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Wirklich nur fiktiv?!
Der Tag bläute schon, als der Hausherr sich zum Badezimmer wälzte, die Gattin schlief in ihrem Gemache, "gemach" sagte er sich,
ein wenig Zeit wird es schon haben, der Chauffeur kann ja warten.
Ein wenig Toast ist noch im Schrank - die Hauswirtschafterin hat schon wieder keine frischen Brötchen besorgt!
Ein Frühstück mit Ei kann ich mir ja auch ins Büro kommen lassen - also was soll's?
Er gab sich nicht mal die Mühe die Rolläden zu betätigen, ab in die Schuhe, das Jackett anziehen, den Binder kann man ja
im Fond des Dienstwagens binden oder von der Sektretärin binden lassen ;)
Die Aktentasche - herrje, wo ist die gleich?
Rumms, schwer schließt sich die schwere Eichentür des Dienstbungalows - welcher halb im Wald versteckt liegt -
mit toller Aussicht auf die Hügellandschaft versteht sich..
Auf der 150 mtr langen Auffahrt,
vorbei am Hausmeister-Häuschen ist schon
die Limousine zu sehen, die ein besonderes Kennzeichen am Nummernschild trägt.
Steingrau und richtig eindrucksvoll kommt der mächtige Wagen mit dem alten kleinen Mann hinter dem Lenkrad
eingeschwebt - eilfertig öffnet dieser dann den Schlag und der "Herr Doktor" steigt in den Fond ein und beginnt nach einem geknurrten "Morgen"
seine bereitgelegte Lektüre zu studieren..
Er war schon in einigen Stellen "berufen" gewesen, die jetzige Berufung ließ keinen Zweifel offen:
Er war kompetent und wichtig.
Immer korrekt gekleidet und diplomatisch in allen Antworten - egal wie lange diese Antwort dauern wird - er würde sich niemals eine Blöße geben, wie man das so oft bei Leuten
im Wahlkampf erleben kann!
Mit Erstaunen las er in der Gazette, daß die kleinen Leute ihre Fahrten zur Arbeit von der Steuer absetzen können - "warum das denn, das gab
es doch früher auch nicht!"
Daß er weder für die Villa noch für die beiden Wagen daheim noch für die Fahren mit dem Dienstwagen mit Fahrer etwas zahlt, geht ihm nicht auf.
Unterwegs kommt noch ein Anruf von seinem Freund, dem Steueranwalt, der mit dem Vorsitzenden einer großen Investmentbank und ihm eine Fortsetzung
des letzten Golfspiels anberaumt hat..
Kontakte muß man pflegen, das war eine seiner Lieblingssprüche und "Leistung muß sich wieder lohnen".
Herrmann, halten sie bitte, ich muß mir die Füße vertreten - wo war gleich dieser schöne Rasthof?
Eine Stunde vor dem Mittagessen kam er im Büro an und wurde mit dem üblichen Zeremonell begrüßt:
Herr Doktor! Hier ist die Liste der Audienzen, ganz wichtig ist die Sache mit Zaire..
Der Kaffee stand schon bereit, wie immer stakste die Sektretärin in hochgeschlitztem Rock herein und wünschte einen guten Morgen, obwohl schon bald Mittagszeit ist.
Ein paar kurze Diktate, das muß sein, auch wenn die wichtigen Dinge über das Diktiergerät gemacht werden - sie hat immer so ein nettes Kostüm an..
.. und sie zeigt gerne Bein.
Die Holztäfelungen im Büro glänzen dezent, die aufwändige Telefonanlage war nur für die Besucher wichtig anzusehen, was durch
die Anordnung der wertvollen Sitzmöbel unterstrichen wurde. Die Aussicht war phänomenal, hier im oberen Stockwerk des Hochhauses sah man
nur auf den Wald - die andere Seite des Hauses war für die Newbie's - er mochte die Stadt nicht leiden und deren Anblick nicht ertragen.
Eine Stunde ist schnell um, nun nahm er Kurs auf den Lift, der eigens nur in seinem Büro hielt - und ließ sich zum Lokal fahren,
wo er gewöhnlich seinen Mittagstisch einzunehmen pflegt.
(Selbstverständlich nicht auf seine Kosten; Spesen.)
Er nahm -bescheiden wie er nun mal ist- das Tagesmenue, das schon gehoben genug war, jedoch nicht allzulange Zeit in Anspruch nahm.
Solche Leute bekommen kein zerrissenes Fleischstück oder Sparteller..
Schon nach etwas über einer Stunde war er damit fertig - in der Arbeitszeit versteht sich - und ließ sich vom Fahrer wieder abholen.
"Fahren sie zur diplomatischen Vertretung Zaire's - aber bitte eilig, wir haben keine Zeit!"
Die schweren Eisentore hoben sich nach einem kurzen Telefonat mit einer geheimen TF Nummer, die fette Limousine kurvte umständlich hinein.
An der Tür stand ein Wachmann und der andere Diplomat, mit dem er sich treffen wollte.
Schweigend gingen beide in das streng bewachte Gebäude und ins Amtszimmer.
Dort stand schon das Schachbrett bereit und der Diener brachte den edlen Cognac in feinsten Gläsern, handverlesene Pralinen und frisches
Gebäck.
Ich weiß ja nicht, aber manchmal kommt es mir vor, als wäre der Armagnac von neulich noch eine Spur eleganter gewesen?
Ja, das kann sein, ich bin gerade an einem der sehr alten Napoleon dran, die kosten aber 15.000 Euro und mehr,
wenn sie 25 Jahre alt sind- das kann ich mir nicht leisten,
meinte der Diplomat trocken, nicht für mich selbst..
.. na ja, in der Not frißt der Teufel Fliegen!
Nachdem der Rokoko-Stuhl gerückt worden ist, begann die Partie, die schon Wochen lief.
Zwischendrin wurde verhandelt und ausgeknobelt, was die Auftraggeber im Sinne hatten.
Diesmal stenographierte eine hochhackige schwarze Sekretärin die Anordnungen mit..
.. freilich ebenso mit tiefen Einblicken bis zum Bauchnabel und zurück, beim Gehen sah man das Steißbein im raffinierten Ausschnitt ..
Ein paar Millionen machen die Leute in seinem Bürohochhaus mit der Aussicht auf die Stadt an Umsatz, seine Position befaßte sich nur mit Milliarden-Aufträgen.
Die Stunde verging, dann besah man sich die dort aufgebaute Miniatur-Eisenbahn und spielte noch ein wenig damit herum - dann
schaute der Doktor auf die Uhr und murmelte: Mein Gott, so spät! Ich muß noch so viel tun! Der Abschied war freundschaftlich,
wie bei einem Verwandtenbesuch -und schon ging die Fahrt wieder .. nach Hause zur Dienstvilla.
Die Gattin war- wie üblich- zum Reiten, danach war sie immer so seltsam ausgeglichen.
Er ging deshalb nochmal in die Sauna im Keller, schwamm eine Runde im riesigen Pool des Anwesens, tollte mit seinen beiden Doggen herum,
schalt den Gärnter, weil schon wieder Blätter auf der Terrasse waren..
Die leidige "Jetlag" Sache hat er vor Jahren schon wegdeligiert - wer was von ihm will, dachte er sich,
der möge zu ihm kommen - und so ist der Doktor nur zu ganz besonderen Anlässen dienstlich verreist.
Wie er so im Solarium bei klassischer Musik aus der speziellen Klangdusche lauschte,
kam ihm der Gedanke:
Ich muß unbedingt B undespräsident werden, denn nur in diesem Amte kann man irgendwas bewirken.
Dabei muß er wohl eingenickt sein, als im Traume die Vision kam:
Er wurde von allen wichtigen Leuten zum Präsidenten auserkoren und auch gewählt, weil sein Name unbefleckt und
doch bekannt genug geworden ist, in all den Jahren seiner wichtigen Mission.
Im Traume also sah er sich das Wahlrecht nach der Höhe der Steuerabgaben ändern,
er sah wie sich das ganze Parlament umbaute in Computerplätze, wo die Stimmabgabe geheim und blockfrei
verlief:
Fehlte ein Abgeordneter, gab es für diesen Tag eben keine ..Diät. Sein Kampf pro 8 Stunden Tag für alle
hielt überall Einzug,- wer in dieser Zeit sein Tagewerk nicht geschafft hat, ist sowieso untauglich. Mit dieser
Meinung stand er nicht allein und bekam viel Zustimmung aus allen Reihen, außer den Gewerkschaften.
Die Einheitsrente kam durch ihn in Gang, die höhere Steuer finanziert die Krankenversicherung, welche staatlich
aufgebaut allen zur Verfügung stand. Sämtliche Staatsbediensteten bekamen eine Apanagen-Deckelung in Höhe des
Ingenieurs-Gehaltes bei zeitgleichem striken Verbot jedweder Nebentätigkeit oder honorierter Beisitzerei.
Die Vögel in der Voiliere flatterten aufgeregt und rissen den Doktor aus seinem Traum..
Hubert! Wer ist da am Tor?
Der Butler meldete sich sofort zur Stelle, mit dem üblichen Nachmittagspharisäer und einem dicken Schoko-Plätzchen,
wie fast an jedem Tag, den er teilweise zuhause verbrachte.
Geklingelt hat niemand, so der treue Helfer, keiner ist an der Tür.. aber im Wohnzimmer wird in den Schränken
gewühlt - die Anlage hat schon zur Polizei geklingelt..
Schon wieder! Das wird langsam lästig. Er dachte, daß, sollte er seinen Traum fortsetzen können, die Grenzen
endlich wieder bewacht und strenge Kontrollen überall auf den Straßen eingeführt werden sollten.
Die privaten Gefängnisse könnte man sich dann bald sparen und die Justiz käme wieder nach mit ihren Prozessen.
Handschellen klickten, kurze Diskussion des Butlers mit den Polizeibeamten und schon war wieder Ruhe im Salon.
Zum Schlafe kam der Doktor jedoch nicht mehr - er ließ sich zum Presseball fahren und zuvor nochmal kurz
beim Schneider und Friseur anhalten.
Nach dieser Neueinkleidung (dienstlich versteht sich) und nach dem Friseur, mit dem er ab und an über Politik
plaudert, sah er ab von seinem Vorhaben und schaute, statt zum Presseball zu fahren, nochmal kurz im Büro vorbei.
Herr Doktor! Sie sind so spät noch nie hier gewesen! Die Sekretärin der 2. Schicht war sprachlos und hofierte
gerne mit einer Verbeugung und wollte auch sofort Kaffee holen.. nee, lassen sie nur, mein Herz, ich habe
das arme Herz heute schon viel zu sehr belastet, nun muß mal Ruhe sein. Bitte nicht stören, ich habe zu tun..
Die schalldichte Tür ging zu, die Telefonanlage war sowieso nur ein blinkender Fake - die würde nicht stören.
Zwei Monteure stellten eine Metallstange im Büro auf und gingen wieder.
Dann ging die Nebentür auf und eine sehr leicht bekleidete Hostess servierte Sushi-Happen, "tanzte" anschließend nackt an der Stange..
Diese Überstunden sind der schiere Wahnsinn - nach dem Sushi zog die Dame wieder ab und eine kleine Delegation
von Waffenherstellern kam, zusammen mit dem Getränke-Service.
Anschließend war er so müde, daß das bequeme Sofa im Hinterzimmer die richtige Wahl war.
Am anderen Tag flog er zu Bert K. seinem Freund in Monaco, der dort eine große Motorjacht liegen hatte -
ein kurzer Trip zum Hochsee-Angeln tut nun gut und zwischendrin noch ein Gespräch zu dem Waffendeal, der
selbstverständlich mit ausdrücklicher Regierungsgenehmigung lief- alles zertifiziert und nicht für Krisenregionen
bestimmt.. ein kleiner Umweg über Tanger, na ja.
Der Aktenordner war schnell übergeben, eine kurze Gesprächsnotiz auf das Notebook und fertig ist der Vertrag.
Das Leben war doch ganz schön, ganz schön anstrengend. Nein, er will doch lieber keine Klimmzüge tun, um
von den "Prominenten" gewählt zu werden..
Noblesse obligue, wer auffallen will, der hat es nötig - ich nicht !
Ein entspannter Flug mit dem Privatjet des Auftraggebers ist schon fein,
eine nette Geste, die durch Gewogenheit zur rechten Zeit belohnt wird.
Diesmal war die Hostess angezogen..
Als das Flugzeug über Innsbruck flog, meinte der Doktor:
Versuchen sie dort eine Landeerlaubnis zu erhalten, ich bin schon sehr lange nicht mehr
dort gewesen, wo mir das goldne Dachl doch so fehlt und das feine Cafe dort - bestellen sie auch gleich das
Taxi dazu.. und eh' ich es vergesse: Man soll mir ein Collier der neuesten Kreation für meine Frau zur Auswahl vorlegen - und
einen Strauß mit 50 roten Rosen, sie hat heute Geburtstag. In einer Stunde starten wir dann wieder - ich
habe keine Zeit zu verlieren !
Auf dem Heimflug unterhielt er sich leutseelig und auch ein wenig wegen des genossenen Marillenlikörs -
mit dem Piloten: "Wissen sie was ich nicht verstehe? Daß es Leute gibt, die sich darüber beschweren bis
zum 67. Lebensjahr arbeiten zu müssen - mir macht das nichts aus, ich könnte das bis 90 machen!"
Der Pilot brummte etwas unverständliches und zeigte dabei auf den Kompass - wohl aus Verlegenheit.
Der Doktor fuhr fort: Ich hätte früher leben sollen, da gab es den guten alten Titel "Geheimrat" noch..
da wurde die Maschine etwas durchgeschüttelt, vermutlich hat sich bei diesem Satz ein Triebwerk verschluckt.
Selbst wenn der Doktor und sein Luftkutscher abgestürzt wären;
diese Leute wachsen nach, da ist mir nicht bange!
*** Wichtige Leute werden berufen, unwichtige Personen müssen sich bewerben ***
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