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Ein wanderhaftes Leben.
Miguel kam mit seinen Großeltern aus Portugiesisch Guinea, welche dort als Farmer tätig waren
nach der alten Heimat Madeira.
Seine Eltern sind bei Unruhen in Afrika verschwunden
und nun galten die Großeltern und er als "Assimilado" weniger
als echte Portugiesen auf Madeira,
obwohl die Familie dort geboren und erst später in die Kolonie ausgewandert ist.
Nun aber lebten die Drei eine Weile in Funchal und halfen Fischern und im Hafenbereich
ihre Fische zu verteilen.
Sie konnten aber nicht so recht Fuß fassen und lebten abgeschieden am Ortsrand.
Immerhin waren wenigstens diese Drei wieder daheim, in dem Land ihrer Ahnen.
Ihr Enkel Miguel jedoch wollte die Welt sehen,
er war gerade volljährig und so zog er los,
nachdem er das Geld für die Überfahrt nach Malaga / Spanien verdient hatte
und ein Konto bei einer internationalen Bank gegründet und die Geldkarte abgewartet hatte.
Er verband Hilfsarbeiten auf den Feldern mit dem Erlernen der spanischen Sprache.
Ein wenig Spanisch hatte er in Portugiesisch Guinea in der Schule schon genießen können,
so fiel im das nicht schwer.
Er war jung und eifrig und sich für keine Arbeit zu schade.
Mit dem Bündel am Wanderstab zog er bald die Küste entlang,
was ihm jedoch viel zu touristisch war.
Wer arm ist, kommt sich dabei noch viel ärmer vor.
In El-Elido fand er "Campo de Dallas", eine riesige Treibhaus - Anbau - Gegend,
wo Arbeiter immer
gesucht sind, besonders junge, ohne Anhang und mit Kraft.
Er wohnte in Arbeiterbaracken, arbeitete praktisch immer, bis auf ein wenig Schlaf zwischendrin.
Die Gegend um Almeria hat chronische Wasserknappheit,
das Abwasser wird wieder und wieder verwertet,
viel Chemie auf den Feldern und in den Gewächshäusern
lassen die Haut aufblühen und viele der Erntehelfer sind
dadurch krank geworden.
Die Reinerlöse der Bauern sind trotzdem nicht hoch,
weil die Supermarktketten die Preise diktieren und bis nach
Polen und Russland
die hier hergestellten Gemüse und Früchte vertreiben.
Chemie kostet viel Geld, die Planen und Gewächshäuser, die Erntehelfer und die Steuer.
So erklärt sich ein enormer Druck auf die Arbeiter in diesen Anlagen,
die meistens aus Afrika kommen und
als "Illegale" bezeichnet werden.
Wer illegal ist, hat Angst und muckt nicht auf!
Miguel hat den Portugiesischen Pass
und wird deshalb in Spanien eher wie ein Einheimischer behandelt,
dem die Sprache nur ein wenig pagan aus dem Mund kam.
Nun sieht er seine Gesundheit in Gefahr, nimmt das Gesparte und wandert weiter.
Europa hat den Vorteil, daß man keine Gelder umtauschen muß,
wenn die Reise in ein anderes Land
der Union führt
und so beschließt er seine Wanderschaft fortzusetzen.
Ist ißt genügsam, braucht keinerlei Luxus und trainiert gratis,
indem die nächste Kurzzeitarbeit ihm über die Runden hilft.
Schon in Afrika hat er allerlei gelernt, er tat dies und das,
packte sofort an, wo Not am Mann zu sehen war.
Hier in Spanien ist viel Arbeit und wenig Geld,
das reicht aber allemal, denkt er sich und hilft bei der Weinernte,
beim Straßenbau, in der Markthalle und .. wandert weiter, sein Geld sorgsam verstaut.
Die Wanderschaft führt in einsame Dörfer,
manchen der alten Leute fällt die Arbeit schwer,
die Kinder sind in die
Stadt gezogen und so scheint manches Nest ziemlich still und ausgestorben zu sein-
dringend nötige Arbeiten blieben schlicht liegen:
In vielen Häusern lebt nur
noch eine alte Frau oder ein alter Mann,
die Ehepartner sind vor Jahren verstorben und so sitzen sie auf
der Bank vor dem Haus.
Wehe, wenn Dachziegel durch den Wind weggeblasen wurden und die Handwerker zu teuer..
Miguel baut neue Fensterscheiben ein, flickt Dächer,
repariert Zäune, setzt eine Zisternenpumpe wieder in Gang,
hilft im Garten, putzt in den Häusern, unterhielt sich mit den Alten.
Bald war er sehr beliebt und die
typische Wortkargheit dieses Menschenschlages war verschwunden -
Miguel war irgendwie zum Enkel vom ganzen
Dorf geworden.
Bald bekam er in einer Remise ein Zimmer zur Verfügung gestellt,
wo er seine Bettstatt aufschlug.
Alter Kram liegt immer irgendwo auf einem Speicher,
daran mangelt es nicht in den Dörfern.
Er war eben in einem
typischen Dorf bei Albox gelandet.
Und hier fühlt er sich eher zuhause, als sonst irgendwo.
Essen braucht er
niemals zu bereiten, denn die Alten geben ihm etwas ab -
mal hier mal dort.
Er saß gerne bei einem Glas Wein
und hörte den Alten zu,
wie sie von früher erzählten, von ihrem damaligen Wirken
und wo sie schon überall gewesen sind.
Hier hat er sein Tagebuch begonnen, das er während der ganzen Reise mit sich trug.
Tage und Wochen vergehen schnell, wenn man etwas zu tun hat!
Und gefragt ist jeder, der zupacken kann und die Nase nicht zu hoch trägt.
Bald juckt es ihm in den Beinen und so verabschiedet er sich,
um seine Wanderung fortzusetzen.
Miguel ging nie in Städte oder größere Orte,
sondern zog weiter durch die einsame Landschaft, am liebsten dort,
wo keiner sonst zu sehen ist.
Nach zwei weiteren Wochen als Hilfsarbeiter im Straßenbau gab er das gesparte
Geld auf die Bank,
das erste eigene Konto macht stolz!
Die Geldkarte war schon unheimlich und
verführerisch für die meisten Leute,
nicht jedoch für ihn.
Ein wenig Geld hat er im Säckel behalten,
damit
unterwegs etwas Nahrung und Getränke gekauft werden konnten.
Es folgten Einzahlungen um Einzahlungen,
mal arbeitet er an einer Tankanlage,
mal bei einem Bäcker, es gab nicht viel Lohn, aber immerhin:
Für jemanden,
der keine persönlichen Ausgaben kennt,
ist das schon viel Geld, das auf dem Konto landete.
Seine Wanderung führt durch das ganze Land und immer war er obenauf,
beliebt und gebraucht.
Gebrauchte Kleidung
der Alten aus dem Dorf ließ ihn älter ausschauen,
als er zu dieser Zeit war.
Die Wanderung ging weiter durch
Südfrankreich, wieder als eine Art "Sprachreise",
das kam ihm spannend vor.
Wieder war die Hilfe bei der Weinernte
und bei Biobauern,
wieder ein wenig Hilfsarbeit beim Hausbau,
bis zur Toilettenreinigung in einem Hotel war alles
dabei,
mit dem man etwas Geld verdienen konnte.
Sein Konto wuchs, denn Miete und Verpflichtungen waren ihm
unbekannt,
genau wie eine Stromrechnung oder Krankenkassenbeiträge.
Alles wurde "schwarz" abgerechnet, wie zu
alten Zeiten.
Keine Renteneinzahlungen und keine Umlagen,
kein Wassergeld und Heizung, Stromrechnung etc. so wanderte er durch die
Schweiz
und verdiente sehr gut, zog weiter durch Deutschland -
immer wieder mit viel Arbeit und Lernen.
Wenn die Polizei ihn kontrollierte, gab er sich als Tourist aus,
was irgendwie ja auch stimmte.
Er lag niemandem
auf der Tasche und tat seine Arbeit,
wo immer er welche finden konnte.
Mal nannten die Arbeitgeber ihn
Praktikant, mal Austauschschüler,
mal entfernter Verwandter- immer schön an der Steuer vorbei.
Irgendwann kam er in einem kleinen Dorf in Friesland an,
wo ihn sein Wortschatz arg im Stich ließ,
durch diese Wortkargheit hatte er bald ähnlich viele Gönner
wie in Spanien in dem einsamen Kaff
des Gebirges bei Albox.
Wieder hat er tüchtig zugelangt und Geld zur Seite legen können -
den Bewohnern des
Dorfes in Friesland ging es nicht viel anders,
wie denen in Spanien.
Die Jungen sind in die Stadt gezogen und
die Alten blieben zurück,
dann starb der Ehepartner und viele waren alleine in ihren Häusern und..
dem traurigen Rest an Rente des Partners.
Die Tage und Wochen vergingen, keine Behörde interessierte sich für ihn,
der bei Nachfragen ggf.
von seinen Alten als "Pflegehelfer",
mal als "Schüler" oder "Besucher" ausgegeben wurde,
hätte jemand
nachgefragt - aber es fragte niemand nach,
weil sich die Alten dort irgendwie abgeschoben vorkamen.
Er machte mit dem geliehenen Fahrrad Besorgungen für die Leute,
die nicht mehr selbst fahren konnten,
er half bei den täglichen Arbeiten,
die für die immer älter werdene Bevölkerung fast nicht mehr zu packen waren.
Wenn jemand über 80 Jahre alt ist,
kann die Zeit im Badezimmer geschwind mal zwei Stunden dauern..
immer in der Hoffnung, daß man nicht ausrutscht oder auf der Treppe fällt.
Manche Helfer von den Behörden erzählten vom Internet,
über das die Alten ihre Bestellungen machen könnten,
die inzwischen alle auf DSL umgestellt waren,
ohne daß die meisten überhaupt wußten, was das sein könnte..
Einer aus dem Dorf hat von den Kindern ein modernes Smartphone geschenkt bekommen,
das aber immer irgendwie
einen leeren Akku hatte -
man vergaß andauernd dieses Ding zu laden
und wenn es mal ging, dann war die nächsten
Probleme bereits "programmiert":
Was ist das denn?
Was will das Ding von mir?
Wie schalte ich es wieder aus?
Welchen Knopf muß ich drücken, wenn jemand läutet?
Wenn man das nicht oft machen muß,
vergißt ein alter Mensch
eben die Funktion eines solchen ungeliebten technischen Dings,
mit dem seltsamen Namen.
Verkehrt herum gehalten?
Fremd und geheimnisvoll?
Weniger, denn den Alten geht dieser "Tüllkram" am Hintern vorbei,
wie sich ein Opa ausdrückte.
Das Wort Opa
war nicht aus der Luft gegriffen,
denn der alte Mann war zigfacher Opa,
aber seit vielen Jahren ohne Besuch
gewesen,
weil niemand diesen alten Knurrkopf mochte - so bezeichnet ihn seine Nachbarin.
Bei diesem Knurrkopf wohnte Miguel eben,
in einem der vielen leeren Zimmer des alten Hauses,
wo so viel
zu machen war.
Der Knurrkopf war ehemaliger Metzger, der seinen Laden schon vor Jahren gut verkauft hat.
Das Haus war recht groß und wohl aus der Backstein-Zeit,
so dachte sich Miguel, ein wahrhaft steiniger alter
Kasten,
der schon lange keinen Besuch mehr gesehen hat.
Die Räume standen noch voll mobiliert,
als wären die Kinder
und seine Frau gerade in Urlaub gefahren.
Ziemlich unheimlich das Ganze.
Er machte sich lieber aus dem Staub,
denn das war denn doch zu viel für ihn.
Bald fand er einen Job in einer Gärtnerei,
denn in dieser Sparte hat Miguel schon einige Erfahrung sammeln
können.
Die Inhaberin war gerade auf einer Messe
und so hat die Mutter der Frau den jungen Mann
kurzerhand eingestellt.
Die Arbeit wurde ihr ganz einfach zu viel -
im Laden stehen und sich um die
Pflanzen kümmern
ist nichts mehr für eine alte Frau, wie sie sagte.
Er tat alles richtig und schuftete bis
zum Abend,
fiel dann totmüde auf die Liege im Gewächshaus
und wurde erst durch die Sonne wieder geweckt.
Der Laden wurde geöffnet und die Kunden fanden alles in guter Auswahl und Ordnung vor.
Die Alte verkaufte gut und hat in der Mittagspause für das Essen gesorgt.
Die Inhaberin, also die Tochter
der Alten rief an
und mußte um eine Verlängerung nachfragen,
weil ihr Auto auf dem Parkplatz beschädigt worden
war.
Die Reparatur konnte erst am nächsten Tag gemacht werden
und danach würde die Heimfahrt schon etwas
zu weit in die Nacht gehen,
das tue ich mir nicht mehr an, so meinte sie,
dann bringe ich lieber von der Messe
noch ein paar schöne Stauden mit.
Die Gärtnerei war ein Traditionsbetrieb,
immer in der Hand der Familie
und da hält man zusammen.
Leider ist die Ehe der Inhaberin vor ein paar Jahren in die Brüche gegangen,
wie das heute eben so ist.
Heute kann keiner keinem genügen und wenn, dann nur für kurze Zeit.
Die Alte erzählte gerne, wenn gerade mal keine Kunden im Laden waren.
Auch dieser Tag ging mit sehr viel Arbeit dahin,
es dunkelte schon, als ein Auto hielt und eine Stimme
erklang:
Wieso ist im Treibhaus noch Licht?
Sie erschrak, als sich ein junger Mann müde von seinem Feldbett
erhob und sich vorstellte.
Das klären wir Morgen, schlafen sie erst einmal, gute Nacht !
Der nächste Tag war ein typischer Regentag,
ohne einen Lichtblick, wenige Kunden verirrten sich in den Laden.
So war Zeit für ein Gespräch.
Dorthe hörte sich Miguels Vortrag geduldig an und meinte:
Sie haben keine Aufenthaltserlaubnis, keine Krankenkasse,
sie sind nicht angemeldet und zahlen keine
Lohnsteuer.
Das geht in unserem Land absolut nicht,
ich mache mich als Arbeitgeberin strafbar,
das hätten sie
wissen müssen und auch du, Mutter.
Mutter sagte nichts, außer etwas Gestotter und verlegen kam dann heraus,
daß sie den Laden nicht mehr alleine packen kann.
Miguel meinte:
Ich bin doch als EU - Bürger nicht illegal
und ob ich eine Krankenversicherung habe oder nicht,
ist doch mein Problem..
Nein, sagte sie, das geht zumindest hier in Deutschland nicht
und Rente zahlen sie ja auch nicht ein,
was soll denn in ihrem Alter werden, wovon wollen sie denn leben?
Das habe ich noch gar nicht überlegt,
eigentlich will ich nur die Welt sehen,
wandern und nicht dem Geld nachrennen.
Für ein paar Tage wird das gehen, aber um Himmelswillen,
ziehen sie dann weiter oder melden sich an,
ich will dann sehen, ob ich sie hier beschäftigen kann.
Er sagte nichts, ging in das Gewächshaus
und topfte die angefangenen Geranien für den nächsten Tag um.
Sie war schon im Haus und ließ die Rolläden herab und ging zur Ruhe.
Als er früh erwachte, lag neben seiner Lagerstatt sein Lohn und etwas mehr dazu.
Nun war ihm klar, du gehst nun besser..
Als er die Gewächshaustüre schloß und den Weg aus dem Ort ansteuerte,
fühlte er sich beobachtet,
sah aber niemanden.
Im Haus war alles dunkel, nur einer der Rolläden war ein Stück hochgezogen.
Er ging ruhig mit seinem Stock und Bündel in den Ort und zahlte etwas Geld bei der Bank ein.
Der Diskounter auf dem Weg hatte frische Einfach-Brötchen und etwas Wurst,
zwei große Flaschen Wasser,
ein paar Tomaten.
So ging er in den kleinen Park und aß sein Frühstück.
Ein Streifenwagen hielt und
ein Polizist stieg aus und kontrollierte seinen Personalausweis.
Miguel hatte Geld dabei und eine
Scheckkarte -
das ließ ihn als "Rucksack-Tourist" durchgehen.
Sie stutzen nur, als sie den Geburtsort lasen:
"Portugiesisch Guinea" Kommen sie wirklich von dort?
Ja, aber ich bin von meinen Großeltern gestartet,
die auf Madeira leben,
dann fuhr mein Schiff nach Malaga und die Wanderung begann.
Wovon leben sie?
Ich habe etwas Geld auf der Bank und wenn das alle ist, muß ich zurück -
nur die halbe Wahrheit, das langt,
so dachte er sich.
Die Polizisten schauten auf ihrem Laptop nach,
ob die Fahndungslisten etwas sagen,
aber alles
schien in bester Ordnung zu sein und so fuhren sie weiter.
Er spürte:
Die haben mich nun auf dem Kieker und
werden immer wieder nachschauen.
Sogar den Kassenzettel des Diskounters wollten sie sehen!
Die Suche nach Illegalen
ging gerade durch das ganze Land,
weil man ein Belohnungssystem ausgedacht hat.
Jeder, der einen Illegalen nennen
konnte, sollte 100 Euro Belohnung erhalten,
der begründete Verdacht reichte oft schon aus.
Deshalb suchte Miguel
lieber Privatleute als "Arbeitgeber" aus,
die aber deutlich weniger oder nichts zahlen wollten, dafür aber ein Essen spendierten.
Reiche Leute waren knausriger als ärmere.
Einen Tag durften Handwerker eine Hilfskraft bestellen,
die
dabei nicht einmal anmeldet werden mußte,
die Krankenkasse, so sagten sie, kann man nachbezahlen.
Davon hatte Miguel freilich keine Ahnung.
Ein schwerer Tag bei einem Klempner, einen Tag in einer Rohrreinungsfirma,
der nächste Tag in einem Gemüsemarkt -
ein bunter Fächer seltsamer Beschäftigungen füllte langsam sein Konto auf.
Auf Schusters Rappen gelangte er nach Belgien,
arbeitete dort -ganz locker- in einer Bäckerei für eine Woche
und zog dann weiter, wo eine Apfelplantage zu wenig Erntehelfer hat finden können.
Dann jobbte er in einer
Autowasch-Straße,
als gerade ein Streifenwagen dort zur Wäsche aufkreuzte.
Er bat den Inhaber mal kurz einzuspringen,
er müsse dringend zur Toilette - danach war die Luft rein..
Diese Sache hätte auch anders ausgehen können.
In Belgien hat er noch ein paarmal als Hilfsarbeiter auf dem
Bau Beschäftigung gefunden,
dann den Rasen einer großen Villa gemäht und die Rabatten in Ordnung gebracht.
Das Konto wuchs und wuchs.
Die Leute stellten eben doch mal gerne einen ohne Anmeldung ein,
weil die
Dienstleistungsfirmen auf den Lohn der Arbeiter
nochmal obendrauf MWSt berechnen müssen,
was die Rechnungen immer satt
verteuerte -
viele Kunden sahen das nicht ein und sannen nach Auswegen,
selbst wenn Strafen drohten.
Na ja, das Wort "einstellen" ist eher ein vertrauliches: "mach mal"
Man kann nicht alles kontrollieren.
Er schlief bevorzugt im Wald, wusch sich in Raststätten oder am Bach,
hängte die Wäsche am Rucksack auf zum Trocknen.
Miguel hat weder Handy noch eine Uhr, aber die Sonne war auf seiner Seite,
wie er unterwegs mit frohem Schritt
dachte.
Er kam an einer Suppenküche vorbei und nahm daran teil,
ging einigermaßen satt weiter.
Dort war auch eine Kleiderkammer und so bekam er modernere Klamotten
zu einem lächerlichen Preis.
Auf diese Weise wird man nochmal mehr zu einem Einheimischen
und fällt nicht so leicht auf.
Per Anhalter ist
er nie gefahren, das war ihm zu gefährlich,
das war in Afrika immer ein ganz riskantes Unterfangen.
Die Vögel sangen, die Luft war lau,
er nahm den Weg als Erholung und freute sich seines Lebens.
Die holländische Grenze war nicht weit und bald kam auch wieder ein Streifenwagen..
Wieder das gleiche Prozedere, diesmal saß er eine Nacht in der Zelle,
bis alle Formalitäten geklärt waren-
der Aufgriff war am späten Nachmittag,
deshalb mußten die Beamten warten bis zum nächsten Morgen.
Und laufen lassen, wollten sie ihn nicht,
denn in jüngster Zeit gab es viele Autoaufbrüche in dieser Gegend
zu beklagen,
die oft Täterbeschreibungen hatten, die auf ihn -
schon wegen der dunkleren Hautfarbe - evtl.
zugetroffen hätten.
Er kam also wieder frei, auch wenn die Polizeibeamten den Kopf schüttelten:
Ein junger Mann
auf einer solchen Wanderschaft, das ist schon seltsam.
So ging er etwas eiligeren Schrittes weiter und kam
in Holland an Grachten vorbei,
half ein wenig bei der Weidewirtschaft und wanderte bis zum Hafen nach Amsterdam.
Dort wollte er nicht bleiben und sah zu, daß die Stadt schnell hinter ihm lag.
Einem Campingplatz - Wart hat
er geholfen,
weil einer seiner Mitarbeiter krank geworden war,
das hat nochmal eine Woche Arbeit und Geld gebracht,
dann zog er weiter nach Deutschland in das ruhigere Wilhelmshaven.
In einem der Nordseehotels fand er Arbeit
als Reinemachekraft,
mit recht gutem Gehalt - aber was ist mit der Arbeitserlaubnis?
Der Personalchef sagte:
"Sie können in Deutschland uneingeschränkt leben und arbeiten,
d.h. sie brauchen keine besonderen Genehmigungen und Unterlagen.
Vielmehr genießen sie die sogenannte uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit.."
Also hat er den Job
angenommen und wurde korrekt angemeldet.
Er wohnte in einem der leeren Personalzimmer und bekam deshalb
etwas vom Lohn abgezogen.
Das Essen war dafür umsonst.
Miguel machte seine Arbeit und und hat sich noch
etwas "nebenher" verdienen können,
als gerade bei Personalknappheit ein Reisebus voller Touristen eingedrudelt war.
Bald servierte er auf der Terrasse, trug Koffer auf die Zimmer
und half von Not am Mann war.
Seine Sprachkenntnisse in Spanisch und Portugiesisch und Französisch
waren dabei sehr hilfreich, denn die anderen
Beschäftigten
waren nur im Englischen einigermaßen fit.
Hier wurde er gebraucht.
Tage und Wochen vergingen, dann war die Saison zuende
und das Personal wurde radikal reduziert -
er kam als einer der Letzten und ging folglich auch als Erster.
Die Wanderung ging weiter.
Die Städte hat er ausgelassen und ging mit seinem neuen Wissen
um die Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft
deutlich selbstbewußter in die Bewerbungen.
Schriftlich hat er sich nie beworben, nur mündlich und persönlich.
Man kann durchaus Arbeit finden, wenn man nur will.
Er hütete sich davor bei arabisch aussehenden Inhabern
anzuheuern,
denn sonst hätte er um das Gehalt an jedem Zahltag feilschen müssen.
Ärger mit der Polizei wollte
er unbedingt vermeiden.
Miguel schrubbte Böden, Flußschiff-Decks,
Autobusse, robbte beim Entrümpeln alter Häuser
auf den Dachböden herum,
hustete und machte weiter.
Supermarkt-Parkplätze mußten von Schnee und Eis befreit werden
und langsam wurde es kalt, eiskalt in Deutschland,
als er beim Blumenladen vor der Tür einschlief und fast erfroren wäre,
als in noch rechtzeitig die Alte fand,
die gerade auf dem Weg zu ihrer Tochter war.
So wurde er ins warme Gewächshaus gebracht, auf "seine Liege",
wo er am nächsten Morgen verwundert erwachte.
Neben ihm stand heißer Kaffee und frische Brötchen, Butter und Marmelade.
Dorthe stand neben seinem Bett, wie ein Geist.
Ihre Mutter meinte leise zu ihr:
Da hast du deinen Prinzen wieder,
alles wird gut!
Sie wechselte die Farbe, ihre Mutter das Thema,
Miguel kam langsam wieder in die Gänge,
er hustete nur noch etwas,
bekam eine Medizin und .. wurde eingestellt.
Miguel forschte am nächsten Tag über die Botschaft nach seinen Großeltern,
aber von denen war kein Aufenthaltsort
bekannt, wie man verlautbarte.
"Vermutlich sind sie nach Portugiesisch Guinea zurück"
Dorthin wollte er nicht nachfolgen,
vielmehr lag diese Zeit für ihn nicht als die Beste auf der Erinnerung.
Dort wurde er als "Weißer" gehänselt,
in Portugal beinahe als Assimilado, obwohl er nicht schwarz ist.
Dorthe ließ ihm Zeit, sich in die Gegebenheiten
seines neuen Lebens einzufinden und sie tat gut daran.
Miguel ging Frauen aus dem Weg, eigentlich waren sie ihm eher unheimlich und fremd geblieben.
Dorthe hatte einen hohem, kräftigem Wuchs und war sehr hellhäutig,
mit mittelblonden kurzen drahtigen Locken, er schwarzhaarig und von kleinerer Statur,
nicht sonderlich kräftig, aber drahtig.
Die großen Frauen hatten es schon immer schwer bei der Partnersuche,
so
hatte sie diese Sache bald aufgegeben,
als ihr Mann auf und davon ist, weil er bald merkte:
Die Dorthe hat das Anwesen noch nicht auf ihren Namen laufen,
es gehörte der Alten und die mochte ihn nicht..
auch der Kurzzeit-Ehegatte war deutlich kleiner, aber korpulent.
Die anderen ledigen Männer der Umgebung wollten von ihr nichts wissen,
sie war ein wenig markant, aber nicht derb -
trotzdem fiel ihr die Partnersuche sehr schwer.
Zudem hat heute niemand mehr nötig zu heiraten,
keiner ist von
dem Geld des Partner abhängig oder von dessen Rente oder Einkommen -
so gibt es immer mehr "Singles", die ihre
Freiheit genießen wollten,
ohne sich mit anderen abstimmen zu müssen,
wann und wo der Urlaub gehalten werden soll.
Kinder stören bei einer solchen Konstellation sowieso nur..
So manche traurige Nacht lag nun hinter ihr,
als sich dieser seltsame Paradiesvogel in ihr Nest verirrte
und auch
dieser wollte wohl nichts von ihr.. nur Arbeit.
So ging das ein paar Wochen, die Alte zog sich zurück
und
widmete sich ihren Hobbies und ging zum Kegelabend mit ihren Freundinnen
oder tat das, was Rentnerinnen eben so tun.
Stumm oder nur mit dem nötigen Wortwechsel arbeiteten Dorthe und Miguel zusammen -
er lieber in den
Treib- und Gewächshäusern, sie lieber im Laden.
Abends zog sie sich ins Haus zurück und er auf seine Liege im
Gewächshaus, -
das Gästezimmer unter dem Dach hat er abgelehnt.
Aus welchen Gründen auch immer, blieb ihr verborgen..
Miguel hatte genug mit den Gewächshäusern zu tun und fiel am Abend totmüde in die Liege,
während sie sich
in den Schlaf wälzte, was manchmal Stunden dauerte.
Die biologische Uhr tickte wohl bei ihr deutlicher als
bei ihm.
Das Haus war ihr zu leer, ganz entschieden zu leer
und jeden Abend alleine vor dem Fernseher kam
ihr seltsam vor -
sollte das mein Leben gewesen sein?
Was sie nicht ahnte war, daß er wieder von der
Wanderschaft träumte.
Im Traum zog er über die Pyrenäen, dort wo er sich wohler gefühlt hat, als in Friesland.
Sie träumte von dem kleinen Mitarbeiter, der auch keine Schönheit war, so wie sie.
Er wußte wohl, daß Fremde
immer fremd bleiben würden, nicht nur hier,
sondern überall in der Welt.
Selbst wenn er sich noch so viel Mühe
geben könnte,
er wollte das wohl auch nicht so recht, sich anfreunden oder binden.
Der Menschenschlag war doch sehr derb, zu derb für ihn als
Südländer,
wie man hier zu sagen pflegt.
Richtig anerkannt hat man ihn nirgendwo auf seiner Wanderung,
was aber
auch daran lag, daß Miguel keinen Beruf erlernt
und die Schule nur bis zur 9. Klasse besucht hat.
Er überlegte
sich schon,
ob er nicht evtl. doch zurück nach Portugiesisch Guinea migrieren sollte.
Es war aber dort so,
kam es ihm wieder in den Sinn, daß er auch dort nicht anerkannt worden ist,
sowie er sich außerhalb der portugiesischen
Siedlung bewegte -
die Schwarzen waren eben doch ganz andere Menschen.
Ein Fremder unter Fremden, immer und überall.
Hier ein Gringo, dort ein Migrant,
die Ausdrücke sind anders, aber nicht die mißtrauigen Blicke,
die waren
irgendwie gleich.
Mißtrau(r)ig dachte er, vielleicht hätte man dieses Wort mit "r" schreiben sollen.
Er wußte wohl, daß er auch in seinen geliebten Pyrenäen nur ein "Stranger" gewesen war,
als er dort auf Menschen traf.
Er sinnierte nach und freute sich ein wenig,
weil seine Bank eine große und europweit agierende ist.
Er konnte sich also freizügig überall in diesem großen Wirtschaftsraum ungehemmt bewegen,
aber das war in den
Köpfen der Menschen - in jedem Land -
überhaupt nicht angekommen.
Nationalstaatliches Denken ist noch immer
die vorherrschende Meinung
und daran wird sich wohl auch nie etwas ändern,
auch wenn man das heute von oben herab "vorschreibt",
er würde immer "einer mit Wurzeln" bleiben
und niemals ein Einheimischer oder zumindest als gleichwertig angesehen werden.
Viele Zuwanderer sind wieder
in ihre Heimat gezogen,
als sie es hier im fernen Deutschland oder Frankreich zu etwas gebracht hatten und..
waren in ihren Heimatländern danach ebenfalls .. Fremde,
die man nicht mochte.
Ob das Türken oder Italiener oder
Griechen waren,
in ihrer Heimat waren sie dann "die Deutschen" und in Deutschland Ausländer, ihr Leben lang.
Viele wollten die alten Gewohnheiten beibehalten, ihre Religion, ihre Sprache -zumindest untereinander- ihre Sitten und Gebräuche.
Seine sprachliche Begabung half ihm über manches Problem hinweg,
aber mit dem Schreiben hatte Miguel es nicht so,
genau wie mit dem Rechnen -
die Schule war ihm immer schon ein Greuel gewesen,
er lernte den trockenen Stoff nur
mühsam,
weil in seinem Kopf eben nur Platz für diesen ausgepägten Freiheitsgedanken ist.
Eines Tages machte
er eine Besorgung in der Stadt,
unter anderem wollte sich Miguel eine neue Karte besorgen,
auf welcher die
Fernwanderwege besser zu sehen sein sollten.
Er ging selbstverständlich die 8 Kilometer hin und die 8 Kilometer
zurück zu Fuß,
Autos mochte er nicht.
In dem Kiosk, wo es Zeitungen und Süßigkeiten und Tabakwaren
und eben
auch anderen Touristenkram gab,
hörte er den Inhaber zu seiner Frau flüstern:
Da kommt Miguel - ohne sein Pferd.
Wer das "Pferd" wäre, das war ihm sofort klar und er ärgerte sich beim Schämen,
aber
ohne sich das nach außen hin
anmerken zu lassen.
Er dachte nur: Hoffentlich bin ich schon um die Hausecke, bevor ich rot werde.
So zahlte er, grüßte dünn und ging.
Auf dem Weg durch den Randbezirk der kleinen Stadt
traf er auf eine Gruppe junger Männer,
die nur wenig jünger waren als er:
Was guggst du Mann?
Einige spuckten
vor ihm aus, er aber ging flott weiter,
als die Gruppe verdächtig hinter ihm her ging,
bis in die ruhige Gasse,
in welcher kaum Verkehr war.
Dort wollten sie sich über ihn her machen,
Miguel ist noch geübt und trainiert und
nur so entkam er,
mit flottem Sprung über den nächsten Zaun,
durch den Garten, auf der anderen Grundstückseite
wieder auf den nächsten Weg
und weg war er.
Dieses Pack, diese seltsamen "etnischen Couchpotatos", so schimpfte
er
in der Gärtnerei noch länger weiter und war froh,
wieder seine Arbeit tun zu können.
Er arbeitete wie.. ein
Pferd und dann kam sie,
die man "Pferd" nannte.
So schoß es ihm durch den Sinn - ZWEI Pferde, nicht eines!
Die Gärtnerei lief gut, wie immer,
als schon ihre Eltern damit anfingen.
Der Friedhof war in der Nähe
und so kamen eben viele Leute hier vorbei.
Die Preise waren einigermaßen moderat,
so daß die Kunden nicht
extra für eine oder zwei neue Grabpflanzen
in den Baumarkt fahren wollten.
Die Pflänzchen hier sind auch
von besserer Qualität und mit fachlicher Beratung,
die aus dem Baumarkt gingen nicht immer an,
weil sie
bestimmte Erden brauchten oder speziellen Dünger
und die Beratung meistenteils fehlte - wer billig kauft,
kauft zweimal.
In der Stadt breiten sich die ethnischen Viertel weiter aus,
Straßengangs ziehen umher und
hier auf Land,
in dem kleinen Flecken mit seinen 2000 Einwohnern war die Welt noch in Ordnung,
so dachte er,
bis er eines Tages, als Dorthe krank im Bett lag,
hinter der Theke stand und bedienen wollte.
Ein ältere Frau kam in den Laden, schaute ihn an und ging wieder.
Das kam ein paarmal vor,
einige Leute
störten sich nicht an seinem fremden Aussehen,
viele jedoch schon, manche kauften trotzdem, aber einige machten
gleich die Ladentür wieder zu,
ohne sich auch nur umgesehen zu haben.
Eines Tages kam eine junge Frau in den Laden,
und schaute ihn intessiert an -
sie trug ein Kopftuch, war also auch eine Zugezogene.
Die Blicke trafen sich,
sie zahlte und ging.
Bald darauf stand die Gruppe junger Männer vor der Gärtnerei,
es waren die aus der Stadt.
Sofort begann deren Macho-Gehabe und Wichtigtuerei,
es waren wohl Angehörige der Großfamilie,
deren Schwester
sich in Miguel verguckte.
Der Kontakt zur jungen Frau war danach weg, sie kam nie wieder in den Laden.
Nach zwei Tagen ohne Dorthe wollte er doch mal nachschauen,
was sie so macht, wie es ihr geht und
ging nach oben in ihre Wohnung.
Er klopft an, zaghaft, dann fester - alles war still,
alles war dunkel die Luft war schwer und roch nach Krankheit.
Er zog die Rolläden hoch, öffnete die Fenster und sah sie,
total verschwitzt im Bett liegen, mit hochrotem Kopf.
Sie hatte hohes Fieber und zitterte heftig.
Miguel rief den Arzt und der verschrieb ihr Antibiotika.
Als er wieder ging, sagte er:
Das ist auf den letzten Drücker gewesen, sie kommt durch,
wenn sie heute noch
die verschriebenen Medikamente holen
und geben sie ihr viel heißen Kamillentee !
Er hängte ein Schild an die
Ladentür:
Wegen Krankheit einen Tag geschlossen und ging zur Apotheke.
Unterwegs traf er wieder auf die
Gruppe junger Männer die ihn nur belachten -
als er mit den Medikamenten zurück kam, gingen sie bedrohlich
näher,
ohne jedoch etwas zu tun.
Sie unterhielten sich in einer fremden Sprache, die Miguel nicht bekannt war.
(Später erfuhr er, daß es wohl Serbisch gewesen sein mußte,
die nächste Gang war türkisch, eine andere bulgarisch,
die italiensichen waren wohl schon vertrieben worden,
wie die spanischen und griechischen Gruppen,
die zuvor hier ihre
Macho-Spielchen trieben
-mit der Arbeit hatten es alle nicht so und deshalb waren sie Stammgast bei der "Argen"
und holten dort "ihre Knete" ab.
Ein ganzes Wohngebiet, wo nur dreistöckige Reihenhäuser waren, war russisch,
d.h. auch dort ging man besser nicht durch.
Seltsame Zeit, dachte er sich - aber schließlich war auch er ein
Fremder -
mit diesen Überlegungen kam er bei Dorthe an,
gab ihr die Kapsel Penizillin nach Anleitung der Schachtel und machte Kamillentee.
Er deckte sie gut zu, sie schwitzte - wie ein Pferd,
kam es ihm in den Kopf, als er die Gewächshäuser
bearbeitete -
mit dieser Arbeit darf man nie aufhören,
sonst geht der Laden schnell pleite.
Er wollte sich schon auf sein Feldbett werfen,
hundemüde wie er war, dann fiel ihm Dorthe ein.
Sie lag wie tot im Bett, ganz schweißgebadet und schlapp,
hustete und hatte Kopfschmerzen.
Nun nahm sich Miguel ein Herz, zog die Decke weg,
half ihr aus dem Nachthemd, das ganz hoch gerutscht war und setzte sie auf die Toilette,
wo alles aus ihr heraus lief,
dann in die
Dusche,
dort mußte er Dorthe kräftig abseifen und danach abtrocknen,
was nicht leicht war, bei dieser kräftigen Person,
in den Bademantel packen, der gerade
an einem Haken an der Tür hing
und sie in den Stuhl setzen.
Er zog das Bett ab, suchte im Kleiderschrank
nach neuer Bettwäsche,
zog diese umständlich auf, legte sie in das frische Bett
und deckte sie gut zu, wickelte feuchte Tücher um ihren heißen Körper, eine Kompresse auf die Stirn,
legte ihre Arme ganz unter die Bettdecke und nochmal eine Couchdecke über alles.
Nochmal ordentlich Kamillentee verabreichen,
die Thermoskanne und den Becher auf den Stuhl vor das Bett
stellen,
die Tabletten dabei, einen leeren Eimer vor das Bett, Nasentropfen und zwei Päckchen Taschentücher.
Er strich ihr über das Haar,
stellte das Radio ein
und ging wieder zu seiner Arbeit, die kein Aufschub duldete.
Am nächsten Morgen stand die Alte hinter der Theke,
sie kam gerade von oben, aus Dorthes Schlafzimmer
und lobte Miguel:
Ich habe ihr gerade das Frühstück gebracht,
für dich ist auch noch genug da- iß erst einmal,
du schaust ja ganz müde und hungrig aus!
Sie dutzte ihn, er erschrak und war erstaunt.
Ein gewisser Bann
schien gebrochen.
Er träumte in der Nacht davon, wie Dorthe,
die große Frau so schwach war und hilflos
in seinen Armen hing,
wie ihre massiven Reize ihn überwältigt hatten,
obwohl die Situation nun wirklich nicht
dazu angetan war,
an solche Sachen zu denken.
Er schämte sich ein wenig für seine Gedanken,
aber er war eben
ein Mann und alleine, genau wie sie.
So kam es, daß er mit ihr zusammen in der Wohnung war und auch im Bette gemeinsam war-
ohne intim zu werden mit Dorthe - eng gelegen und gegenseitig warm gehalten..
Aber das wußte ja keiner.
Die Alte grinste und zog sich zurück:
"Macht ihr mal euern Kram alleine, ich habe zu tun!"
Dorthe blühte bald
auf
und strahlte von innen heraus wie eine Gartenlampe in der Dämmerung.
Dieses Gefühl hatten beide noch nie
erlebt und so kam eine innige Bindung
und ein ganz neues Lebensgefühl in das Haus.
Es schien, als ob jeder
Raum sich neu erfand,
als ob beide Leute ihr Umfeld ganz neu entdecken und beleben konnten.
An ihrem freien Tag zogen sie los und haben div. Dinge eingekauft,
bis sich die Wohnung in ihr gemeinsames
Zuhause verwandelte,
ihr gemeinsames Gepräge annahm.
Er hängte neue Rollos an und Gardinen, legte
einen neuen Teppich aus,
baute dieses und jenes Regal laut fluchend auf,
ging in die Küche, öffnete den
Kühlschrank und holte eine Flasche Bier heraus,
teilte diese auf zwei Gläser auf und weiter ging die Arbeit.
Gemeinsam, ohne Diskrepanzen oder Zwist, ganz einfach so,
das hatten die Beiden zuvor noch nie erlebt.
Ohne tiefere Intimitäten.
Er setzte den Zaun neu auf, verkleidete diesen mit Spaltbambusmatten,
grub dahinter einen Teich aus,
richtig tief,
damit man darin auch schwimmen können würde,
sollte sich ein Anlaß dazu ergeben.
Es sollte ein Referenzobjekt werden,
damit sich die Kunden eine solche Anlage in Natura anschauen können,
die er bislang auch nur im Prospekt des Großhändlers gesehen hat,
das regelmäßig mit der Post kam.
Der Teich wurde bepflanzt, die Uferzonen angelegt -
mit Sand und Einstiegsleiter im Prospekt,
was er in Trittzonen ohne Leiter umwandelte.
Sie war auch der Meinung, daß diese Lösung eleganter wäre.
Es war ein früher Sonntagmorgen im Juli,
er schaute aus dem Schlafzimmerfenster weil das Bett leer war -
da stand sie,
wie eine Nymphe am Pool und schüttelte ihr lang gewordenes wirres Haar -
sie war wohl ganz ohne Bekleidung dorthin gegangen
und stand wie - ein weißes Pferd in der Prärie - in der Morgensonne -
legte sich ungeniert auf die Liege, damit die Sonne den Körper trockne-
und so kam sie auch wieder zurück ins Haus.
Sie trocknete sich
kurz nach, zog ein Hemd über legte sich wieder ins Bett.
Der Laden lief gut, die Kunden besahen sich den Teich
und ein paar Interessenten bestellten diese Arbeit,
wobei
persönliche Wünsche eingebracht werden konnten.
Die Arbeit auf den Kundengrundstücken konnte er
alleine nicht schaffen
und so kam eine Sub-Firma dazu,
die mit einem kleinen Bagger die Sache schnell
im Griff hatte.
Wie alles, ist auch die Idee bald vorbei und nur eine Modeerscheinung gewesen.
Ein guter Gewinn ist jedoch geblieben.
Alles lief wie am Schnürchen und ging gut von der Hand,
einige Wochen vergingen in scheinbarer Harmonie..
Jedesmal, wenn er in den Gewächshäusern zu tun hatte,
ist einer der langen Männer im Blumenladen gewesen
und sprach mit Dorthe.
Bald erstarb ein Kichern, wenn er in den Laden kam, um neue Ware zu platzieren,
so ließ man ihn arbeiten und die beiden "Geschäftspartner"
unterhielten sich in der Sitzecke für Kundschaft.
Bald sind die Beiden mit dem Firmenwagen des Subunternehmers zu Kunden gefahren,
wie sie das nannte und wurde erst am späten Abend wieder vor dem Haus abgesetzt.
Miguel wurde eifersüchtig und stellte den "Geschäftspartnern" nach
und traf sie im Eissalon, Händchen haltend.
Er ging schnell weiter und in die Gärtnerei zurück,
als "Alibi" hat er Brot mitgebracht und auf den
Küchentisch gelegt.
Er schnürte sein Bündel und zog in die Fremde davon.
In dem sommerlichen Dunste
lag hinter ihm der Ort,
die kleine Stadt und bald das platte Land,
er kam an den Rhein und ging an dem
Strome enlang,
ohne Hast und mit der Kraft der inneren Betrachtung,
mit seinen neuen Lebenserfahrungen,
mit all den Gedanken an diese große Frau,
die man Pferd nannte.
In seinem Kopf waren die genauen Ausmaße ihres
Körpers, ihr Haar,
ihr Lachen und .. nein, das war vorbei
und die Zukunft lag vor ihm.
Geld war nun
kein Problem mehr, dennoch nahm er mal diese,
mal jene Arbeit an und war sich für keine zu schade.
Er traf auf eine Susan, die mit auf Wanderschaft war,
eine ziemlich abgewrackte Drogenabhängige auf
Genesung, wie sie sich ausdrückte.
Sie war von ihren Freunden sitzen gelassen worden, weil sie schwanger war,
das Kind aber tragischerweise verlor, unter einem Brückenbogen, wie sie sagte.
Sie gingen den Weg gemeinsam und kamen bald gut miteinander aus,
sprachen über
jedes noch so kleine Detail,
wie sie gehänselt wurde, weil ihr Vater Sizilianer und ihre Mutter aus Polen kam,
um in Deutschland "Pflegearbeiten" bei alten Leuten zu verrichten.
Obwohl sie Lehrerin war, jobbte sie
auf diese Weise,
als bessere Haushaltshilfe 22 Stunden am Tag.
2 Stunden am Tag hatte sie frei und die hat sie wohl
auf eine "andere Weise" genutzt;
unter diesem Brückenbogen mit wechselnden Partnern.
Vor dem Haus war gerade eine Straßenbaufirma tätig und dort war dieser Sizilianer
beschäftigt,
deren Eltern schon in der 2. Generation in der Stadt lebten
und noch immer nur Italienisch sprachen.
Zumindest in der Familie.
Weder zu dieser noch zur eigenen "Familie" hatte sie Kontakt.
In der Kindheit in
Polen wurde sie in ein Pflegeheim abgeschoben,
geriet dort ein wenig auf die schiefe Bahn,
sie stahl um sich
Drogen kaufen zu können um zu vergessen.
Er erzählte seine Geschichte,
auch die mit Dorthe und wie er dann
einfach wieder auf Wanderschaft ging.
Sie verspürte Mitleid, er ebenso.
Sie fingen sich und gingen in dem
neuen Gefühl auf, sich mitteilen zu können,
ohne sich schämen zu müssen.
Am Rheinufer entlang sannen sie
über ein besseres Leben nach
und daß sie noch so jung seien,
ein Neuanfang eigentlich kein Problem sein dürfte.
Bald hielt ein Wagen neben ihnen und die Fahrerin stieg aus:
Dorthe! Wieso bist du mir gefolgt?
Dorthe lud beide in ihren Wagen ein und fuhr zurück zu ihrem Blumenladen.
Miguel wunderte sich schon sehr,
daß Susan so einfach mitgefahren ist,
nach all dem was sie von ihm über Dorthe erfahren hat.
In der Gärtnerei ging nun alles wieder seinen
gewohnten Gang,
die Liaison mit "dem Langen" war wohl nur ein Ulk
gegen ihn als "kleinen Mann" gedacht, ein billiger Spaß unter Schulkameraden,
so meinte Dorthe ganz nebenbei beim Essen.
Susan half mal hier mal da und der Laden lief gut,
der Verkauf war deutlich angestiegen.
Miguel züchtete fleißig seine Pflänzchen, so wie Dorthe es ihm beigebracht hatte.
Susan schlief auf der Liege, wo einst ihr Vorgänger nächtigte.
Als er früher aus der Stadt zurück kam, fand er die Beiden -
am hellichten Tag im Teich plantschen und
sich inniglich vergnügen,
auf eine Art und Weise, wie das Paare zuweilen tun.
Bald schlief Susan bei Dorthe im Bett
und Miguel auf der Pritsche im Gewächshaus
und bald darauf packte er
seinen Rucksack wieder zum neuen Aufbruch Richtung Rhein..
Sein Gehalt folgte ein wenig zu frühzeitig auf sein Konto - mit einem Abzug für 3 Tage.
Wieder am Rhein angekommen, ging er immer ein wenig froher stromaufwärts,
der Sonne entgegen.
Der Herbst hat schon fast begonnen und wenn es so richtig kalt wird,
sind Übernachtungen im Freien
keine Freude,
wie er schon einige Male feststellen konnte.
In einem Obst- und Gemüseladen in einer
mittleren Stadt fand er Anstellung,
ganz legal und nur für über den Winter, wie der Inhaber versicherte.
Das schon nach 3 Tagen "Probezeit" !
Miguel war zufrieden.
Ein warmes Bett, ein Dach über dem Kopf und
zu essen in der Familie.
Was will man mehr?
Er war sehr bescheiden erzogen und so kam er mit dem spanischen Inhaber
und seiner Frau sehr gut zurecht.
Im Laden war das typische Zeugs,
was man so in diesen Siedlerfamilien so brauchte,
die nach den ersten Gastarbeitern
in Deutschland Fuß fassten.
Man sehnte sich nach heimischen Genüssen,
wie das sogar Langzeiturlaubern in der Fremde geht.
Spanischer Wein und die typische Paprikawurst,
Fischkonserven ohne Hering, aber mit Calamares, Muscheln
und
den speziellen Süßigkeiten,
von den wohl einige maurischen Ursprungs waren.
Er schuftete für Zwei, futterte für Zwei und ging erst spät ins Bett.
Einige Bewohner der Stadt waren
verwundert,
dass Miguel nicht nur auf spanisch,
sondern auch portugiesisch und französisch antwortete,
was ihm ganz automatisch kam.
Die Geschäfte wuchsen darauf hin deutlich an, weil sich so etwas herum spricht.
Bald plauderte er mit den Kunden, besonders mit den Kundinnen,
wie die Frau des Ladeninhabers fand.
Dieses Paar hatte keine Kinder und so kam der junge Mann irgendwie gerade richtig.
Don Pedro und Clara waren schon an die siebzig Jahre alt
und wollten längst in Rente sein,
konnten den Laden nicht aufgeben,
weil daran ihr Herzblut hing, damit sind sie groß und.. alt geworden.
Die Kunden kannten die Beiden gut und man sprach jeden Tag
ein wenig über dies und das.
Diese Einwanderer
blieben meistens unter sich,
wie überall auf der Welt, aber ab und an kamen auch Einheimische vorbei.
Ich sage bewußt Einheimische, weil damit nicht etwa Leute gemeint waren,
deren Wurzeln - wie man so falsch sagt -
hier am Rhein gewesen wären,
sondern auch Zuwanderer aus Russland und Polen oder Jugoslawien,
die hier
so integriert waren,
daß man sie von der ersten Gruppe nicht auseinander halten konnte.
Mit den Einwandererfamilien
bezeichne ich diejenigen,
deren Kultur ganz bewußt fremdelnd beibehalten wurde
und die sich dadurch wie Fremdkörper
zeigten.
Diese Fremdkörper also, wenn ich dieses Wort weiter verwenden will,
waren also die typischen Kunden
dieses Ladens.
Man sprach dort in der Sprache der Eltern, d.h. Spanisch.
Das kam den Ureinwohnern der Stadt nicht
gut an und sie fühlten sich in der eigenen Stadt fremd.
Diese Situation wurde ganz bewußt herbei geschaufelt durch Ideologen,
hinter denen die Gewinnmaximierung stand
und immer noch steht,
es waren die Feinde der eigenen Bevölkerung,
die -noch immer unerkannt- ihr schändliches
Werk betreiben,
um möglichst einen Bewerber gegen den nächsten Bewerber
um den Arbeitsplatz auzuspielen,
um verdeckt für ihre Unternehmerklientel ein Lohndumping einzuläuten.
Miguel waren solche Dinge jedoch fremd,
er hörte diese Sätze auf der Straße,
wo sich Studenten darüber unterhielten und
als Schlußsatz anfügten:
Wir müssen jedoch sehen, daß diese Dinge nicht publik werden,
wir wollen ein buntes Land
mit sexueller Selbstbestimmung haben !
Miguel schüttelte sich und vergaß sein Kaffeestück zu essen,
das
er sich gekauft hatte.
Dieses Gebäck noch immer in der Hand, kam er an einer Brücke vorbei,
wo Demonstranten
mit Pflastersteinen warfen.
Er ging lieber einen Umweg zum Laden zurück,
stieß bei der plötzlichen Wendung
mit einem etwa Gleichaltrigen zusammen:
Hupsa Süßer, wohin so schnell - sprach der Weichling.
Miguel entfernte sich schnell und kam atemlos im Laden an.
Dort erzählte er seine Erlebnisse und erntete nur Kopfschütteln:
"Zeiten sind das".
In Spanien, in Almeria und Alicante und Madrid
und sonstwo ist es ganz genauso, meinten die beiden Inhaber,
wir haben darüber gerade erst mit einem unserer Verwandten gesprochen.
Die verstehen die Welt auch nicht mehr.
Miguel half geschwind beim Abtrocknen,
damit die Alten sich aufs Ohr hauen konnten und er ging in den Laden.
Señorita Isabel Caldon, sie wünschen bitte ?
Die alte Dame legte großen Wert auf ihre Jungfernschaft
und so
ganz unrecht hatte sie damit wohl nicht,
wie die drei im Hause fanden.
Geben sie mir bitte ein Pfund Flaschentomaten
und eine kleine Flasche gutes Olivenöl,
es darf aber nichts kosten!
Selbstverständlich, wollen sie
die Tomaten noch etwas liegen lassen
oder gleich verzehren?
Ich mache gleich einen Tomatensalat daraus.
Er suchte schöne reife
Tomaten aus, gab ihr ein gutes Olivenöl
zum Angebotspreis, eine Kräuterwürzung dazu
und tat alles in das
mitgebrachte Körbchen aus buntem Plastikgeflecht.
3 Euro 75 hätte ich gerne, so gut wie nichts!
So ein Halsabschneider, aber was will man machen,
der Laden will schließlich auch leben -
gönnerhaft schob
sie die abgezählten Münzen über den Tresen.
(Sie wußte ganz genau wie die Preise im Laden waren
und nahm niemals
mehr mit, als sie unbedingt brauchte..)
Jeder hat so seinen Spleen meinte die Inhaberin,
die sich diese Szene
nicht entgehen lassen wollte.
In der Regalwand hinter dem Tresen war ein "Spion" verbaut,
so wie man ihn in
Wohnungstüren eines Miethauses findet.
Das hast du gut gemacht, man muß die Kunden immer freundlich behandeln -
was du nicht weißt ist, daß diese seltsame Tante ein privates Altenheim leitet und ..
für den Einkauf der
Küche abzeichnet.
Ab und an kommen deshalb größere Bestellungen bei uns an.
Mein Mann kennt die Zeiten und
hält dann eine ganz spezielle Auswahl an Obst
und Gemüsen bereit und liefert diese dann persönlich dorthin aus.
Das war ja nochmal gut gegangen.
Man darf keinen Kunden vergraulen, weil man nie weiß..
Ein Mädchen betrat den Laden und sagte:
Ich will mich nur einmal umschauen, ich weiß noch nicht was ich
kaufen will.
Sie betrachtete dies und das,
besah sich auffallend interessiert einen Blumenkohl -
was Miguel
irgendwie seltsam vorkam.
Dann sagte sie:
Nein danke, den habe ich mir anders vorgestellt
und ging geschwind
wieder aus der Tür.
Wie?
Einen Blumenkohl anders vorgestellt?
Merkwürdig.
Dann ging die Tür in der Wand auf,
wo dieser "Spion" angebracht ist
und die Inhaberin lachte aus voller Kehle!
Das ist ja köstlich, was für eine
Vorstellung, unglaublich,
hier kann man sich das Geld fürs Theater glatt sparen..
Miguel verstand nichts.
Ihr Mann verstand auch .. nichts.
Dann hob sie an:
Die Kleine ist auf Männerschau, sie wollte sich DEINEN
Kopf ansehen,
nicht den Blumenkohl, du Hohlkopf.
Nana !
Ihr Mann zuckte mit den Schultern und ging
in seiner Lektüre weiter,
bis die Lesebrille etwas verrutschte und er feste im Sessel schlief.
Ich kenne die Kleine, die heißt Blanca oder Bianca und wohnt bei der Señorita Caldon,
sie ist im Seniorenheim
als Zimmermädchen angestellt,
während ihre Eltern, entfernte Verwandte der Señorita,
sich lieber den Geschwistern der Kleinen
widmeten,
die als Nachzöglinge zur Welt kamen.
Die Blanca hat direkt nach der Hauptschule dort angefangen
und noch nicht einmal eine Lehre anfangen wollen.
Sie war immer schüchtern und körperlich nicht so sehr attraktiv,
so hatte sie noch nie einen Freund.
Dazu trug auch ihr konservatives Verhalten bei,
wo sie immer mit einem kleinen
schwarzen Schleier und bedeckten Armen
und langem Rock auf der Straße zu sehen war.
Sie wurde deshalb schon
gehänselt und war eine echte Außenseiterin,
nicht nur in der Schule, sondern überall.
Andere gingen ins Freibad,
sie saß auf dem Balkon und las, mit ganz verhülltem Körper.
Blanca ging alleine oder höchstens am Sonntag mit der Señorita in die Messe
und kannte jede Strophe, ja die ganze Liturgie
auswendig.
Miguel war von dieser Erzählung eher fasziniert als abgeschreckt.
Bald kam Blanca wieder in den Laden, diesmal mit dem Plastikgeflechtkorb im Arm.
Sie grüßte scheu und stotterte seltsame Worte,
die er mit einiger Mühe als "Tomaten mit Olivenöl und
Kräuter" deutete -
wie immer eben - und so belud er das Körbchen mit den Waren,
während sie mit zittrigen
Händen das abgezählte Geld
auf den Tresen schieben wollte-
aber das war nicht sonderlich geschickt
und
so fiel ein Teil auf den Boden vor der Theke.
Geschwind war Miguel zur Stelle,
während sie auf ihren langen Rock
trat und .. plötzlich im Freien stand !
Er beeilte sich, geschwind ein paar
Sicherheitsnadeln
aus der Geschäftsschublade zu holen, während sie wie angewurzelt
vor
der Theke stand, mit offenem Mund - und unten herum im Freien..
Die Füsse noch auf dem Saum,
dann taumelte sie einen Schritt rückwärts,
um mit bedenklich hochrotem Kopf den Rock schnell
über die Hüfte zu ziehen.
Später brüllten die beiden Inhaber vor Lachen,
als die Kleine wieder
zur Tür hinaus war.
Das ist ja ungeheuerlich, ein Striptease in unserem Laden,
du bist ja ein ganz hintertriebener
Fuchs!
(Dabei konnte Miguel absolut nichts dafür,
Blanca war selbst auf den eigenen Rock getreten,
aber es
dauerte bis zum nächsten Tag, bis er seine Sprache wieder gefunden hatte)
Daheim hat die Blanca wohl nichts erzählt,
denn ein paar Tage später kam ihre Tante wieder, wie zuvor immer.
Zumindest dachten die Drei sich das.
Miguel hat die alte Dame ganz normal bedient und war zuvorkommend wie immer.
Erst beim Hinausgehen drehte sie
sich um und flüsterte ihm zu:
Was hast du mit der Kleinen angestellt?
Die ist ja ganz durch den Wind gewesen?
Für eine Antwort ließ sie keine Zeit und weg war sie.
Die Tage vergingen - zufällig traf er Bianca oder Blanca in der
Stadt,
als sie mit ihrem Einkaufskörbchen vom Metzger kam.
Sie wirkte nicht verlegen oder scheu, tat als
sei nichts gewesen
und flüsterte nur:
Du hast mich gesehen, wie noch kein Mann zuvor, ich hoffe,
du hast ernste
Absichten!
Männer sind etwas begriffsstutzig
und darum war sie schneller seinem Blick entschwunden,
ehe er hätte
reagieren können.
Auch das erzählte er "daheim".
Die beiden Inhaber konnten es nicht fassen, wo gibt es denn so
etwas heute noch?
Wo kommt die denn her?
Vom Mond?
Ein Monat verging, er hörte und sah nichts mehr von ihr und ihrer Tante.
Die täglichen Geschäfte liefen, Miguel hatte genug zu tun
und so wurde ihm die Zeit nicht lange.
Dann ging die Tür auf und ein katholischer Priester kam in den Laden.
Er sah sich so seltsam um und
fragte hier ein wenig und dort,
wie zum Schein kaufte er ein paar Weintrauben,
dann ging er zur Sache:
Ich hätte gerne ihre Eltern gesprochen!
Miguel stotterte und meinte nur:
"..äh, die sind in Portugiesisch.."
Weiter ist er nicht gekommen, denn die beiden Inhaber öffneten die Tür:
Sie wünschen - Hochwürden?
Miguel geh doch bitte mal in den Keller
und hole von der neuen Oliven-Lieferung für den Herrn Pastor!
Verdaddert ging er in den Keller und als er in den Laden kam,
war dieser schon wieder weg.
Er wollte keine
Oliven, so die Inhaberin.
Wir mußten ein wenig die Eltern spielen,
denn die Bianca hat mit dem Pfarrer gesprochen,
aber wohl nicht gesagt,
daß es ihre Ungeschicklichkeit war, daß sie ohne Rock im Laden stand.
Nun sind
wir beide bekanntlich Zeugen gewesen
und konnten den Priester beruhigen, daß du kein Sittenstrolch gewesen bist.
Sittenstrolch?
Was sollte ich mit der kleinen Rübe anfangen,
die ist doch noch nicht einmal volljährig?
Das täuscht, denn wie ich hörte können auch 16Jährige heiraten,
wenn die Eltern einverstanden sind.
Und wir sind einverstanden,
die Señorita Caldon und auch ihre Eltern haben nichts dagegen,
was schon wie ein
Wunder in sich sein dürfte.
Miguel schüttelte nur den Kopf, nee nee,
laß mal stecken, das ist nichts für mich.
Das ist mir alles viel zu kompliziert.
Noch ein Monat verging, ohne daß man etwas von der Sache vernahm.
Miguel war drauf und an wieder auf Wanderschaft
zu gehen, was seine Freunde,
die Ladeninhaber gut verstanden.
Sie haben sich ein wenig Hoffnung gemacht,
in dem neuen Paar-
falls das eines hätte werden sollen,
Nachfolger für den Laden gefunden zu haben.
Draußen ist es warm, warum gehst du nicht wieder mal eine Tour,
unsere Tür steht dir offen!
Du mußt dich ein wenig von dem Schreck erholen.
Darauf hat er gewartet und schon am nächsten Tag ging
er mit dem Rucksack los,
Richtung Rhein und immer weiter stromaufwärts.
Am Ufer wartete Bianca mit einem
Rucksack auf..
"Du rennst mir nicht weg, ich renne mit!"
Sie schnürte mit einen Griff ein langen Rock zusammen
und hatte -
Hotpants an.
Du meine Güte!
Schau nicht so, du hat mich ja schon gesehen.
Sie gingen ein wenig
mit den Füßen im Wasser,
dann wieder in den Ufersand und nochmal ins Wasser.
Schon waren sie auf Tour und
spulten an diesem Tag gute 25 Kilometer ab.
Geschlafen haben sie in einem Gebüsch in einem kleinen Wäldchen,
in Kleidern und mit Abstand.
Sie unterhielten sich pausenlos über dies und über das, Gott und die Welt.
Bald hatte Miguel keine Lust mehr zum Wandern und kam bei ihr keinen Zoll weiter,
was mache ich mit der Göre?
Er brachte sie wieder zurück zu der Señorita Caldon und verabschiedete sich höflich.
Er setzte seine Tour fort und hatte nicht unbedingt Freude daran,
weil seine Gedanken um Bianca kreisten,
dann wieder um den Gemüseladen.
Er nahm noch einmal Arbeit an und half bei der Kirschenernte,
verdiente sich
etwas dazu und beschloß zurück zu kehren.
Im Laden gab es ein freundliches Hallo und ein:
Das dachten wir uns schon, dieser Trip wird nicht lange sein.
Die Bianca ist bei uns eingezogen, weil sie schwanger ist..
ihr solltet heiraten, weil ihre Tante sie
rausgeworfen hat.
Alle Beteuerungen halfen nichts, auch als er schwor:
Wir hatten nichts miteinander !
Wie auch immer, der Priester hat hier im Laden Zirkus gemacht
und uns die Pistole auf die Brust gesetzt.
Wenn du willst, dann steht der Hochzeitstermin am Sonntag!
Miguel sagte nichts, er setzte sich auf den Stuhl,
der
eigentlich für die Kunden gedacht war..
ich habe ihr noch nicht einmal einen Kuss gegeben.. murmelte er leise.
Langsam, aber sicher glaubten sie es ihm und überlegten,
was wohl nun zu tun sei.
Unter dem Vorwand die Hochzeit zu besprechen, gingen sie ins Pfarrbüro,
die Tante war dabei und selbstverständlich
auch Biancas Eltern
und Miguel und die Ladeninhaber als evtl. Trauzeugen.
Bianca war froh, daß ihre List
geklappt hat
und zeigte sich mit offenem Beinkleid und als Verliebte.
Bevor der Priester etwas sagen konnte,
hob die Frau des Inhaber an, die Sachlage zu klären,
was für alle eine hochpeinliche Situation war.
Die Bianca können sie wieder abholen, so sagte sie zu deren Mutter,
mit einer solchen niederträchtigen Person
wollen wir nichts zu tun haben.
Miguel stammelte nur herum:
Ich habe sie niemals auch nur angerührt!
Das "peinliche Halsgericht" war abrupt beendet, als der Priester die ganze Bande hinaus warf.
So tat er wieder seine Arbeit im Gemüseladen,
als wäre nichts gewesen - beinahe wäre er davon gelaufen,
als irgendwann einmal eine andere junge Frau in den Laden trat.
Man kann eine Phobie bekommen, so meinte
Miguel beim Abendessen.
Im Nachbarhaus wohnte bei ihren Eltern ein junges Ding,
das auf den jungen Mann ein
Auge geworfen hat.
Sie war unauffällig und einfach,
ihre Mutter schien kaum älter zu sein und eine Lehrerin
des nahen Gymnasiums zu sein.
Die beiden waren nett, viel zu nett zuweilen,
so fand der Ladeninhaber, die drehen
immer die Hälse,
wenn der Miguel auftaucht und er merkt das nicht einmal.
Seine Frau meint:
Sage ihm bitte nichts,
bei den Beiden würde er buchstäblich in des Teufels Küche kommen.
Und so kam der Herbst ins Land.
Die Ladeninhaber machten eine Kur und wollten sich einmal gründlich
von Kopf bis Fuß behandeln lassen,
wofür sonst nie die Zeit war.
Miguel machte den Laden - wie immer.
Ab und an fuhr Bianca mit dem Kinderwagen vorbei und schaute provozierend in das Schaufenster,
dann gingen mal abwechselnd, mal gemeinsam die Junge und ihre Mutter die Lehrerin
in ebensolcher Weise
dort entlang - verdächtig langsam
und aufreizend.
Dann - er traute seinen Augen kam, gingen Susan und Dorthe
am Schaufenster entlang -
ebenso langsam und auffällig, mal zusammen,
mal abwechselnd.
Der Kioskbetreiber
von der anderen Straßenseite fixte Miguel zu:
Hast du dir einen Harem zugelegt?
Ach was, ich soll
nur gefressen werden, mehr nicht !
Das ging tagelang so und die Nachbarschaft gewöhnte sich daran.
Miguel hat danach keine Frauen mehr auch nur angesehen
und ist wieder auf Wanderung gegangen,
als die Inhaber aus der Kur zurück waren.
Er bekam sein Gehalt auf das Konto und so zog er los.
Er ging um den Bodensee herum, fand mal hier mal dort Arbeit
und die Gegend gefiel ihm gut.
Er tat
unauffällig seine Pflicht, bevor er weiter zog,
durch Südfrankreich, wieder als Helfer bei der Weinernte,
dann nach Spanien, wo er an jeder Etappe einen Job fand,
für ein paar Tage, das reichte ihm schon.
Sein Konto wuchs und wuchs.
Bald war er wieder in dem kleinen Dorf bei Albox,
wo er seine alten Freunde
wieder traf und denen alles erzählte.
In jedem der Häuser, wo er aushalf, war seine Story eine begehrte
Unterhaltung.
Die Alten konnten es es nicht fassen, was heute so los ist in der Welt,
was sich eben
ganz anders anhört, als im Fernsehen..
hier hatte Miguel seine heilige Ruhe, hier konnte er arbeiten
und
reden, ab und zu mit den Alten ein Glas Rotwein trinken,
ein Stück Melone essen, sein Tagebuch zuende schreiben..
Er fühlte sich zuhause,
fernab vom Getriebe der Welt.
Die Jahre vergingen, Miguel hat dort ein altes kleines Haus
mit einem ruhigen
Grundstück von einem der Alten vermacht bekommen,
der keinen eigenen Nachwuchs hatte..
So viel Vertrauen ehrte ihn
und so begann er die kleine alte Werkstatt
des Gönners behutsam zu modernisieren und kleine Aufträge
div. Art anzunehmen.
Er war sich noch immer für keine Arbeit zu schade.
Sein Tagebuch wurde von dem Regionalblatt als Fortsetzungsgeschichte gedruckt
und bald schrieb er die Kolume als freier Mitarbeiter.
Er hat von keinem seiner
Bekanntschaften und auch von seinen Verwandten
nie wieder ein Sterbenswörtchen gehört.
Vermutlich hätte man
ihn auch nicht gefunden, hier oben in der Abgeschiedenheit der Berge.
Er war zufrieden mit seinem Leben
und schaute ruhig in die untergehende Sonne,
mit einem Stück Brot, etwas Schafskäse und einem Glas Rotwein.
*** Ende ***
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