Was gibt es hier zu sehen?
Folge X Altenhof
Schritt für Schritt gingen die Beiden den Weg "retro"
und kauften kaum noch Fleisch und gar keine Wurst mehr ein,
keinen Käse u.s.w. nur noch die nötigsten Dinge,
die man nicht selbst herstellen kann.
Z.B. Speck oder Dörrfleisch, ein wenig Schinken.
Dieses Retro soll sich
auf keine bestimmte geschichtliche Epoche beziehen,
sondern praktisch umsetzbar bleiben - wozu die gesunde Ernährung
gehört
und so viel wie denkbar in Eigenleistung machen kann.
Eine Religion sollte dieses Leben niemals werden,
sondern ein wenig mehr "Bauchgefühl" als bei anderen Leuten.
So zum Beispiel wäre das Anbauen von Zuckerrüben und das auskochen von Zuckerkristallen
eine wirklich sinnlose
und ökologisch bedenkliche Sache,
weil einfach viel zu viel Holz zum Kochen benötigt werden würde.
Der Grad zwischen Genuß und Wahnsinn darf eben nie überschritten werden,
da waren sich beide einig.
Sie hockten gemeinsam auf der Bank vor dem Altenhof und lasen oder strickten -
ab und an schauten sie in die Ferne
und freuten sich über ihr Glück.
Selbst in der Gemeindeverwaltung wußte kaum einer wo die Beiden wohnten.
Heute
interessiert das sowieso niemanden mehr.
Alles wird anonymer, jeden Tag ein Stückchen mehr.
Benni las noch einen Artikel aus dem Boulevard-Blatt laut vor,
das Anna aus dem Papierkorb der Gemeinde
gefischt hatte -
schlicht weil die Überschrift zu verlockend war:
"Bildungsreform von der EU beschlossen, es wird sich alles ändern!"
Was wird sich wohl ändern, meinte sie leise, als ich den Artikel lesen wollte,
war nach 3 Zeilen Schluß:
Lesen sie auf Seite 12 weiter.. und was war? Nun auf Seite 12 kamen nochmal 4 Zeilen,
die ziemlich nichtssagend
waren, nur die Paragraphen wurden genannt.
Ja, sagte Benni, - hier auf der 2. Seite ist eine Kolumne eingefügt,
die sich mit dieser Bildungsreform befasst,
die hast du übersehen.
Hier steht:
"Nach dem Beschluß von .. blah, blah, blah, Paragraph Nr blah blah bah,
mit der Neufassung und Anhang
für den Anhang blah blah blah,
hat man beschlossen, nunmehr verpflichtend ab dem Jahr 2025 die englische Sprache
als allgemeine Amtssprache der Europäischen Union einzuführen.
Auch die Unterrichte ab der 1. Klasse werden
in English gehalten,
Deutsch oder andere Sprachen der Mitgliedsländer werden als 2. Sprache verpflichtend.
Alle weiteren Sprachen, alte Sprachen, wie Latein oder Altgriechisch
werden als Leistungsfächer geführt.
Die Schulabschlüsse werden sich nicht ändern,
die alten Bezeichnungen werden bis auf Weiteres bleiben.
Niemand muß Angst haben, daß sein Kind dieser Herausforderung nicht gewachsen ist,
die Schulen sind gehalten,
bereits in Bälde mit der sanften Hinführung zu beginnen.."
Oh, dann wird auch die ganze Bürokratie und die Gemeindeverwaltung auf English getrimmt!
Ja, Anna, so wird das wohl werden - etwas Englisch hatten wir ja beide in der Schule
und holprig
ist immer noch besser, als nichts verstehen - oder?
Hier steht noch ein Nachsatz:
"Alle behördlichen Schreiben und Gesetze werden mit deutschen,
franz. portugiesischen etc etc. Untertiteln
in der gesamten Union betextet,
in jedem Mitgliedsland in der jeweiligen Landessprache untertitelt."
Na, dann hätten wir ja nochmal Glück gehabt, meinte Anna,
sonst wäre es wie bei den dicken Gebrauchsanweisungen
geworden,
die in zig Sprachen geschrieben sind und wo nur eine einzige Seite in Deutsch ist -
obwohl das Produkt angeblich
aus unserem Land stammt..
Gut, "Gebrauchsanweisungen" haben wir hier nicht nötig,
unsere Geräte sind wohl leicht genug zu bedienen -
beide lachten herzhaft.
Die armen Kinder, hoffentlich können die Eltern diese Sprache,
sonst wird eine teure
Nachhilfe nötig.
Z.Zt. können selbst Abiturienten so schlecht Englisch,
daß sie sich besser nach einem Praktikum
in England umschauen,
damit die Phonetik besser klappt.
Die Lehrer sind auch nicht zu beneiden, wenn die Kids
mit Plattdeutsch ankommen
und zu Hochdeutsch noch eine Fremdsprache lernen müssen!
Mir kommt dabei die Frage
in den Sinn,
ob das Volk dabei nicht irgendwie kastriert worden ist, mit diesem Gesetz?
Hier oben auf der Alm, auf dem Altenhof ist Stille,
wirf das Blatt nicht weg, meinte Anna, damit
kann ich den Herd anfeuern..
"So erklärt Boris Lilly seine Liebe"
Die anglizistischen Vereinfachungen sind es, die mich von manchen Buchwerken abhalten-
mag sein, daß das heute als kleinlich angesehen wird,
aber:
Erklärt hier ein Boris Lilly seine Liebe in der Art,
wie man jemandem ein Hobby erklärt oder einen Herd,
oder erklärt ein Boris der Lilly seine Liebe?
Zu sehr kann man Sprache also nicht ausdünnen,
sonst wird es schier unverständlich
oder zweideutig,
wie in diesem Fall.
(Wer weder Boris noch Lilly kennt, hat ein Problem
und so geht es mir mit vielen ausländischen Vornamen
in den Büchern,
die ins Deutsche übersetzt worden sind)
Ach ja, meinte Anna, ich habe vom Laden im Dorf ein paar Romane mitgebracht,
die in der Tauschkiste lagen-
somit wäre eine bessere Lektüre immer griffbereit
und man kann sich den "Genuß" von Pressemeldungen schenken..
Das kann man sagen, meinte Benni- schau mal,
meine Hände sind ganz schwarz von diesem Revolverblatt!
Das Titelblatt zeigte immer ein nackte junge Frau, seit Jahren schon.
Du kannst dich aber damit messen, meinte Benni..
Mit dieser Unterhaltung lief der Abend aus -
am nächsten Tag war wieder Gemeinde-Arbeit angesagt.
Die Hühner waren schon in den Nestern, die Hühnerklappe mittels Zugseil verschlossen.
Noch etwas lüften, damit die Ofenluft nicht zu stickig ist.
Die Fensterklappläden wurden -wie jeden Abend - geschlossen
und die Abendtoilette am Spülstein in der Küche gehalten,
indem man sich in einen breiteren, flachen Holz-Kuber stellt und einen Vorhang zuzieht.
Der Herd hat immer genug warmes Wasser zur Verfügung, selbst am Abend noch.
Nochmal geschwind den Abort besuchen, den Knebel an der Türe umlegen und dann geht es nach oben,
wo das Frauchen noch so seltsam munter zu sein scheint -
zwei kleine Fläschchen Sekt hat sie auch schon parat.
Die dicken Strohbetten haben ein ganz besonderes Kuschel - Ambiente !
Es wird keiner unbemerkt auf das Grundstück kommen, dafür sorgt der Hund.
Weiter mit Folge XI
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