Kartuschen - Thema: Karls Ruhebank 3. Teil
So verging die Woche mit kleinen Alltäglichkeiten,
Karl wusch immer das Geschirr ab, trug die Wäsche auf den Trockenspeicher,
klopfte die Teppiche aus, kehrte die Treppe, trug Medikamente aus -
bis eben wieder der Sonntag und sein Spaziergang an der Reihe war.
Diesmal, so schwor er sich, kaufe ich auf dem Rückweg
eines dieser nett ausschauenden kleinen Pralinen-Tütchen für Klara,
die in der Auslage des Konditors liegen.
Wieder kam er am Kiosk vorbei und nahm seine zwei Sachen,
hörte ein "einssechzig" - zahlte, grüßte und ging.
Heute ist die Luft irgendwie reiner, dachte er sich,
als ein Bauer am Feldrand lautstark mit einem Monteur zankte:
"Schon wieder kaputt, dieses verflixte Ding, hätte ich meinen Gaul nur behalten!"
Aha, dachte Karl, der kleine Trecker will nicht mehr..
..rot steht er da, glänzt wie eine Speckwarte und gehorcht dennoch nicht.
Er ging schmunzelnd weiter, stellte sich im Geiste den Gaul vor, wie er vor dem Pfluge oder Egge gegangen sein mußte.
Er kam in das Wäldchen, hörte keinen Kuckuck rufen, sah kein
Reh, dafür krachte ein Baum um.
Die Waldarbeiter waren dabei dieses landschaftliche Kleinod
dem Erdboden gleich zu machen.
Stapelweise lagen Stämme herum, der Weg war vermatscht und unpassierbar geworden.
Spontan entschloß sich Karl einen Feldweg rund um das Wäldchen zu nehmen, um dann wieder auf seinen gewohnten Weg zu finden.
Dabei kam er an einer Feldscheune vorbei, die in einer Wiesensenke zwischen Wildhecken stand.
Das ist aber spannend, dacht er bei sich, ich schaue mal hinein,
denn in diesen alten Scheunen steht immer seltsames altes Gerät herum,
vielleicht kann ich das ja zuordnen, wozu das dienlich gewesen sein könnte.
Ein fast ganz zugewachsener Trampelpfad mit Schwarzdorn und Brombeeren forderte seine ganze Aufmerksamkeit, um sich nicht den Rock zu zerreißen.
Klara würde schon schimpfen, wenn er mit Rissen in der Kleidung..
der Gedanke unterbrach jäh, als er durch das zerfallene Tor ins Innere der Scheune blickte:
Altes Gerät hing an der Wand, ein Stuhl mit dreieinhalb Beinen stand davor, ein Brett, was wohl als Tisch diente und ein Strohlager, das aussah, als habe gerade einer darin geschlafen.
Eine rauchige alte Stimme rief aus dem Halbdunkel:
"Hau ab oder ich schlag dich tot!"
Ein Landstreicher hatte Angst bekommen und drohte mit einem alten langen Stiel.
"Beruhigen sie sich" meinte Karl ganz ruhig,
ich bin alleine und hege keine bösen Absichten, bin eben nur neugierig und wollte mal sehen, was an altem Kram hier in der Scheune verblieben sein mochte..
Der Landstreicher ließ den Stiel ab und murmelte einen Fluch.
Er trug seltsame riesige, uralte Schuhe - fast wie ein Feldschuh sahen sie aus.
Das hilflose Gehen des Mannes ließ den Schluß zu, daß es nicht seine waren.
Wo haben sie die Schuhe her, wenn ich fragen darf?
Die standen hinten in der Ecke, die sind wohl einmal vergessen worden und da meine kaputt sind, dachte ich - die nehme ich mir.
Leider taugen sie nicht für mich, denn da sind seltsame Einlagen fest eingebaut, die man nicht heraus bekommt.
Ich ziehe meine alten Schuhe wieder an.
Karl schwatzte dem Landstreicher die Feldschuhe für ein paar Münzen ab, sah sich nochmal um und ging.
Die Feldschuhe trug er nach Hause, statt seinen Spaziergang fortzusetzen.
Daheim erzählte er Klara die ganze Geschichte und sie sinnierte dabei wie eine bekannte Detektivin:
Nun wäre es interessant, die Sohle mit dem Gipsabdruck im Heimatmuseum zu vergleichen..
Zuvor las er die Sonntagsgeschichte der Zeitung weiter,
trank gedankenversunken an seinem Schnaps aus der Tasche.
Seine Frau leerte den Rest ohne zu fragen.
Oha, das ist also der Grund für deine langen Spaziergänge jeden Sonntag?
Ach was, den Wacholder könnte ich auch hier trinken, das ist es ganz sicher nicht.
Ab und an muß ich nachdenken, ganz alleine, sonst wird der Heimatroman nie etwas.
Sie fuhren am nächsten Tag in dieses Museum, gaben dem Mann an der Kasse
die Feldschuhe und ein Blatt, auf dem Karl die Geschichte mit dem Landstreicher notiert hatte.
Dieser rief nach seiner Frau, die ihn an der Kasse vertreten sollte,
ging mit Karl und Klara zu dem Schaukasten mit dem Gipsabdruck,
öffnete diesen und schob das Gipsstück unter einen der Absätze.
Beim rechten Schuh wurden sie fündig: Paßt !
Der Mann schickte zum Chronisten, dieser kam mit eilig übergezogenen Klamotten und staunte.
200 Jahre nach der Tat eine Aufklärung des Totschlags an dem Pfarrer, kaum zu glauben!
Es gab eine Einladung zur gemeinsamen Durchsuchung der alten Scheune,
einige ehrenamtliche Mitarbeiter des Heimatmuseums wühlten alles durch und katalogisierten die Funde.
Das geraubte Geld aber war nicht dabei, nur alter Kram,
der hier als abgenutzt gelandet sein muß.
Einer der Männer meinte:
Dort wo angeblich damals die "schnappisch Grit" zu den Verwandten gezogen sein soll, steht heute ein großer Laden,
kein Bauernhof mehr.
Die Feldschuhe wurden sorgsam zu dem Gipsabdruck in die Vitrine gestellt, Karls Erzählung daneben.
Die Mörderin wird man nicht mehr belangen können,
auch die Verwandten nicht, sollten diese etwas davon gewußt haben.
Das ist schon so lange her und das Geld ist längst weg -
ich brauche einen Kaffee, meinte Klara.
Wieder daheim angekommen, machten sich nun beide an die Zeitungslektüre, tauchten den Reihenweck in die Kaffeetasse und verschlangen die Fortsetzung der Chronik.
Weiter zum Teil 4 der Geschichte "Karls Ruhebank.
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