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"Der Heilige von Santiago de Compostella" 1
Er kam durch viele Länder,
marschierte immer zu Zeiten, wo niemand unterwegs war.
Die Grenzen sind in der heutigen Zeit nicht mehr so streng bewacht,
wie das damals "hinter dem eisernen Vorhang" war.
Er diente irgendwann beim Militär,
bekam aber keine Abzeichen und erreichte keinen besonderen Rang.
Eltern und Geschwister mochten ihn nicht leiden,
weil er es mit fremdem Eigentum nicht so genau nahm.
Nach kurzem Ärger mit der örtlichen Polizei ist er abgehauen.
Einfach abgehauen und hauste fortan in den Wäldern
und mied sogar Feldscheunen oder leerstehende Fabriken und ähnliche Unterkünfte.
Sein Gesicht war dunkelbraun, sein regenfester Militäranzug ebenso,
der ohne jedes Kennzeichen war - das ganze "Outfit" war auf Tarnung ausgelegt.
Ein winziges Zelt und ein großer Rucksack war sein Heim,
sein Zuhause und Zuflucht.
Beim Militär war er nicht gut angesehen, denn er weigerte sich standhaft
auf andere Menschen zu schießen und wenn es nur als Übung auf einen Pappkameraden angesetzt war.
Wohlwollende Vorgesetzte übersahen das beflissentlich,
weil sie wohl etwas Besonderes an
dem gemeinen Soldaten spürten.
Schließlich war kein Krieg und alles nur Übung, mehr nicht.
Man soll nicht päpstlicher als der Papst sein, so meinte der diensthabende Offizier.
"Wenn es darauf ankommt, kann man sich auf den Jacob verlassen."
Die Mühlen der Behörden und die des Militärs mahlen langsam
und so kam es, daß der Jacob ausgesteuert und entlassen wurde.
Zwar nicht unehrenhaft, aber wegen erwiesener Unfähigkeit zum Soldaten.
Manchmal sei er "uneinsichtig" gewesen, das geht nun mal nicht, wenn der Befehl kommt,
dann muß eben geschossen werden, egal auf wen und wann.
Ohne nachzudenken, sofort und ohne Zaudern.
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Wieder zuhause, wurde er nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen,
was ein wenig mit dem nun ausbleibenden Sold zusammen hing,
den er sonst immer nach Hause schickte, damit alle besser leben konnten.
Die Gegend war arm und blieb arm, auch wenn das Land nun längst zu Europa gehörte.
Die Kälte, die ihm daheim entgegen schlug, ließ ihn zu einem Entschluß kommen,
der ihm noch einige Folgen für sein Leben aufbürdete, ja dieses von Grund auf
total verändern sollte.
Er fand Arbeit in einer Sozialstation, die sich um Arme und Mittellose kümmerte,
die keine Rente bekamen und denen keiner helfen wollte.
Es reichte gerade mal so um zu überleben, für mehr war kein Geld da.
Die Stadt war chronisch pleite, die Partei herrschte mit eiserner Faust
und jeder Mißliebige wurde sofort angetragen, wie zu den Zeiten der großen Oktoberrevolution.
(Heute wird man vermutlich in spezielle Listen eingetragen,
wer weiß, was später damit geschehen wird)
Die Gruppe der alten Täter war noch in manchen Stellen dabei, die Leute zu drücken
und zu schikanieren, wie damals im strengen Kommunismus,
hinter dem "Eisernen Vorhang", wie man im Westen sagte.
Sein Land war, wie alle Menschen hinter dieser Sperre, in Freiheit gefangen,
noch immer von "der Partei", die bekanntlich "immer recht" hat, gegängelt.
Auch wenn es inzwischen Lockerungen gab, es wurde alles immer nur geplant
und nur wenig funktionierte, weil die Leute eben keinen Gewinn in ihrer Arbeit sahen.
Die Kirche war in dieser Zeit ganz still und hat paktiert um nicht selber
ins Kreuzfeuer der Partei-Soldaten zu geraten.
Einige Leute sind damals "verschwunden", wie wurden einfach als "vermißt" erklärt.
Die großen Gefangenlager waren zwar inzwischen längst aufgelöst,
die Angst aber blieb in den Köpfen.
Er dachte sich dabei immer:
Daß ausgerechnet die größten Taugenichtse in die Partei gingen
und dann von oben herab drückten und erpressten, sollte nicht verwundern.
Das wird wohl in alle Ewigkeit so bleiben, weil diese Scharlatane nichts können
und nichts anderes wollen, als zu beherrschen - immer die Partei im Hintergrund,
wie ein Knüppel aus dem Sack.
Jedesmal, wenn er daran zurück dachte, lief ein Schauer über seinen Rücken
und er gruselte sich - einer seiner Widersacher war ein Schulkamerad,
der damals schon seinen Mitschülern gerne mal ein Bein stellte oder diese
beim Lehrer antrug, wenn sie was falsch gemacht hatten.
So ging er nun durch die Wälder, mit diesen seltsamen Erinnerungen im Kopf,
die wie ein Kino mit Filmen über Ungerechtigkeiten waren, immer nur Ungerechtigkeiten,
nie etwas Positives oder auch nur mit einer Spur an Menschlichkeit behaftet.
Man ist was man ißt, so sagte er sich, als ein aus Würmern bereitetes Mahl
in seinem Tiegel brutzelte - arm war die Zeit, arm die Gegend, arm die Menschen.
Er ging weg um es irgendwo und irgendwann einmal besser zu haben,
Gerechtigkeit und eine Arbeit und vielleicht sogar eine Familie zu finden.
Diese Träume hielten ihn in der Einsamkeit hoch und wach.
Tage und Wochen vergingen, die Hoffnung hielt ihn am Leben.
Er wußte aus den Radioberichten, daß die kommunistische Bewegung
unter Tarnnamen wie Öko, Bio, Alternative, Blumenkinder, Linke und G rüne in der Fremde
entzündet werden sollte - und fortan unter der Oberfläche anderer Staatensysteme
ihr Unwesen trieb, bis irgendwann mal der Knoten platzt
(Im Kommunismus gehört wenigen Günstlingen das Meiste und den meisten nichts)
und die wahre Gesinnung
dieser Genossen ans Licht kommen würde:
Parteifaschismus und dies von der gemeinsten Sorte, angetrieben - wie immer - von Studenten,
die auf diese Weise ihre Lust
am Destruktivismus und Untergang auslebten.
Wie weit dieses Treiben der "Roten Denke" sich in den Westen, ja rund um die Welt ausgebreitet hat,
wird er noch am eigenen Leib erleben..
..die Gedanken schweifen ab, wenn man alleine ist, dann ganz besonders und unaufhaltsam.
Seine Eltern waren weniger die Kirchgänger, seine Großeltern und Urgroßeltern waren jedoch gläubige
Orthodoxe gewesen, die -zumindest heimlich- ihren Glauben weiter führten, auch als
diese "Diktatur des Volkes" etabliert war, die eher eine Diktatur der Parteivorsitzenden war
und bis zum heutigen Tag noch immer ist- aber inzwischen nicht nur in der "Arbeiterpartei",
sondern mehr oder weniger in -fast- allen Parteien der Welt ähnlich läuft.
Einen Onkel hat er verloren, der Priester war und das Evangelium predigte,
auch wenn ihm "Einsicht und Zurückhaltung" befohlen wurde.
Eines Tages hat man ihn abgeholt, mit einem grauen Auto und man hat nie wieder etwas von ihm gehört.
Offiziell verlautete nichts darüber, nur ein Gerücht, das in Umlauf gesetzt wurde:
Der Onkel ist verrückt geworden und wurde in die Heilanstalt gebracht.
So mancher andere Bewohner seines Dorfes ist ebenfalls auf diese Weise verschwunden,
ganz wenige Leute kamen nach Jahren wieder nach Hause - zerschunden von der Arbeit
in den sibirischen Lagern.
Wie ein Jeti sah er nicht aus, denn er wusch und pflegte sich bei jeder Gelegenheit -
mal in einer Toilette einer Tankanlage, dann in einem leerstehenden Haus - wobei er genau aufpaßte,
ob und wann das Gebäude Menschen beherbergte.
Ärger mit den Ordnungskräften wollte er bestimmt nicht, denn die Freiheit war ihm wichtig.
Was er aber unter Freiheit verstand, war seine ganz persönliche Einschätzung,
nicht die der Gesetzgeber oder so.
Das Wild im Wald hat er nie gejagt, das ist zu verräterisch,
denn Jagdpächter achten ganz eifersüchtig auf "ihre"
Tiere, wie die Fürsten Anno dunnemals.
Mit Frauen wollte er nichts mehr zu tun haben, er war kein Frauentyp, ganz sicher nicht.
Seine Ohren und Sinne waren durch die langen Strecken -alleine in der Natur- sehr viel besser geworden,
als während seiner militärischen Ausbildung, man lernt viel, wenn die Einsamkeit im Wald ihre
ganz eigene Musik spielt.
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Hier scharrt etwas, dort ein Zischen, Grunzen - da knackt ein dürrer Ast, der Wind in den Bäumen,
jeder Tropfen , der von den Wipfeln fällt, ist etwas Wichtiges.
Ein letzter "Besuch" in der Kaserne hat ihn komplett ausgestattet, mit einem 2. Paar Stiefel,
ganz neu und in guter Qualität, wahrscheinlich von besserer Güte, als Wanderschuhe, die man für
teures Geld im "Outdoor-Laden" bekommt.
Ein Nachtsichtglas und Kompass, eine Kaserolle aus Aluminium, ein leichter Minikocher und Brennwürfel -
alles da, wie der winterfester Schlafsack, ganz leicht gearbeitet.
Er hatte keine Landkarte dabei - wozu auch?
"Nach Sicht", das sagte er in den einsamen Selbstgesprächen zu sich, "nach Sicht" geht es
und sonst nirgendwo hin, nach dort, wo die Sonne untergeht.
In keine Stadt mochte er gehen, weg von den Straßen und Autobahnen und Bahngleisen, weg von den Menschen.
Die ersten Kilometer gingen schnell vorbei, die Landschaft war bekannt und
die Gegend recht einsam, kaum ein Gehöft oder eine kleine Ansiedlung,
deren Lichter man schon von weiter Ferne erblicken kann.
Er rauchte und trank nicht, hatte nicht mal ein Mobiltelefon oder Radio, ja
nicht einmal eine Armbanduhr.
Unnützer Kram, brauche ich nicht, so grunzte er vor sich hin -
Geld brauche ich auch nicht, ich nehme mir was ich brauche, wie Napoleons Truppen damals.
Die Spanier sollen es auch nicht besser gemacht haben oder die Schweden, - Soldaten sind
eben auch nur Halunken, schon immer gewesen, genau wie Räuberbanden, wie die des Schinderhannes.
Wo kein Gesetz ist, hat jeder Recht, wenn er es sich nimmt.
Solange keine Übertreibungen getan werden und nur das wirklich Lebensnotwendige genommen wird,
kann eigentlich niemand etwas dagegen haben - oder?
Wer so alleine auf weiter Flur und mit sich selbst ist, dem verschwimmt so manche Grenze,
mental und dinglich, dennoch war seine eigene Ethik ganz klar umrissen:
Er bekam keinen Sold, weil sein Land chronisch pleite ist und war,
und seine Einheit nur ganz unregelmäßig
den Sold auszahlte - meistens auch noch zu wenig oder das Geld war schon nichts mehr wert,
bis man einen Laden erreichen konnte um dieses auszugeben,
sollten die Regale ausnahmsweise mal gefüllt gewesen sein..
Niemand wollte diese wertlose Währung nehmen, schon damals nicht, als er noch "legal" arbeitete.
Er hatte freilich weder Renten- noch Arbeitslosen- noch Krankenversicherung -
diese Dinge
waren sowieso nur vom Hörensagen an sein Ohr gedrungen.
Die Rentner in seinem Dorf ernährten sich von gezüchteten Kleintieren, die sie auf dem Markt
gegen Naturalien aller Art tauschten, richtiges Geld hatte niemand.
Arm waren sie alle, er aber war mittellos, trotz seiner gefährlichen Einsätze in der Soldatenzeit.
Undank ist der Welt Lohn und so zog er in die Fremde.
Sein eigenes Recht im Kopf und einiges Wissen in der Kräuterheilkunde,
was er von seinen Großeltern hatte - bei denen er oft nach der Schule war.
Das waren noch Zeiten, als Großvater bei den "Berittenen" und in hohem Ansehen war-
bald aber merkte auch er, daß Rentner nichts wert sind und nur eine Last darstellen.
Bei solchen Gedanken verging die Zeit und die Kilometer flossen still dahin.
Nicht, daß er als "Kilometerfresser" gelten wollte, nein, ganz gewiß nicht.
Es ging ihm nur darum, von niemanden entdeckt zu werden,
auch nicht von Jägern oder Förstern oder Landwirten
und schon mal ganz und gar nicht von Ordnungshütern, auch nicht von zufälligen Spaziergängern,
die ihn hätten beschreiben können.
Niemand sollte ihn sehen, denn wer gesehen wird, kann auch beschrieben werden.
Das war eine ganz besondere Begabung, die er sich auf diese Weise -mühsam- aneignete.
Er frisierte sich täglich anders, mal die Haare nach hinten, mal zur Seite, mal in die Stirne,
desgleichen auch seine Bart-Tracht.
Mal mit, mal ohne, mal kurz- mal exakt, mal grob..
Das Mini-Zelt faßte den ganzen Kram und war beschichtet, daß man es auch mit einem Infrarotgerät
nicht erkennen konnte - das war ein ganz wesentlicher Punkt seines Versteckspiels,
dessen Ende er selbst noch nicht erahnen wollte und konnte.
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Die Nahrung ist nun aufgebraucht und Nachschub mußte her -
arbeiten konnte er mit dieser Einstellung freilich nicht -
ob Ausflucht oder Selbstbestätigung -
er "holte sich" in der Dämmerung aus einer kleinen Metzgerei ein großes Stück geräucherten Bauchspecks,
sowie ein paar Wurstkonserven und eine Dose Sauerkraut, machte die Hintertür ganz gewissenhaft wieder zu.
Schlösser waren für ihn nie ein Problem, das hatte er vom Vater, der als Schlosser angestellt war.
Er hinterließ keine Abdrücke, weder von den Händen noch von den Schuhen, alles wurde gründlich abgewischt,
ganz genau nach der Soldaten-Disziplin.
Er nahm sich nur so viel, wie er für die nächsten Tage benötigte,
denn Gier erweckt das Interesse der Polizei und so war sich der Metzger eher unsicher,
ob er sich nicht evtl. doch verzählt hat und nur annahm, es sei etwas gestohlen worden.
Die Sachen wurden hinten aus dem Regal genommen und davor alle sorgfältig mit Handschuhen
bewaffnet, gleich wieder aufgeschichtet, daß der Verlust deutlich später auffiel.
Geld hat er nie an sich genommen, auch keine anderen Wertgegenstände.
Im Wald, da sind die Ro-ho-jeäber, sang er leise vor sich hin, als ein
ungewöhnliches Geräusch an seine Ohren drang, die an absolute Stille gewöhnt waren..
..so weit von jeder Ansiedlung - was kann das sein?
Zuvor war ihm eine Stacheldraht bewehrter Zaun aufgefallen, der immer in Sichtweite blieb.
Ein Militärgelände?
Sein Nachtsichtglas zeigte nichts an, nicht mal ein Tier, das des Nachts zur Jagd
schlich, keine Eule und nur ab und zu mal eine Maus.
Das Geräusch war unter der Erde - er sah zu, dort schnell zu verduften..
auf der Höhe des Bergkammes angekommen, war die Aussicht besser.
Ein Tagebau, ein riesiges Loch in der Erde mit großen Maschinen darin versperrte den Weg.
Überall waren Drahtverhaue und Gefahrenhinweise angebracht, damit kein Wanderer dort hinab stürzt.
Wenn ich Diebstahl begehe, so sagte er sich, was machen die denn dort unten?
Sie klauen den nachfolgenden Generationen die Resourcen, die Mutter Erde für alle Menschen
aufgespart hat und nun vernichten eine oder zwei, vielleicht drei Generationen die ganzen Bodenschätze.
Womöglich verkloppen die unsere Bodenschätze ins Ausland,
wo man das meiste Geld für bekommt - nur um hier ein gedeihliches Leben ohne Arbeit
führen zu können - so sind sie, die Bonzen!
Ohne Skrupel und jeder mit seiner eigenen "Legitimation", mal vor sich selbst, man vor dem
gerade geltenden Gesetz- was ist nun falsch, was ist richtig?
So ging der Marsch um diese Anlage herum und in ein langes, langes schmales Tal hinein,
durch welches ein breiterer Bach floß, gewunden wie eine Krampfader.
"meandern" nennt das der Fachmann, meinte er zu sich selbst, "Krampfader" paßt nicht.
Die Gedanken "meandern" auch, wenn man mit sich alleine ist.
Verflixte Gegend, überall Matsch und sumpfiges Land, kein Pfad und kein Steg.
(Aber auch keine Häscher und keine Ankläger)
Sein Bart war wieder viel zu schnell gewachsen - also ab damit.
Das alte Rasiermesser vom Vater ererbt, tat gute Dienste, die Seife auch -
bald muß wieder neue her, das Stück wird ja immer dünner!
Große Läden waren nicht sein Ding, alles sollte so unauffällig wie möglich bleiben.
So kam ihm der Hinweis an der Straße gerade recht:
Honig vom Imker, Kerzen und Honigseife, Waben und Duftöle.
Der Kellerraum des Privatmannes war kein Problem, geschwind noch ein paar Dosen - Gerichte
eingepackt, nicht zuviel, damit das nicht so schnell auffällt.
Toilettenpapier und Taschentücher waren auch im Vorratsregal.
Die teuren Spirituosen ließ er ganz bewußt stehen.
Schnell noch etwas Tomatenmark- und schnell weg.
Nichts deutete auf einen Einbruch hin, alles war wie zuvor, auch der Schlüssel unter der Fußmatte..
Auf dem Weg in den Wald sah er ein Lokal, hinter welchem der Koch gerade ein Kühlpaket abgestellt hatte-
dort waren Kohlrouladen drin, ganz dicht gepackt.
Schwupps zwei waren danach weg, ordentlich entnommen und ordentlich wieder zugemacht.
Schon war er wieder im Wald, wo diese Mahlzeit mundete - dort konnte er auch den Kocher entflammen,
noch vor der Zeiten der Jäger und Spaziergänger und Waldarbeiter.
Im nahen Bach wurde das Geschirr und der ganze Wandersmann gewaschen.
Die Wäsche trocknete hinter einem großen Stapel Holz, das den Blick zum Weg nahm.
Hier im Unterholz, weit vom Hochsitz entfernt, war er sicher.
Die Nachtruhe war nicht lange, denn vor der Dämmerung und vor den evtl. auftauchenden Jägern
war der Aufbruch angesagt.
Wenn er im Hellen gehen mußte, hat er geschwind die Jacke und die Hose und den Rucksack-Überzug
gewendet in ein "stilles" Hellgrau, mit div. Wanderwimpeln aufgenäht.
Sein Wanderstock und die tiefgezogene Kappe ließen jeden Wanderer irgendwie gleich ausschauen.
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Gerade dieser selbstgeschnittene Wander-Stock hat schon so manches Unbill abgehalten, besonders in der Stadt,
in Bahnhofsnähe, wo die seltsamen Gestalten auf Beute lauern.
Nicht immer kann man Städte umgehen, so sprach er zu sich selbst, diese Moloche weiten sich aus.
Immer mehr Verwahrlosung breitet sich aus, immer mehr die Gegensätze zwischen arm und reich.
Er bediente sich in einem Delikatessenladen, wo im Hinterhof eine Kellertür war -
leise wie der Wind entschwand er wieder geschwind - ohne Spuren zu hinterlassen -
mit seiner Beute:
Eine Entenkäule in Sülze, Leberpastete, Baquette-Brot, zwei Luxus-Creme-Suppen.
Das wird dem Inhaber kaum auffallen, so dachte er sich.
Auf leisen Sohlen verschwand er über die Felder in einem Wäldchen nahe der Mülldeponie,
hier sucht keiner nach Illegalen, im Riesenreich sowieso nicht.
Zuvor wusch er sich an einer Rastanlage, das war wohl die letzte,
die noch ohne elektronische Überwachung
auskam.
Das ist heutzutage sehr selten geworden - aber nur, weil diese Inhaber schon alt waren und
die Investitionen scheuten - deshalb blieb die Anlage ohne Elektronik -
so ging es gereingt und rasiert weiter.
Am Rucksack flatterten ein paar Wäschestücke, die trocknen sollten.
Falls, so dachte er gerade, falls nun doch einmal eine Kontrolle meine Identität
feststellen will, wird sie keinen Pass und keinen Herkunftsnachweis oder auch nur den geringsten
Hinweis darauf finden - außer auf der Ausrüstung, aber dieses Material kann man im gesamten
Osten Europas auf den Flohmärkten kaufen und das Nachtsichtglas verstecke ich zuvor.
Der Tag kam und er legte sich zur Ruhe in einer Mulde im Wäldchen, nicht ohne zuvor
einige Äste und Zweige zur Tarnung vor dem Lagerplatz aufgeschichtet zu haben.
Eine Dosensuppe der Luxusklasse hat er heiß gemacht, das geht schnell und macht satt.
In der Feldflasche ist Wein aus dem Delikatessenladen, den er sich zur Feier des Tages gönnte.
(Die Glasflasche hat er zuvor in einem öffentlichen Abfallbehälter entsorgt,
selbstverständlich ohne Spuren darauf zu hinterlassen zu haben)
Er wunderte sich noch über den extrem hohen Preis, denn die Qualität war nicht so sonderlich gut und auch zu sauer.
Über diesen Gedanken schlief er ein.
Den nächsten Tag hat er fast ganz verschlafen, so ungewohnt war ihm der Alkohol -
die Sonne knallte herab und er hatte einen dicken Kopf von der Plörre.
Oh Mann, daß man dafür so viel Geld nehmen kann, ist ein Verbrechen oder ..
.. die gerechte Strafe für den Diebstahl!
Nicht mal die Entenkeule konnte danach locken.
Die Grenze des Heimatlandes war längst überwunden, die Landschaft
dagegen änderte sich nur wenig, weil der Natur menschliche Grenzen egal sind.
Da er sowieso mit keinem sprach, war das egal, was man so landläufig "Kommunikation" nennt.
Er kannte die Gewohnheiten der Soldaten und Grenzer sind auch Soldaten- einer kommt, murmelt was- der andere geht-
und der, welcher ablöst, geht erst mal pinkeln oder etwas essen,
bevor die Pflicht ruft und evtl. ein Vorgesetzter auftaucht..
..das war immer die beste Gelegenheit über die Grenze zu gehen.
Hinter einer Bäckerei lockte der Duft frischer Backwaren aus einem Transporter,
der mit offener Hecktür dort stand -
nein, das war viel zu riskant, deshalb schlich er weiter - bis bald eine abgedeckte
Lieferkiste vor einem Bistro stand - niemand weit und breit zu sehen..
..ein schneller Griff und ab durch die Mitte!
Diesmal war es eine Tüte Brioche - eine feine Beute.
In der Nähe eines Sendeturmes auf einem der größeren Hügel war die Stille dicke genug,
um dort sein Mahl zu sich zu nehmen.
Der Morgen graute und er legte sich zur "wohlverdienten" Ruhe, denn genug Strecke war getan.
Gegen Mittag wachte er auf und ging als "Wanderer" verkleidet weiter, auf Wegen, die
sehr abseits lagen, alle Orte umgingen und gerne durch dichten Wald führten.
Ein kleiner Bach lud zur Rast und Körperhygiene ein, hier waren nur Wildspuren zu sehen,
keinerlei menschliche Fußabdrücke oder Reifenspuren, nicht mal ein Hochsitz,
von dem aus man hätte gesehen werden können.
So ging es bald weiter bis an den Rand einer riesigen Stadt, die ihm den Weg versperrte.
Hier sah er einen "Outdoor" - Laden und wartete auf eine Gelegenheit:
Ein Lieferwagen kam und der Inhaber ging zu diesem Fahrer, mit Papieren in der Hand.
Er ging auch - mit ihm eine moderne Outdoor-Wanderjacke,
die auf einem Drehgestell vor dem Eingang -mit vielen anderen- hing.
Mit Kaputze- wie praktisch..
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Ein am Ortsrand abgestelltes Fahrrad, das dort wohl schon länger stand, hat er sich
genommen und ist damit quer durch die Stadt bis zum Industriegebiet gefahren, unter
diversen Autobahnunterführungen hindurch, vorbei an Geleisen und Schrottplätzen,
seltsamen Behörden mit Tafeln daran, die er nicht entziffern konnte.
Mittags war wohl Pause in diesen Behörden und niemand interessierte sich für ihn,
der geschwind dran vorbei zu einer Wurstbude kam.
Geld hatte er keines, es waren auch zu viele Leute dort, die Fragen gestellt hätten.
Mit dem Rad war er richtig flott unterwegs, manchmal schneller als die Autos,
die sich überall stauten.
Am Fluß angekommen, ließ er sein Gefährt an einem Rastplatz mit Bänken und einem Tisch
stehen und verkrümelte sich im Dickicht der Standrandzone, wo kein Weg in die Aue führte.
Hier waren Spuren von einigen "wilden Campern", die mit Notbehelfszelten, eigentlich nur
Aststangen mit alten Teppichen und Plastikplanen waren - nichts wie weg!
Hier hat er seine alte Armee-Jacke entsorgt und gesehen,
wie ein alter Habenichts diese nahm.
Inzwischen war es Abend geworden und der Mond ging auf.
Ein Bauerngehöft lag vor ihm und so hörte er den Hofhund schon von Weitem bellen -
er mußte einen Bogen laufen bis zum nächsten Gehöft, wo im Stall gerade gemolken wurde.
Heute ist wohl alles elektrisch und automatisch, so dachte er - nicht mal Milch kann man
hier holen - aber im Hinterhaus stand eine Tür offen und es war Licht darin, aber kein Mensch
zu sehen, der oder die Bewohner waren wohl gerade im Stall.
Auf dem Tisch stand ein Teller und auf dem Herd war der Eintopf -
schnell den Teller füllen und auslöffeln - da kamen auch schon Schritte näher.
Iß auf, nimm dir Brot - hörte er sagen - dann mach dich weiter!
Der alte Knecht war wohl selber einmal in ähnlicher Lage und verstand den Fremden sofort.
Die Worte verstand er nicht, wohl aber deren Bedeutung.
Ein Händedruck und schon eilte er in die Nacht hinaus.
Das ist nochmal gut gegangen, das hätte ganz anders ausgehen können.
Innerlich war ihm klar, daß der Alte niemanden verraten würde - aber kann man es wissen?
Überall waren riesige Felder, gut bewacht und viele Erntehelfer aus fremden Ländern,
deren Laute er nicht verstand - er fiel unter diesen Fremden nicht auf,
fürchtete aber eine Kontrolle, deshalb war diese Arbeit viel zu gefährlich,
man hätte ihn bald als "Illegalen" eingesperrt.
Unterwegs durch diese fruchtbare Gegend war weit und breit kein Baum und kein Strauch,
deshalb ging er wieder als Wanderer -sicheren und zielstrebigen Blickes weiter, wenn sich Menschen näherten,
hilt er
ein Prospekt vor sich,
das irgendwie wie eine Landkarte aussah und marschierte eilig weiter um
von niemandem angesprochen zu werden - ein Fremder ohne Sprachkenntnisse wäre
sofort aufgefallen und im Gedächnis der Leute geblieben, die später eine Aussage
hätten machen können.
So grüßte er stumm nickend.
Diese Art Gruß wurde immer erwiedert.
Bald kam am Horizont das Abendrot und eine Hügelkette auf, dicht bewaldet.
Nach einem Gewaltmarsch in hohem Tempo erreichte er wieder ruhiges Gebiet,
sein Metier, die Wälder, in welchen er sich sicherer fühlte.
Sein Nachtglas verriet den Jäger mit seinem nah geparkten Wagen,
diese Hürde wollte er noch nehmen, als er auf eine uralte und kaputte kleine Bretterbude
stieß, ein Geräteschuppen mit marodem bäuerlichen Gerät darin, das wohl schon lange
nicht mehr benutzt worden war - und sonst nur Wiesen rundherum, nichts sonst.
Immerhin war es nicht nötig das kleine Zelt aufzubauen und so schlief er bald ein,
das letzte Brioche für den Morgen rettend..
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Nach ruhigem Schlaf blinzelte die Sonne durch die morschen Bretter,
verschiedene Vögel sangen ihr Lied, in der Ecke raschelte eine Katze
und rollte sich zusammen - sie hatte ihre "Nachschicht" hinter sich
und wohl genug Mäuse gefangen, so rund war ihr Bauch -
oder erwartete sie Junge?
Er rüstete sich zum Aufbruch, draußen war alles ganz still und friedlich-
als das Geräusch eines sich nähernden Traktors aufkam, der wohl irgendwo weiter
unten in dem langen, sanft abfallenden Tal sein Werk begann und die Erde pflügte.
Er kam an einer einsamen Bushaltestelle vorbei, dort auf dem übervollen Abfallkorb
lag ein sorgsam eingepacktes Frühstückbrot mit einer Banane !
Unglaublich, was die Kinder heute alles wegwerfen, wenn das die Mutti wüßte ..
Dieses -buchstäblich gefundene Fressen- war lecker, denn Pausenbrote mit dicker Nußkreme
bekam er bestimmt sonst niemals ab..
Ein seltsames Frühstück, das ging im im Kopf herum - das klebt ja richtig am Gaumen..
aber der Hunger trieb es hinunter.
Bald gelangte er einen Wanderpfad aufsteigend an ein Lokal im Wald, das wohl
von Ausflüglern recht gut besucht wird.
Alles war zu, vermutlich war die Stunde noch zu früh für den Wirt.
Vor der Tür standen Kisten und Kasten, die der Lieferant dort abgestellt hat.
Hier fand er reiche Beute - und nahm sich aber nur so viel, wie er benötigte, nicht mehr.
Kakau in Tüten - das gab es in seiner Heimat nicht, auch kein Sandwich und keinen Handkäse.
Seltsam ernähren sich die Leute in dieser Gegend, sehr seltsam - aber irgendwie doch schmackhaft.
Die Entnahme der Sachen machte er so unauffällig wie möglich,
indem er den Rucksack davor abgestellt
hat - die Kaputze über gezogen - die Sonnenbrille aufgesetzt -
heute sind überall kleine Überwachungskameras angebaut und deshalb dürfte die Fehlmenge
erst später auffallen sein, wenn er längst über alle Berge entschwunden..
Falls das Licht für die Kamera, die auch mit Nachtsichtmodus arbeitete, ausreichen sollte und
zudem die Schärfe, dann würde man einen etwas vermummten Mann mit Bart und mit Wanderkleidung sehen - mehr nicht.
Bei der nächsten Gelegenheit rasierte er sich und ging zur Vesper über.
Eigentlich ging sein langer Marsch immer gegen Westen, immer der Kompassnadel nach.
Durch die Umwege kam freilich keine gerade, nachvollziehbare Linie zustande,
eher ein Zickzack in die gleiche Himmelsrichtung,
weil manchmal ein Fluß im Wege war und die nächste Brücke angesteuert werden mußte.
Das Ziel war im selbst nicht bekannt, wichtig war ihm die Freiheit und nichts sonst.
Nicht lange und wieder sprachen die Menschen anders, wieder war ein Bach
zu überqueren, dann war eine stark frequentierte Straße im Weg.
An einem Bauernhof war eine kleine Bude mit Eiern darin und eine Kasse,
ohne daß ein Mensch zu sehen war- Eier!
Was für eine verlockende Versuchung - aber lieber Finger weg, es ist hell und
er wäre als Dieb zu erkennen, ja selbst als "Kunde" auffällig, weil sich Wanderer wohl kaum
für rohe Eier interessieren und dann wäre da noch der Fehlbetrag in der Kasse,
denn Geld hatte er immer noch keines - weder in dieser, noch in einer anderen Währung.
An einem Supermarkt sah er einen offenen Müllbehälter mit einer Kiste älteren Früchten -
mal was anderes und nicht zu verachten.
Ein paar faule Stellen werden mit dem Taschenmesser entfernt und das war es auch schon.
In seiner Heimat wäre das ein Schatz gewesen !
Mehrere Päckchen Wurst und einige Packungen Käse waren auch noch darunter-
fix einpacken und verduften!
Da ging auch schon die Tür auf und eine Verkäuferin tapste beladen mit einer ganzen Welle
Backwaren vom Vortag zum Container - er stand um die Hausecke und wartete.
Dann schloß diese Frau den Container wieder ab - Pech gehabt.
(Am Schloss zu manipulieren wäre ihm am hellen Tag zu riskant gewesen)
Die Beute war ja auch mehr als genug und in der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot !
So ging das über Monate, immer wieder fand er Beute, genug um überleben zu können und
dann näherte sich der Winter, unbarmherzig und kalt.
Er deponierte seine Ausrüstung in einem sicheren Waldversteck nahe der Kreisstadt,
in die er sich begab und nur mit leichter Kleidung angetan
ging er in ein Cafe und bestellte sich einen kräftigen Imbiß, den
er mit Andacht zu sich nahm.
Dann kam die Rechnung, die er nicht zahlen konnte.
Die Polizei wurde gerufen und so hat man ihn eingesperrt,
bald in einer geschlossenen Unterkunft eingebuchtet, weil keine Identität
festgestellt werden konnte und er kein Wort sagte.
Ohne Schuhe und mit Klamotten, die keine Rückschlüsse zuließen, wurde er vernommen.
Hin und her auf dem Instanzenweg, hin und her mit Übersetzern, die aber alle erfolglos blieben.
Man konnte schließlich niemanden abschieben, von dem nicht mal das Herkunftsland bekannt war.
Eine Freilassung war nicht möglich, ohne einen Identitätsnachweis.
Und ohne einen solchen
war eine Verurteilung sehr schwierig,
obwohl er nun "biometrisch erfaßt" worden war.
Die Kommissare und auch die Sozialbehörde waren ziemlich ratlos..
..und so ging Tag für Tag in der warmen Zelle vorbei, mit einem so guten Essen,
wie er es in seiner Heimat in den besten Zeiten nicht bekam.
Sogar mit Fernseher und eigenem Bett, frischer Bettwäsche und dann noch
mit frischen Klamotten ausgestattet, die ihm von der Kleiderkammer zugetan wurden.
Hier konnte er Sport treiben und sich fit halten bis zu seiner Entlassung -
mit welcher Begründung auch immer, würde er wieder auf die "Walz" gehen.
Dieses Wort hat er in den Verhandlungen gehört - sich aber nie und zu keiner Zeit
mit keinem einzigen Wort verraten.
Ab und zu untersuchte ihn ein Arzt, ob er nicht evtl. schwerhörig oder taubstumm sei,
aber ohne ein schlüssiges Ergebnis zu erreichen.
Auf diese Weise hat man ihn von Unterkunft zu Unterkunft geschoben,
bis ihm beim Transport die Flucht gelang -
es war inzwischen Frühjahr und die Luft war milde genug um zu wandern..
Er ging durch dunkle Gassen, an einer Kirche vorbei, wo ein Auto mit laufendem Motor stand-
er sah den Priester gerade ins Pfarrhaus eilen -
der Innenraum des Wagens war beleuchtet, weil die Tür nicht richtig geschlossen war-
so wechselten ein paar Scheine aus dem Portemonaie, das auf dem Sitz lag, den Besitzer.
Dann ging er zum Versteck, wo seine Ausrüstung lag.
Er hatte immer den Schlager im Ohr,
"Zu Fuß und ohne Geld,
Dominique..", der irgendwann mal im Radio gespielt wurde und ihn nicht mehr los ließ.
Ein wenig der Ruhe frönen und schon ging er weiter, in der Dämmerung und ungesehen, bis genug
Raum zwischen ihm und den -vermeindlichen- Häschern lag, die nicht einmal ahnten, daß sie nur
benutzt worden waren - als billiges Winterquartier.
Das mache ich nun immer so, sagte er zu sich, das war richtig prima, wie eine Kur,
sogar mit Schwimmbad und "eigenen" Ärzten!
Nun aber ist der Frühling da und schon bin ich wieder frei.
Er ließ sich in einem Salon die Haare schneiden und färben, den Bart abrasieren.
Das Geld des Pfarrers kam gerade recht.
Das reichte sogar für neue Wanderkleidung einfacherer Art und Schuhe.
Die bekannten Klamotten hat er in einem Kleiderkontainer entsorgten wollen,
es sich aber anders überlegt und diese in einem alten Feuerloch in einer Senke verbrannt.
Seine Freiheit war ihm immer wichtiger gewesen, als alles Geld und Titel,
Besitz und alle Tugenden, die man so haben muß, um als guter Bürger zu gelten.
Er hinterließ noch immer keine Fingerabdrücke bei seinen "Entnahmen",
wie er fortan seine kleinen Beutezüge nannte, obwohl er "erfasst" worden ist.
Was sollen die auch mit meinen Fingerabdrücken, die sind doch nirgendwo registriert -
oder etwa doch?
Mit den "Entnahmen" konnte man ihn nicht in Verbindung bringen, weil er keine Fingerabdrücke hinterlassen hat.
Evtl. damals beim Militär in seinem Heimatland?
Bei der Ergreifung und Erfassung hat man keine genetischen Proben oder Blut entnommen,
weil das gerade dort passieren sollte, wo er auf dem Transport ausgebüchst war.
Inzwischen waren die Behörden nicht faul und forschten alle Register nach diesen Fingerabdrücken ab,
die der Probant in seiner -namenlosen- Akte hinterlassen mußte.
Wie das so ist mit der Kommunikation unter den Behörden, ganz besonders mit denen in fremden Ländern,
kann man sich gut vorstellen.
Bis von dort eine Antwort kommen würde, konnte das lange, lange Zeit dauern,
das war allen Beteiligten klar, die über diesen Fall rätselten.
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