Was gibt es hier zu sehen?
Altenhof V
Man ging nochmal in die
Tenne und so fanden die Beiden eine alte große Ton-Schüssel mit der Umschrift:
Unser täglich Brot gib uns heute
Das wäre ein schönes Stück für unsere Küche, meinte Anna gedankenversunken.
"unsere Küche"?
Anna wurde ein wenig rot und dreht sich geschickt zu einem an der Wand hängenden Schränkchen um,
das schief war, schief in jeder Richtung und vom Zahn der Zeit geprägt.
Drum herum und oben drüber hingen div. Leinen
und Zaumzeuge, eine Kette mit Führungsstange aus Holz,
eine Peitsche und anderer Kram.
Benni wollte das Schränkchen öffnen, als ihm das Türchen fast entgegen fiel.
Vermutlich war das schon seit Jahrzehnten nicht mehr aufgemacht worden.
Heraus rieselte dicker Staub und fiel ein Büchlein,
in altdeutscher Schrift mit dem Datum 1895,
das won einem Kind geschrieben
worden sein muß.
Ein Tagebuch eines Knaben im Alter von vielleicht 11 Jahren.
Benni nahm es an sich und meinte gedankenverloren:
Das lege ich auf das Regal über dem Tisch, dort wo die Lampe steht,
das können wir ja im Winter in aller Ruhe lesen..
Nun stutzte Anna aber sehr,
und verlor wieder die Distanziertheit ein wenig
(er hat was gemerkt!)
"Ich muß nach Hause,
es ist noch so viel an Hausarbeit zu tun und morgen fängt der Tag
in der
Gemeindeverwaltung wieder an, es ist halt so, tut mir leid"
Benni nickte stumm und sie fuhr mit dem Auto vom Hof,
er schaute noch lange nach, bis der
Kleinwagen unter der Brücke verschwand,
Richtung Ortschaft.
Am nächsten Morgen teilte sie Benni auf den Straßenreinigungs - Lastwagen ein,
ein Halbtagsjob, wie viele.
Sie ließ sich sehr wohl etwas anmerken,
denn alle Anwesenden in dem Büro wußten sofort was im Busch war.
Nicht lange und sie freute sich schon auf den nächsten Besuch
in diesem seltsamen alten Bauernhaus,
besonders auf den schweigsamen Benni.
Sie hatte es geschafft und ihren Mädchennamen Birckler wieder, was sie froh machte.
Wer will schon immer und immer an den geschiedenen Mann erinnert werden,
wenn man bei seinem Namen gerufen wird?
Als die Standesbeamtin den gemeinsamen Familiennamen schrieb, war dieser Birckler -
dann folgte ein kritzekleine Feier mit ein paar Kollegen in der Pizzeria des Ortes und ..
sie waren Mann und Frau!
Selbstverständlich zog sie zu Benni in den Altenhof,
wo er bereits das "doppelschläfrige Bett"
mit Stroh und frischem Heu und uralten weißen Laken / Bettwäsche bezogen hat.
Es gab selbstgemachten Brombeerwein und selbstgebackenen Pflaumenkuchen,
von der Wildpflaumenhecke unweit
des Hauses.
Gemütlich flackerte die Kerzenlaterne,
die Fenster waren offen und die laue Herbstluft strömte
in die Kammer der frisch gebackenen Eheleute.
Das Käutzchen rief, es raschelte hier und mal da,
die Schafe drehten sich im Schlafe herum,
ab und zu
scharrte ein Huhn auf der Stange in der Scheunenecke,
dort wo sie mittels des Leiterbrettes in die
Nester kletterten.
Abend wurde der Schieber mit einem Seilchen von unten geschlossen,
so blieb Fuchs und
Marder draußen.
(Das tat man schon immer so.)
"Versprich mir, daß wir niemals Strom und irgendwelche anderen Modernitäten hier auf dem Hof zulassen!"
Das war auch Bennis größter Wunsch.
Die Handys luden die Beiden im Auto oder im Betrieb auf,
mehr brauchten sie nicht, kein Festnetz und
kein Internet
und keinen Fernseher und auch keinen Staubsauger -
alles sollte wie früher sein, genau wie früher,
ganz genau wie früher und keinen Deut anders.
Der Mond schien zum Fenster hinein
und machte die Bettstatt recht hell, zu Bennis Freude.
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