 407 zeigt die Einwohnerentwicklung anhand
einer Zahlenreihe auf.
Seite 417 die Synodalordnung 1585, wo sich Juden verpflichten mußten,
die Sitten und Gebräuche
der Christen anzuerkennen.
Seite 419 hat den Bericht einer Kutschfahrt mit 4 Toten und einen ganz erschütternden
Beitrag zur Bestattung der Toten daraus.
In Kurzform:
Der Arzt bescheinigt den Tod eines jungen Opfers, dieses oder dieser
wird begraben,
die Totenwache hört ein Klopfen, der Bestatter will nicht tätig werden
und ißt erst einmal zuende, dann
wieder ein Klopfen -
am nächsten Tag wolle er die Erlaubnis einholen das Grab öffnen zu dürfen
- am nächsten
Tag aber klopfte nichts mehr..
Seite 422-423 Dichtkunst der Rationalisten, Pietisten wollen junge Frauen anziehen
und ältere Männer mit Geld,
gefallene Mädchen, treulose "Weiber",
immer feste mit einem heiligen Touch - etc.
Seite 445 hat interessante Grabinschriften zu bieten, Seite 460
die "Formula juramenti Judaorum" s.o. bis Seite
492 - Seite 466,
Juden hatten fortan ihre Bücher in deutscher Sprache abzufassen,
zuvor taten sie es in häbräischer Schriftsprache.
Seite 477 - die Synagogenrettung durch einen benachbarten Bauern,
der Angst um seinen Hof hatte - in den damaligen
Altstädten
ist alles dicht an dicht bebaut gewesen, z.T. auch heute noch.
Das veranlasste einen Stadtbewohner während einer Sitzung zu bemerken,
daß die vielen parkenden Autos nur
noch den Rat erlaubten:
Helm ab zum Gebet, wenn es dort brennt und die Feuerwehr hindurch muß..
Seite 494: Schon im Jahr 1580/82 wurde von einer Volksschule berichtet.
Seite 496 - eine Familienschule für beide Geschlechter.
Seite 498 berichtet über die extreme Härte der Lehrer bei geringen Verfehlungen.
Seite 501 zählt auf, daß im Kriegsjahr 1940 von der Schule 33kg Huflattich,
14kg Lindenblüten, 6kg Holunder,
86kg Bucheckern, 9 Tonnen Kastanien
und an Altmaterialien 52 Zentner eingesammelt worden sind.
Eingesammelt hat man auch Kartoffelkäfer, die damalige Plage auf den Feldern
durch die Schüler - quasi als
Unterricht -
und zum Flachs-Zupfen wurden die Kinder auch gebraucht.
*** Soviel zum Thema Braunfelser Chronik, sollte ich noch etwas mehr erfahren, wird dies nachgetragen..
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