Kartuschen - Thema: Lebensfreuden
Mit diesen "Lebensfreuden" ist es ein schleichender Prozess, der ins "aus" führen kann, wenn man nicht aufpaßt.
Von der Erwartungshaltung der Eltern bis zur -meist materiellen- eigenen Erwartungshaltung und der dann bald folgenden Liebschaft,
an die man bestimmte Erwartungen hat, auf der beruflichen Hühnerleiter, die meisten kurz aber beschissen erscheint bis ins Rentenalter
sind viele kleine Selbsttäuschungen eingebaut.
So wie ein vergessener Tannenbaum am Straßenrand im Januar, so ging auch die Tanzstunde vorbei, die Ausbildung(en),
der berufliche Werdegang.
Die Zeit mit den Kindern verging schnell, die lange Zeit des Alters, das zum Glück noch gemeinsam ist, läßt so manches Ding
rekapitulieren, wie man so schön in gebildeten Kreisen zu sagen pflegt.
So manche Erkenntnis kommt erst spät, wie auch die verbale Schlagfertigkeit.
Die Lebensfreuden jedoch kann ich leicht auf einen Punkt bringen:
Es waren eigentlich nicht die Urkunden, Ernennungen - sondern mehr die kleinen Sachen, das kleine Transistorradio zur Konfirmation,
das erste eigene Fahrrad, die Stunden auf der Schaukel und die mit dem Brennglas, das Spiel mit Magneten, Trafo und Eisenbahn.
Lebenserfahrung wäre eher das Wort für die schulische Zeit, die äußerst schleppend war, Lebensfreuden sind etwas anderes gewesen,
etwas ganz natürliches, einfaches, aber fundamentales Ding, das dauerhaft im Oberstübchen blieb.
Was geformt hat, war nicht der Katechismus, nicht die gebildeten Leute, sondern die Nähe zur Natur, die mir eigentlich immer blieb-
selbst in Zeiten, als dieser Kontakt durch die technische Art der Arbeit und die vielen Stunden im Auto recht abstrakt wurde.
Kaum war ich außerhalb der Metropole im Wald, auf halber Stecke nach Hause in den Hintertaunus war mir wohler.
Die kürzere Zeit, in der ich in Frankfurt wohnte, war grausam, die Stadt empfand ich als Outpost, als einen Strafvollzug, der auch
noch freiwillig angetreten worden war !
Stumpfe Menschen, triste Häuser, triste Stimmung, tristes Leben, das Wohnen- wie im Hühnerstall so eng war auch das Gewerk geregelt.
Wie oft sucht man im Leben nach dem, was Freude macht und so war auch ich gefangen vom der Sehnsucht nach mehr Geld, mit dem man sich
alle Wünsche erfüllen könnte- hätte man es denn endlich in Händen ! Kaum in Händen, war es auch schon wieder weg..
Die Lebensfreude war eindeutig eher beim Beobachten der eigenen Kinder zu sehen, wie sie sich am liebsten mit Sand, Erde und Wasser
vergnügten - statt mit teurem Spielzeug, das gehäuft im Kinderzimmer war.
Die ganze Fadenscheinigkeit eines "Aufstiegs" wurde mir recht früh bewußt, wir bekamen die Kinder zeitig in unserem Leben.
Ohne Geld geht es nicht, aber Geld kann man nicht zur Verwirklichung von Lebensfreude verwenden, wenn man vom kurzen Strohfeuer des
Erwerbs von Konsumgütern bis zur Selbstverständlichkeit des Besitzes und zu dessen baldigen schalen Geschmack den "nachhaltigen" Wert der Dinge betrachtet.
Als man das neue Auto abholte und vor dem Haus parkte, kam das Gefühl von Besitzerstolz und Freude auf, die schon fast verstohlen kam,- als hätte man es irgendwo erbeutet und nicht hart verdient.. einige Jahre wurden daran abgezahlt, hauptsächlich um damit zur Arbeit zu fahren, weil die Anbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sehr schlecht waren..
Objektiv beleuchtet ist Zufriedenheit der Schlüssel zur Lebensfreude, "Glück" ist, wenn man diese Erkenntnis nicht nur gewonnen,
sondern tatsächlich konkret umzusetzen bereit war - was ein schwieriger Schritt gegen alles ist, was uns rundherum umgibt !
Wer erst einmal innerlich frei geworden ist, kann über das Gehacke und Gezänke und Gerenne nur noch lachen:
Es kann ein armer Mensch, der gerade das Nötigste hat, mehr an Lebensfreude haben, wenn er im Park die bunt fallenden Blätter
beobachtet und den Vögeln zuschaut, die Menschen beobachtet - als jener Bankmensch im Maß-Anzug, der wie ein aufgescheuchtes Huhn in "Zeitnot"
herum rennt und noch schnell "dies und das" zu erledigen..
Lebensfreuden ergeben sich auch zufällig, wenn man unterwegs mit irgendwelchen wildfremden Leuten am Zaun ins Gespräch kommt und
viele Gemeinsamkeiten oder ähnlich gelagerte Erlebnisse tratscht - ohne Eile, mit Aufmerksamkeit zuhören lernen ist ein weiterer Punkt anderen
Leuten Kraft und Trost geben zu können: Wie oft erleben wir bei unseren Wanderungen, daß beide Seiten gestärkt und bestätigt aus
solchen Unterhaltungen hervor gehen !
Lebensfreude ist, wenn man Kindern und Hunden zusieht, wenn sich jemand freut, daß er oder sie gegrüßt wurde - viele Menschen nehmen
ihre Mitmenschen kaum mehr wahr!
(Was besonders in Lebensmittelgeschäften zu erleben ist, aber auch sonstwo, wenn niemand mehr hilfsbereit ist und lieber wegschaut)
Was ich mit Sicherheit sagen kann ist, daß ich es nie "zu etwas gebracht" habe, lege ich die Elle der wichtigen Leute an.
Was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, daß es mir nie langweilig war, mir nie die Lebensfreude gefehlt hat.
Deshalb versuche ich diesen Grund-Optimismus zu Papier zu bringen -vielleicht hilft es ja dem einen oder der anderen LeserIn..
Was ist der Mensch, wenn er am Ende steht?
Ist er die Summe seines Vermögens?
Ist er die Summe seiner Erfahrungen, die durch Alzheimer in Gefahr geraten können, wie Geld im Tresor oder schlimmer noch, in der Zeit einer Inflation?
(Das trifft Bettler, Angestellte, Sänger und Professoren gleichermaßen, die Lebenskünstler und Naturfreude werden es eher ahnen als die
wichtigen Leute mit ihrer dann vollkommen nutzlosen Bildung, die sich in dieser Art als Zeitverschwendung zeigte: Time out, Game over!)
Ich finde, der Mensch ist die Erinnerung bei anderen Menschen, die ein hoffentlich überwiegend freundliches Erinnern ist oder sein wird!
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