Radio 2024 -11

Harry bereitete das Mittagessen und deckte ein, als Julia genervt nach Hause kam.
Wir mußten schon wieder alle möglichen Arbeiten tun,
hatten den Refa-Menschen hinter uns und die leeren Regale vor uns,
Druck von allen Seiten und -was das Schlimmste ist- kein einziges freundliches Wort.
Der neue Marktleiter ist ein eiserner Besen, eine resolute Frau von drüben-
mit greulichem Dialekt und riesigem Luxus-SUV, der wohl abgestottert werden muß..
sie regiert absolutistisch und betreibt Günstlingspolitik.
Und das in einem kleinen Supermarkt der bekannten Kette.
Ich fürchte mich nun vor jedem Tag, den ich dort hin gehen muß,
es geht in den Magen und es wird immer mehr Leistung für das gleiche Geld gefordert.
Nun sollen wir -nach der Arbeitszeit- die Kasse machen, was eigentlich in die Schichtzeit fallen würde.
Wer das nicht akzeptieren will, ist raus.
Einen Personalrat haben wir nicht, dafür sind die Läden zu klein.
Diese Konstruktion ist absichtlich aus diesem Grunde technisch zerfasert worden.
Das Personal hat keinen Fürsprecher mehr, es sei denn, man holt sich diesen aus dem Gewerkschaftsverband
selbst und das kommt einer heimlichen Kündigung gleich.
Die Leiterin findet für jeden sofort zigfachen Ersatz, weil Halbtagskräfte leicht zu finden sind.
Die Vollzeitbeschäftigten verdienen zu viel Geld, so wird immer wieder betont.

Am Folgetag kam der Brief vom Sender - per Einschreiben - und wurde sogleich gelesen;
wir möchten Ihnen den Abschied so leicht wie möglich machen und bieten an,
die Sozialversicherungsbeiträge für ein halbes Jahr zu zahlen,
sowie eine Abfindung in Höhe eines Jahresgehaltes.
Alternativ steht Ihnen als langjähriger Mitarbeiter eine Umschulung zu,
mit anschließender Verwendung in einer von uns zu benennenden Position.

Er besprach das mit Julia und man kam übereins, daß die Abfindung die bessere Lösung sei,
denn diese "zu benennende Position" wird mit Sicherheit sehr viel geringer dotiert sein.

Ein guter Moderator ist bekannt, auch über die Grenzen des Senders hinaus.
Und so bewarb sich Harry bei allen Anstalten um den Wohnsitz herum und bekam nur Absagen...
er grübelte schon darüber nach, das roch nach Absprache und Mobbing.
Das war freilich nie zu beweisen und so sann er über eine andere Arbeit nach.
Das Arbeitsamt hat er nicht bemühen wollen, denn davon hat Julia schon einige Dinge erzählt.

Er wollte einen anderen Weg gehen:
Die Selbständigkeit mit einer eigenen Webplattform,
einer einfachen Homepage mit Musik-Streaming und Moderation, in der Art des Rundfunks.
Die rechtlichen Widrigkeiten und Gema und Pay-Streaming
mit einem anfänglich geringen Bekanntheitsgrad und vor allen Dingen einem Publikum,
das zu den G ezGebühren nicht noch zusätzlich Geld ausgeben wollte..
die Plattform kostet schließlich Geld und sein Gehalt
wäre da auch noch zu zahlen - und zwar brutto..

Zum 12. Teil Radio2024