|
Kartuschen - Thema: Kritiken
Den "Beruf" des Kritikers kennt man, aber was ist der Unterschied -bei Laien-, wenn am Frühstückstisch die Bemerkung fällt:
"Gegen die neuen Brötchen kann man nichts sagen"?
Das ist typisch deutsch, der Franzose würde "Bon" oder "tres bon" sagen, also ein Lob geben. Ob das deutsche Verhalten evtl. auch ein Lob ist oder sein könnte, ist jedem selbst einzuschätzen- ich sage, es ist ein Lob und kein Tadel, nur eine Feststellung der Tauglichkeit des Gebäcks.
Diese verbalen Randbemerkungen sind wie das erste Zeugenis in der Grundschule, das schriftliche Beurteilungen enthält, keine Zahlen als Schulnoten. Man kann praktisch alles hinein und wieder heraus lesen - je nach Einstellung.
Immer wieder höre ich von "postitiver Kritik", wobei Kritik klar und eindeutig eine mehr oder weniger harte Beurteilung, niemals ein Lob sein kann. Überhaupt ist man in Deutschland mit einem Lob sehr sehr zurückhaltend, was ich sehr schade finde.
Deshalb ist es mein Bestreben zu loben, gerade dort, wo man viel zu selbstverständlich des Anderen Leistung in Anspruch nimmt und jener sein Werk gut tat. (Wie das praktisch überall und immer der Fall ist)
Die neuen Brötchen sind von einem anderen Hersteller gewesen und ich hatte mich dabei erwischt "Gegen die neuen Brötchen kann man nichts sagen" zu meiner Frau zu bemerken, die mir gegenüber saß.
Ihre Antwort war ein undeutliches "mhpf".. dann mit einiger Verzögerung ein einfaches "ja".
Dazu fällt mir noch mehr ein: Ein Personalchef sagte einmal zu dem Mitarbeiter, dem sein Zeugnis nicht gefiel: "Ich gebe niemals ein Sehr gut, das wäre nicht richtig, weil keine Steigerung mehr sein kann - ich hatte auch nie mehr als ein Gut!" Da schlägt man doch gleich lang hin - oder? Aber es geht noch besser zu, in diesem unserem Land. Keiner der neuen Studierten hält Lob und Kritik auseinander, wie man nicht mehr zu wissen scheint oder wissen will, daß jemand das andere Geschlecht in der Anrede zuerst nennt, aus reiner Höflichkeit. So hält auch niemand mehr die Tür auf- weder der Herr der Dame, noch die Bediensten dem Kunden und wenn dieser noch so schwer beladen ist. Man wird sich auch diesen Ruf "Maaaaahlzeit" abtrainieren müssen, nach dem immer ein zigfaches Echo - meist mit vollem Munde - folgte. Wenn die Servierkraft fragt "hat es ihnen geschmeckt?", erwartet sie nur ein Kopfnicken oder Trinkgeld (das gibt es wohl immer noch), nie wird sie die moderne Art der Kunden (früher Gast genannt, obwohl dieser zahlen mußte) mögen, die auf folgende Art antworten können: (Das habe ich einmal gemacht, das muß ich gestehen) "Die Brokkolikremsuppe sah gut aus, die Farce oder der Fond aus Hühnersud paßte in keinster Weise dazu, die den Grundstock gebildet haben muß. Der Koch hat wohl nicht abgeschmeckt, sondern entsorgt." Dann passierte erst einmal nichts, wir warteten und warteten - dann kam das Rindergulasch und das war das Beste, das wir in der Gastronomie bisher hatten. In dieser Wartezeit wurden wir von zwei jungen Männern mit Kochschürzen von der Straße aus beobachtet.. Szenenwechsel: Ich kaufe das Fleisch ein und erlebe somit oft genug, wie -besonders ältere Frauen sind so- der Fachverkäuferin gesagt wird: "Ich bekomme" von diesem oder jenem so und so viel. Keinen "Guten Tag" oder ein kurzes, freundliches "Hallo". Geht man durch die Stadt, kann man froh sein, nicht weggerempelt zu werden, wenn der Gang mit den Einkaufstaschen durch die wild parkenden Wagen und Reklamereitern oder Sitzgruppen geht, die den ganzen Bürgersteig besetzen. Höflichkeit ist wohl früher mal gewesen, heute muß das nicht mehr sein, wie mir scheint. Das Rindergulasch wurde übrigens gebührend gelobt und auch mit Trinkgeld bedacht - Ehrensache.
PS: Heute gab der Sohn ein Omlette, das mit Tücken gar wurde - es war aber gut gelungen. Ich sagte dazu: Ja, das schmeckt, aber hätte es etwas länger gegart, dann.. d.h. man muß sich zuweilen an die eigene Nase packen!
| |
| |