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Exkursion "Geschichtliches", 8. Teil
Altenkirchen hatte 1843 rund 2333 Morgen Gemeindegröße, 83 Häuser,
121 Familien und 470 Bewohner,die evangelisch waren.
Vom Bistum Fulda
kamen sie an das Fürstentum Solms, von da zum selben nach Nassau.
(Der ganze Ort mit Mann und Maus)
Die Gerichtsstätte war im Mönchshof Hausen.
Die Kirche ist aus dem Jahre 912 und
wurde noch von Fulda aus errichtet.
Weilmünster und die Burg Grebenhausen spielten auch noch ihre Rollen,
die uns hier aber nicht zu stören brauchen, weil es um die Ortschronik geht.
Eine Erhebung, die Kanzel genannt, welche die Form einer Felsenplatte hat,
zwischen Altenkirchen und Neukirchen geht die Sage um die Bonifazius-Eiche.
Wenige "Heiden-Höfe" standen hier,
noch kein Dorf.
Hier erzählte der Missionar -eher einer seiner Mitläufer- von dem alleinigen Gott und seinen Taten,
bekehrte viele und pflanzte eine
Eiche und ließ
(selbst wird er das wohl nicht getan haben)
eine erste Kirche bei der Siedlung errichten, die heute jedoch nicht mehr steht.
Die Jahrhunderte vergingen, als 1517 Luther seine 95 Thesen an die Kirchentür Wittenbergs schlug.
Angefeuert von den Zuständen der katholischen Kirche fand er viele Anhänger zur Erneuerung der Kirche.
(Die sich später als ebenso verkrustet zeigte- aber nicht in Richtung Maria und Blut,
sondern in Richtung Amtsstube mit gleichem Gebimmel und gleichen
irren Eiferern.)
Man kreidete den "Baalsdienst" des Klosters Pfannstiel an,
(ich schrieb schon darüber) wo mit dem Tod fleißig Geschäfte gemacht sein sollen.
Die "Zustände in der Stiftsschule und Wunderglauben" wollte man bekämpfen-
ob mit "Zustände" evtl. so etwas wie die Mißbrauchsskandale durch Priester
oder
Privatschulen angedacht war, will man heute wohl nicht mehr so genau wissen,
denn auch unsere neue Zeit ist -wenn man die Nachrichten beachtet-
mit schrägen Priestern dabei, die Kinder zu gefährden.
1526 ging der Reformator-Eiferer Erhard Schnepf nach Weilburg, den Graf Philip nach Kräften unterstützte:
So gab es genug Druck auf die Bevölkerung
in einer neuen Richtung fromm zu werden.
Philippstein, ein Nachbarort Altenkirchens, liegt so versteckt in einem Seitental mit Öffnung nach Braunfels,
daß man diesen Ort wohl oft übersehen hat;
So mancher Kriegszug ging daran vorbei, weil die wichtige Straße auf der Höhe verläuft,
um Weilburg und Braunfels zu verbinden.
Richtung Braunfels also, von dieser Straße aus gesehen - liegt ein paar hundert Meter rechter Hand dieses lange schmale Tal, wo man bereits die Höhen dahinter sieht, die ebenfalls parallel verlaufen - deshalb vermutet man hier eher Dickicht, als Dörfer. (über die man hinweg blickt)
Vermutlich sind auch deshalb die Kirchenbücher erhalten und.. in der Kirche verblieben,
während andere Kirchen die uralten Wälzer nach Darmstadt zum
Zentralarchiv geschickt haben
um diese auf Mikrofilm zu bannen und dann dort gesichert einzulagern.
Ich hatte das unerhörte Glück, in div. Kirchen der Gegend noch die Originale durchblättern zu dürfen,
um meine kl. Familienchronik zu vervollständigen.
Es macht schon ehrfurchtsvoll, wenn man die schweren, dicken und großen Ledereinbände in der Hand hält,
die auch noch einen eigenen Geruch verströmen.
Inwendig hellbraune dicke Blätter mit einigen Kaffee- und Tintenflecken, zerschlagene Fliegen,
Brot- oder Kuchenkrümel.. steht mit manchmal zittriger
alter Schrift, manchmal in Latein,
vieles über die Bevölkerung der damaligen Zeit.
Zuweilen waren auch noch persönliche oder autobiographische Anmerkungen des Pfarrers dabei.
Kurz nach meinen Recherchen zur Familiengeschichte in den Pfarrämter ging
dieses Stöbern schon nicht mehr, diese Zeiten sind definitiv vorbei.
(Leider bevor ich die handschriftl. Bemerkungen sichten konnte,
mir blieb nur die Zeit und Gelegenheit, die eigenen Stammlinien nachzuverfolgen)
Noch im Jahr 1998 waren im Pfarrarchiv 33 Kirchenbücher, 16 Zivilstandsregister
und 12 Namensverzeichnisse (Registerbände) - bis 1817, danach
waren drei Bände der Kirchenchronik - der letzte 1994 begonnen - vorhanden.
Das älteste Buch von 1606-1629 wurde in der Neuzeit leider schlecht restauriert,
ist darum nicht mehr gut lesbar - ausgerechnet das Buch mit
hebräischen Schriften versehen Umschlag.
Als Philippstein und Altenkirchen eigene Pfarreien erhielten, gab es in einem Band Getaufte,
Konfirmierte,
Corpulierte und Gestorbene.
Ein Buch von 1629-1656 fehlt, das ist wohl im 30j. Krieg abhanden gekommen
oder man hat ganz einfach nichts mehr in ein Buch eintragen können,
was viele Ursachen gehabt haben könnte:
Kein Pfarrer im Ort oder kein Material für ein Buch vorhanden
oder es wurde als Heizmaterial gebraucht
oder ist irgendwo versteckt worden..
..vielleicht von der Bevölkerung, die zuweilen im Wald hausen mußte,
wegen der soldatischen Barbaren.
Es gibt wohl auch Privatleute, die diesen Schriften unverständig sind und trotzdem Sammler- wie schnell ist ein Buch gestohlen und verhökert!
Das Buch für
1740 - 1771 war in schwerem, weißen Schweinsleder gebunden.
In einer Limburger Chronik findet man Notizen über die Erbauung der Philippsteiner Burg
1390 durch den Grafen Philipp von Nassau und Merenberg,
sowie Notizen über die Burgen Elkerhausen und Gräveneck und Greifenstein.
"Ich Johann Christian Reinhard Luja bin in Wiesbaden geboren, am 16.4.1767, an einem Gründonnerstag ..
..mein Vater war damals Cantor in Wiesbaden.
Lt. unserer Stammtafel, die bis 1500 zurück geht, waren alle Vorfahren
meines Vaters theils Juristen,
Mediciner in Dresden, Leipzig, Merseburg und Weißenfels etc.
Von mütterlicher Seite waren die Vorfahren Geistliche, so der Pfarrer Willkühn in Sonnenberg,
der ins Clarenthaler Kirchenbuch schrieb:
Johann
Wilhelm im Jahre 1680 auf dem Feld bei Sonnenberg, wo jetzt nur noch Mauerreste stehen
und wo ein Todtenhof (Friedhof) angelegt ist, war damals
die Kirche in der er seinen Dienst verrichtete.
Einst im Winter bei tiefem Schnee wolle er in einen Mantel gehüllt, in diese Kirche gehen,
es begegnete ihm aber ein hungriger Wolf, der gerade auf ihn zulief.
Er warf seinen Mantel über ihn und rettete sich durch die Flucht,
während der Wolf sich in den Mantel verwickelt hatte.. "
***
Immer wieder jammerten die Pfarrer über morsche, uralte Gemäuer,
feucht und modrig, in denen sie wohnen mußten.
Damals wurden in der
"Lahmekaut", der Lehmgrube, noch Backsteine hergestellt..
Damals lag man lange bei Krankheiten im Bett:
"..im Frühjahr auf einer kleinen Reise, wobei ich für einen anderen Pfarrer predigte,
eine starke Erkältung zugezogen, in Folge derselben wurde ich ernstlich krank
und die Folgen derselbstn hatte ich 1/4 Jahr lang zu tragen."
"..jene Zeit war freilich auch durchzogen von wiederholten und lang andauernden Krankheiten,
Augenübel, in folgedessen ich mal 1/2 Jahr lang zu Hause
sein mußte.."
"Aber trotzdem alles vergebend und vergessend,- setzte es mich auf den 11. April 1875 nach Vreden,
wohin ich dann bald meine liebe Braut als Frau
heimführte.
Dort wurde unser liebes herziges und einziges Kind,-
unsere vorm Jahr von dem Herrn in seinen schönen Himmel aufgenommene, selige
Emma, geboren am 21. April 1876.
Es war ein gar lieblich blühendes, gesundes und kräftiges und dabei gleichfalls
an Geiste so reich begabtes
Mägdelein;
9 1/2 Jahr ist sie unsere Freud und Wonne gewesen.
Nur das hat uns getröstet und thut es immer wieder, daß wir je länger je mehr gewiß
geworden sind,
daß der Herr sie genommen,- uns hier zeitlich, um sie uns ewig aufzubewahren.
In diesem Glauben und mit dieser Hoffnung lehre Er uns selber
immer mehr,
wenn auch jetzt noch mit schwerem und wehmütigem Herzen, bekennen:
Er hat alles wohlgemacht."
"Freilich half auch der Herr - wenigstens die Herzensthüren mir aufthun,
und zwar durch seine harte und züchtigende Hand in der furchtbaren Krankheit
Diphteritis,-
an der hier 1883 - 25 Kinder gestorben sind, nachdem sie jahre vorher bereits arg
in Philippstein grassiert hatte."
"Aber kirchliches Leben ist ohne weiteres noch kein christliches!
das habe ich auch hier so vielfach und oft bitter erfahren müssen.
Ja das opus operatum lebt und wirkt auch noch mehr als man sich gegenwärtig hält,
in der evangelischen Kirche:
man kommt zur Kirche, um dagewesen zu sein und geht, als wenn man nicht dagewesen,
- bedenkt es nicht, daß wie überhaupt alles Gottes Wort,
so auch die
Predigt, die daraus hervorgegangen, uns gegeben und gehalten ist-,
nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit sein soll,
da kein Mensch Gottes so vollkommen, zu allem guten Werk geschickt.
Weil diese Erkenntis so gar nicht oder doch nur bei wenigen,-
in Fleisch und Blut
übergegangen ist, will man auch von den alten schlechten Sitten
und Gebräuchen so ungern oder gar nicht lassen.
Aber der Spinnstubenunfug hat sich
bisher nicht wollen bannen lassen;
wird hier eine aufgehoben, findet sich dort eine wieder zusammen.
Das macht es:
weil die Eltern selber dereinst in die Spinnstube gewesen, so kann's auch den Kindern nicht schaden.
Was soll ich noch lange und viel reden von dem schädlichen und schändlichen Wirthshauslaufen
und
den mehr als minder furchtbaren Folgen des abscheulichen Branntweins,
diesem Zerstörer so mancher Ehe und Familienlebens?
Gott wolle sich des Elends
erbarmen, dessen auf diese Weise so viel zu Tage tritt
und die Bestrebungen des Vereines segnen, der gegen diesen schrecklichen Feind
der Menschheit auf den
Kampfplatz seit einigen Jahren getreten ist."
Der Pfarrer wird noch deftiger:
"Freilich hängt der Erfolg viel davon ab, daß die Männer,
die im öffentlichen Leben diesen Kampf aufgenommen haben,
einen Bundesgenossen an den Frauen,
wenn sie von der Arbeit kommen, das Haus gemüthlich machen und nicht,
wie es auch hier mal vielfach der Fall ist,
unleidlich infolge Trägheit und Lässigkeit, Unordnung und Unreinigkeit,
acht Tage lang - und vielleicht noch länger mit ungekämmtem Haar herumlaufen,-
es notdürftig unter dem Kopftuch verdecken,- was doch nicht gelingt, -
wie kann sich der Mann da daheim wohnlich fühlen?!"
"Leider war es mir nicht vergönnt, mein Jahr auszudienen- wegen eines hartnäckigen Darmleidens
wurde ich nach 1/2 Jahre in die Heimat geschickt,
wo die Krankheit zu einem schweren Thyphus sich entwickelte,
der mich dem Tode nahe brachte.
Mit Gottes Hilfe über alles Erwarten schnell hergestellt,
konnte ich wieder nach erlangen zurückkehren.. "
(Bei dieser ganzen Schreiberei fällt mir auf,
daß die Namen gerne mal ein wenig nachlässig geschrieben werden - Philipstein statt Philippstein, -
so kann man sich die unterschiedliche Schreibweise von Familiennamen recht leicht erklären,
die dann - bis in alle Zeiten - so geblieben sind..
..und dann war eben doch der Umstand beim "gemeinen Volk" spürbar, daß immer wieder
ge- und erpresst und mit Strafen verfolgt wurde, in die Kirche zu gehen.)
Der spätere Kirchenpräsident Hild:
"Es wurde eine Pfarrstelle in Bottenborn, Biedenkopf frei, die ich 1912 auch bekam zuvor
hat er Gutes und auch
manches Trübe erfahren.
Es herrschte aber dort, 500mtr über dem Meeresspiegel eine Kälte,
die zuweilen unerträglich war, und unter der meine
Familie sehr litt.
Durch frühere Streitigkeiten innerhalb der Gemeinde, mit insgeheimen Abneigungen gegeneinander,
auch unter dem Eindruck des Krieges,
sollte man das Vergangene nicht mehr hervor kramen.
Man sollte alles meiden, was das insgeheim noch brennende Feuer zu schüren,
daß es keine verheerende
Macht zeige..
Die Leute sind arbeitsfroh und hilfsbereit, haben es aber mit dem Begriff
'mein und dein' nicht so recht und besonders die Jugend zeigt sich
dabei nicht im besten Licht."
Er konnte vom Oktober 1921 bis Juli 1923 seinen Dienst wegen einer Erkrankung nicht ausüben.
"Nach langer Zeit greife ich zur Feder, um zu berichten, was bis zum Oktober 1921 vor sich ging.
Vieles hat sich geändert, manches zum Guten, manches zum
Schlechten.
Ich selbst bin wieder gesund und kann mit Gottes Hilfe mein Amt wieder versehen.!"
Vikar Schlocker schrieb:
"Des Krieges Wirren trieben mich in vielen Ländern herum.
Polen, Ungarn, Serbien, Mazedonien, Frankreich.
Was das Kriegsleben mir als Gewinn brachte,
was das Zusammenleben mit Menschen aus allen Volksschichten
und dadurch ein schärferer Blick für die Volksseele.
Meine Gesundheit hat gelitten.
Mein Herz ist geschwächt und erinnert mich bei großer Anstrengung, daß ich auf es Rücksicht nehmen muß.
Gerade dieser Umstand hat mich in meiner Tätigkeit
oft gehemmt und mich vor allem daran gehindert,
die Filialgemeinde Philippstein öfter aufzusuchen mitten in der Woche. "
Weiter:
"Im letzten Monat draußen im Feld,
im Oktober 18 wurde ich grippekrank
und war krank bis zum Sommer des nächsten Jahres.."
Pfarrer Velten wurde 1945 als Soldat in Rumänien vermißt:
"Das kirchliche Leben leidet darunter- der Krieg hat die ganze Welt ergriffen.
Zwei Weltanschauungen sind im Kampf.
Bolschewisten und Plutokraten, oder richtiger, die treibende Kraft, der Geldjude,
will seine Weltherrschaft aufrichten.
Gott bewahre uns davor. "
Die Saat der Ideologie des 3.Reichs ging auch bei Pfarrern auf oder durch sie?
War gar der Ursprung der Judenverfolgung durch die Kirche(n) gelegt?
Ach wo, die war schon lange gelegt, diese Saat und so ganz unschuldig sind die Betroffenen nicht gewesen:
Es hätte auch kein noch so schönes Toleranzpatent geholfen, wenn eine Seite partout separat bleiben will.
Bis die Historiker dieses böse Feld geackert haben, vergehen wohl noch Jahrzehnte.
Pfarrer Bähr kam danach 1949:
(Nach der Nazizeit, wo viele sich "entnazifiziert" äußerten oder äußern mußten)
"Gerade in der Zeit, als ich in Altenkirchen als Pfarrverwalter anfing,
begann der Zuzug der aus der Tschechoslowakei
ausgewiesenen Deutschen, deren Ahnen dort seit altersher ihre Heimat hatten.
Wiewohl sich hier auswirkt, angesichts der ungeheuerlichen Unmenschlichkeiten
des nationalsozialistischen Regimes etwa am Judentum, an politisch Andersdenkenden,
an treuen Gliedern der Bekennenden Kirche und der katholischen
Kirche,
an der Bevölkerung der im Kriege von deutschen Truppen besetzten Länder- was Gottes Wort sagt:
Was der Mensch sät, das wird er ernten..
so fällt auch diese Unmenschlichkeit der anderen Seite,
die völlige Entwurzelung und Enteignung von mehr als einem Dutzend Millionen deutscher Männer
und Frauen und Kinder, Greise und Säuglinge unter dieses Wort.
Und steckt schon im Ende des einen Unrechts, der einen Gewalttat,
der Keim neuer Grausamkeit,
neuen Unrechts.
(Nach der deutschen Wiedervereinigung kommt der Trend wieder auf,
die Meinung zu beeinflussen, durch die Presse, die einmal als "4. Gewalt" angedacht war,
die mundtot oder zumindest "linientreu" werden sollte; in der Corona-Pandemie 2020 ist dieses schräge Werk vervollkommnet worden - grundsätzlich ist oder wäre auch der Kapitalseigner unmenschlich, wenn man dieses Wort gebrauchen möchte - diese Sorte wächst wie ein Krebsgeschwür, das seine Blüte im Spekulativen oder der Börsen-Unkultur gefunden hat.)
Damals:
Die Flüchtlinge, die von beiden Gemeinden Altenkirchen und Philippstein aufgenommen werden müssen,
es sind mehr als zweihundert
Männer, Frauen und Kinder, Säuglinge und Greise,
stammen aus den Gebieten der Tschechoslowakei.
Vertreten sind alle Berufe und Stände.
Sie gehören
in ihrer Überzahl der römisch-katholischen Kirche an.
Wie in den beiden Gemeinden der Pfarrei Altenkirchen, so ist in der Mehrzahl aller Gemeinden
der Evangelischen Kirche in Deutschland nach dem allgemeinen -neuen- Hören die Predigt
der Kirche jene Stagnation eingetreten, die schon in den Jahren
nach dem ersten Weltkrieg
die Kirche befallen hat.
"Ja, der Herr schenke uns eine Erweckung - und er fange bei mir an."
***
Der Pfarrer Götz:
"Es war die Zeit des 7jährigen Kriegs zwischen Preußen und Österreich 1756-1763.
Pfarrer Götz war als Feldprediger bei den Französisch-
Deutschen-Kavallerie-Regimentern tätig.
Als Feldprediger mußte er sich um die Verwundeten kümmern
und lernte dabei viel Jammer und Wehgeschrei kennen.
Eine leidvolle Zeit."
In alten Kirchenbüchern konnte man einiges finden, was heute nicht mehr möglich ist
- nicht nur sachliche Angaben, sondern auch persönliche
Bemerkungen des Pfarrers,
aber auch Hausnamen, Uznamen sind dort zu lesen. (vulgo)
1716 Anna Elisabetha Rücker mit dem späteren Nachtrag;
Vulgo "die Langlies" (als eines von vielen Beispielen)
1699 wurde An Laetare (Verletzung) begraben, genannt die "nimmernüchterne Frau", 1681 stand geschrieben:
"Anna, die Brandeweinfrau".
Ein Hans Trautor kam aus dem Lager der bayrischen Truppe und hatte 1624 mit den Soldaten des Grafen
von Spaur hier in Meurers Haus sein Quartier gehabt.
Damals hatte er sich mit dessen hinterlassener Tochter Ann versprochen.
Nun sollte der Pfarrer sie trauen - der aber weigerte sich, weil keine Proklamation
stattgefunden habe.
Der Superintendent aber erlaubte dem Soldaten die Trauung, weil er ein Soldat war.
Abends ging das Brautpaar zur Kirche und nach getaner Buße
getraut worden.
Dieser Hans wurde aber seitdem -der Bußgang- genannt.
Eine andere Eintragung 1707 erzählte von der Tochter eines Schmiedes.
Die hatte mit dem verheirateten Schäfer ein Töchterlein,
deshalb wurde sie verbannt und des Landes verwiesen.
Bei Wolfenhausen starb sie und wurde begraben.
"1700 Domine Rogate, den 16then maji hat Juliana Rehornin eine Hurentochter taufen lassen
so sie erzeugt in Schimpf und großer Unehren mit einem
von Braunfelß
schon mit Huren außgerißenen Soldaten, welcher vom Galgen erbotten
und seiner beider Ohren beraubet wurde durch den
Hencker, darauf als er landesverwiesen,
sich nach Philippstein begeben, obige Hur ihm zu Unehren gedienet,
da fast die Ohren noch bluteten, von diesem
abominabitem Banditen,
hat sie diesen Bankert, heißt Maria Elisabetha."
***
1890, Pfarrchronik Altenkirchen:
" Eine Episode beim Kirchenputz bildet die Geschichte vom Turmhahn.
Seit 1886 hin ein aus einfachem Blech in Weilmünster gefertigter, eben daselbst
vergoldeter Hahn sehr windschief auf dem Turm.
Er hatte viel Geld gekostet.
Er hätte sich gewiß sehr gerne gedreht, aber er konnte nicht;
drehwütig schaute er unverwandt nach einer Seite hin,
nach seinem geliebten Geburtsort Weilmünster.
Es war ein reizendes Tierchen; die eigentliche
Gattung ist niemandem je klar geworden.
Man nannte es Hahn, es war ein Mittelding zwischen brütendem Huhn und schwimmender Ente.
Gleich von Anfang an
konnte das arme Tier sich nicht drehen und bewegen.
Ihm fehlte das Gleichgewicht.
So war man darum hergegangen und hatte zu den goldenen Schwanzfedern
einige kühne,
gelb angestrichene geleimt, die alsbald nicht grau, sondern schwarz wurden.
Als nun die Kirche in ihrem neuen schönen Kleide sich präsentierte, hieß es alsbald immer mehr:
Der Hahn muß herunter und ein neuer darauf!
Darauf hatte ich gewartet.
Der Dachdecker Hessler jr. - ebenfalls aus Weilmünster - kam heran:
Und man beschloß den Vertrag dahin lautend:
Herr Hessler holt für 30 Mark den alten Hahn herunter und setzt den neuen auf.
So stieg dann nach 4-jähriger,
ruhiger und stiller Regierungszeit
der alte Hahn von seinem Turm,
nachdem er von Hand zu Hand gegangen und vielfach bewundert war,
zog er sich in dem äußersten Winkel des Konfirmatenzimmers zurück.
Von dieser Sorte hatte man wenig!
Ich ließ aus der Ornamentenfabrik von Julius Kleemann in Frankfurt am Main einen Katalog kommen,
in welchem eine Reihe von Turmhähnen abgebildet war.
Dem Kirchenvorstand gefiel der größte am besten.
Einen Meter vom Kopf bis zum Schwanz, Gewicht
ca 20-25 Pfund, er kostete freilich 64,50 Mark, war aber sehr billig im Vergleich zu dem alten.
Dieser ward bestellt und kam alsbald auch an.
Er ist aus einer mächtigen Zinkplatte gesägt, hat in der Mitte eine sogenannte Büchse,
mit dieser wurde er auf eine starke Eisenstange gesetzt, worauf er sich bei dem
geringsten Luftzug drehte.
Krähen kann er nicht, er ist aus Zink, alle Nietnägel sind aus Kupfer.
Als der Dachdecker diese Monstrum sah, wurde ihm bange, oder er tat so,
und verlange nun für das Aufsetzen 150,120, dann 100 Mark.
Nach langem Handeln gestand man ihm 60 Mark zu, es war ja auch eine gefährliche Sache.
Der Hahn gefiel den Leuten recht gut, aber jeder, der ihn sah, sagte:
Die Farb gefällt mer nit! Wenn er nur eine andere Farbe hätte!
Golden ist schöner als zinkfarben. Aber woher das Geld nehmen?
Unmöglich konnte man auch dies noch auf die Kirchenkasse schlagen.
Da erbot sich die Frau des Gastwirts und Holzhändlers Philipp Gath,
sie wolle den Hahn
vergolden lassen.
Sofort ward er nach Braunfels gebracht. es war schon in der letzten Woche vor dem Jubiläum.
Freitag Mittag vor dem Jubiläum sollte er
zurück sein.
Nun ward schnell die mächtige Eisenstange auf dem Helme des Turms mit starken Klammern befestigt,
das Dach am Turm aufgebrochen, weil der Hahn
angeblich nicht durch das Dachfenster ging und ein Flaschenzug aufgestellt.
Freitag Mittag kam der Hahn, strahlend in seiner Pracht, von zwei Bergleuten
getragen am Stocke,
wie einstens die Kundschafter die Reben getragen.
Allgemeine Bewunderung, allgemeines Ah!
Hier und da faßte auch mal einer zu,
aber o weh:
Er war noch nicht ganz trocken, auch gerade kein Vorzug. Wenn er nur schon oben wäre!
Ja, wenn er nur schon oben wäre!
Am Freitag kam er nicht hinauf.
Die Dachdecker treffen immer weitere Vorkehrungen.
Die Ungeduld stieg- das ganze Dorf war prächtig geschmückt,
Heim und Haus, Straße um Straße,
eine ganze Reihe von Ehrenforten war gebaut, die Kirche im Innern geschmückt
mit Girlanden und Blumen und Bäumen.
Der Festplatz, die Wiese zwischen Rathaus und Kirche war hergerichtet.
Die Rednerbühne war aufgeschlagen, Tische und Bänke standen
für die Nachfeier in Reih und
Glied, alles war bereit,
das herrlichste Wetter schien uns verheißen
und immer noch fehlte der Abschluß an der Jubiläumskirche, welcher doch diese Feier galt.
Es ward Sonnabend.
Alle Hände waren in den Häusern beschäftigt mit Putzen, Backen und Richten für die geladenen Gäste.
Zum ersten mal fragte ich die
Dachdecker, wann denn der Hahn auf den Turm kommen solle.
' Den Mittag ' war die Antwort, ich solle mich beruhigen, bis ich wiederkäme von Weilburg,
wäre er oben.
Ich sagte:
Wenn er bis zum Abend nicht oben ist, ist der Accord hinfällig und es gibt keinen Pfennig.
Ich mußte nach Weilburg, die Amtsbrüder und Vorgänger abzuholen.
Herr Gath stellte seinen Wagen zur Verfügung.
Als wir gegen Abend zurück kamen, war
mein erster Blick oben von der Weilburger Höhe nach dem Turm;
der Hahn war nicht oben.
Im Dorfe hörte ich gleich:
Man habe versucht ihn hinaufzutun.
Die Stange des Flaschenzugs aber sei gebrochen, und der schöne Hahn
über das Dach hinunter
in die Tiefe gestürzt.
Zum Glück kam er nicht bis auf den Boden.
Der Flaschenzug reichte nicht so weit.
Aber der arme Hahn hatte etliche Hautabschürfungen und
ein verstauchtes Bein - es war sein dickstes, das das Gleichgewicht herstellte - davongetragen.
So ging das Gerede.
Ob es wahr ist, weiß ich nicht.
Die Dachdecker hätten den Altenkirchenern einen Possen spielen wollen,
namentlich auch wegen der geringen Bezahlung.
Ich weiß nicht, ich halte das nicht für
richtig.
Was tun?
Es war gewiß ärgerlich, die Sache sah zu unfertig aus.
Die Altenkirchener wußten Rat: Der Maurer Gath ging des Morgens 2 Uhr nach
Weilmünster.
Um 4 Uhr war der Dachdecker Vonhausen und dessen Gehilfe zur Stelle.
Um 6 Uhr, als ich eben mich erheben sollte, läuteten die Glocken den
Sonntag ein.
Ich sah nach dem Turm.
Dort erglänzte der neue Hahn.
Eine halbe Stunde später saß auch die neue Wetterfahne,
aus derselben Fabrik wie
auf dem Türmchen des Schulhauses.
So war das erreicht, was man so sehnlichst gewünscht hatte.
Noch lange bildete der Kirchengockel das Gesprächsthema,
und noch manchmal wird diese Geschichte erzählt werden.
Darum soll sie auch ausführlich hier stehen.
Wenn das 100-jährige Jubiläum gefeiert wird,
kann sie vielleicht ein Nachfolger
bei der Nachfeier zu einer scherzhaften Ansprache verwerten"
Ja, ich als Autor der Seiten "Geschichtliches" habe das hiermit getan, sogar mit Freude.
***
So eine "Konfirmation" ist ein Ding der evangelischen Kirche,
bei der Inhalte eines Buches vermittelt werden, das man später gebastelt hat.
Dieser "Katechismus" sollte Glaubensinhalte so darstellen, wie es nach Luthers Verständnis war,
den christlichen Glauben richtig zu vermitteln.
Man mag darüber streiten, ob Talmud (jüdisch)
oder Scharia (muslimisch)
oder eben dieser
Katechismus, den es schon länger in den
unterschiedlichsten Ausprägung gab,
"richtiger" ist oder doch eher die eigentlichen Urschriften,
das neue Testament der Bibel, der Koran oder das alte Testament der Bibel.
Fakt ist, dass diese neuen Schriften eine gewisse Korrektur darstellten,
die stärker dem einfachen Volk vermittelt werden sollte,
als die eigentliche Religionsbücher, die eigentlich auch alle "mit der geführten Hand" geschrieben wurden.
Soviel als Vorwort dazu, nun zur eigentlichen Konfirmation,
die zwei Jahre Vorbereitungs- oder Unterrichtszeit bedeutete:
2 Jahre regelmäßig zum Gottesdienst, 2 Jahre lang einmal die Woche zur Konfirmatenstunde..
..für 2 Std. jeweils.
Dort wurde der ganze Katechismus mit allen Erklärungen gelehrt,
um auf die 275 Fragen in der abschließenden,
vor der ganzen Kirchengemeide gehaltenen Feier abgefragt wurden
und auch noch die ganzen Kirchenlieder auswendig zu können.
Wichtige Fragen zum alten und neuen Testament waren auch noch zu lernen..
Wir haben diesen Mist alle mitgemacht oder machen müssen,
weil "man das schon immer so gemacht hat, alle haben das gemacht und das schadet euch auch nicht!".
Unserer Tochter haben wir das noch vermittelt, weil meine Eltern noch lebten
und Teile der Großeltern- unserem Sohn jedoch war das nicht mehr näher zu bringen,
er hat auf diese Sache "verzichtet" oder besser- er lehnte es ab, diesen Zirkus mitzumachen.
Seine Schulkameraden waren fast alle bei der Konfirmation, die Eltern derer
haben "es zwar auch nicht verstanden, warum man das macht" -
deren Kinder sind aber trotzdem genötigt worden, diesen Unterricht zu besuchen:
Es schadet ja nicht und dann reden die Leute auch nicht..
Ganz früher gehört noch die Mitwirkung bei der kl. Landwirtschaft des Pfarrers dazu,
weil dieser seinen Lebensunterhalt durch Zuarbeit bestreiten mußte.
Der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes -neben dem schulischen Unterricht- gehörte dazu,
sonst konnte der Pfarrer die Konfirmation des jungen Menschen verweigern.
Der Pfarrer hätte es lieber gesehen, wenn alle Angehörigen des Konfirmanten
regelmäßig zum Gottesdiest gegangen wären - seine Bemerkungen dazu waren schon recht spitz -
die zuweilen drohend waren und die Konfirmation "in Frage" stellen konnten.
Die Geschichte Altenkirchens enthält noch den Hinweis, daß der Blasebalg für die Orgel
oben im Kirchendachboden bedient werden mußte-
was zum dortigen Ballspiel verlockte - der Pfarrer tobte, weil es unten im Kirchenschiff dröhnte -
nicht nur durch das Orgelspiel ;)
In feierlicher Kleidung hocken die Konfirmanten also bei der "Vorstellung"
wie auf einem Präsentietteller vor der ganzen Gemeinde.
Die Mädels einen Kopf größer als die Buben, was aber nur beim Stehen auffiel.
Eine echte Prüfungssituation war lange genug in der Vorbereitungszeit hervor geholt worden.
Die Vorkonfirmanten notierten sich mit Papier und Bleistift bewaffnet,
wer wie oft dran war, die Fragen zu beantworten, die der Pfarrer stellte.
Jede Antwort mit Strichen notiert, ob die Antwort kurz war oder den ganzen Psalm betraf.
Mehr als eine Stunde dauerte die hochnotpeinliche Befragung um diese seltsamen Texte,
deren Sinn kaum einer verstand.
Ein erleichtertes Aufatmen folgte von allen Kirchenbesuchern, als das endlich vorbei war.
Man ging in der Vorfreude auf ein Festessen nach Hause, auf die Geschenke der Paten und Onkels,
die nicht ohne waren..
Manche Taufpaten kamen von weit her und mußten in den Häusern der Konfirmaten nächtigen,
was bei dem anschließenden Alkoholkonsum auch sinnig war.
In meiner Zeit hatten einige schon ein eigenes Auto,
viele fuhren damals noch mit der Bahn oder hatten ein Motorrad.
Später gab es Kaffee und Kuchen, der fast immer von der Hausfrau selbst gebacken wurde,
wie auch das Festessen ihr Part war,
meistens mit geliehenen Tellern, Gläsern und Besteck aus der Nachbar-
oder Verwandtschaft, weil so viel Geschirr und Besteck etc. kein Haushalt hatte.
Desgleichen mit Tischen und Stühlen, die in langen Anordnungen aufgestellt wurden.
Dazu hat man ein ganzes Zimmer leer geräumt - die Toilette war immer besetzt..
(Wir wohnten in einem Neubau - mit Wassertoilette,
kurz davor aber hätten alle über den Hof zum Plumpsklo gehen müssen, als meine Eltern noch zur Miete wohnten, eine Straße weiter..)
Vor dem Kaffee gingen wir Konfirmaten "rund", dh. wir wurden in jedem Haus
der Mitkonfirmaten regelrecht mit Alkoholika abgefüllt -
was für die allermeisten jungen Leute der erste Kontakt mit Alkohol war.
(Ich hatte ab und zu mal bei Vater nippen dürfen - trotzdem schlug dieser Brauch grausam zu -
was haben wir gekotzt und wie arg hat sich das Karussell im Kopfe gedreht !!)
Mit grausig dickem Kopf und enormen Seegang lag ich nachher im Bett,
einen Eimer griffbereit - und hörte Musik aus dem neuen Transistor-Radio,
das unter den Geschenken war.
Es roch noch nach dem neuen Leder, das die Tragehülle bildete - es war ein wirklich tolles Gerät!
(Damit konnte man die ganze Welt empfangen, eine prima Sache für einen jungen Mann,
das Gerät hat mich noch die ganze Lehrzeit hindurch
auf den kilometerlangen Fußmärschen zum Bahnhof
und zum Arbeitgeber begleitet.
"Ach wär es Winter geblieben, Winter in Kanada..")
Für den Pfarrer bedeutete dieses seltsame Fest jedesmal eine Höchstleistung,
weil jede Familie besucht werden mußte -
keine durfte benachteiligt werden, überall sollte etwas gegessen werden..
Schon das Aussuchen des Konfirmatenanzugs war ein Debakel-
wer wollte schon wie ein Pinguin herum laufen, mit Vaters schwarzer "Beerdigungskrawatte"?
Die Mädels waren fein herausgeputzt, das lockerte die Sache ein wenig auf,
so daß ich mich mit diesem rabenschwarzen Anzug irgendwie doch
feierlich fühlte ..
(Mutter wurde nicht müde zu behaupten: Der ist nicht schwarz, sondern dunkelblau)
Früher hat man diese Kluft wohl von den Konfirmaten des letzten Jahres ausgeliehen,
weil das Geld noch knapper war.
Vielfach nähte die Mutter das Kleid für die Tochter, bei einem Anzug war die Sache zu schwierig.
Der oder die Orts-Schneiderei war eine beliebte Anlaufstelle für alle Fälle,
wo so manches Kleid, mancher Anzug und Mantel
"modernisiert" oder umgearbeitet wurde.
Röcke mußten züchtig sein und das Knie bedecken- nicht wie heute,
wo man bei hochfeierlichen Anlässen (Paulskirche zu Frankfurt) Greisinnen
mit
nackten, übereinander geschlagenen Beinen sieht, die zu allem Überfluß auch noch in der ersten Reihe sitzen..
Das züchtige Verhalten war auch noch zu Minirock-Zeiten so gehalten:
Als frühe Touristen durfte man mit kurzärmeligem Hemd oder Bluse
die Kirche nicht besichtigen, Frauen wurde ein Schleier empfohlen.
Die Konfirmantinnen trugen Zöpfe und Spangen - mit Mutters Hilfe sorgsam gerichtet und geflochten.
(danach liefen auffällig viele mit modischer Kurzhaarfrisur herum -
nach der Konfirmation galt man als erwachsen)
Schon bei der Vorstellung, eine Woche vor der eigentlichen Konfirmation
waren alle versammelt und gingen gemeinsam zur Kirche..
..zur "Einsegnung" kniend vor dem Altar, ein seltsames Gefühl mit flauem Magen-
für manche mit Herzklopfen.
Eine uralte Volksverdummung griff noch immer..
Dabei mußte das Lied "hier liegt vor deiner Majestät im Staub die Kinderschar.." gesungen sein-
-daran kann ich mich aber nicht mehr erinnern, vermutlich weil die gesungenen Texte oftmals recht undeutlich waren.
Nach der Kirche gab es einen großen Fototermin durch einen professionellen Fotografen.
Früher waren die Schwarz-Weiß Bilder kontrastreicher
und eindrucksvoller als die heute umgemodelten Farbbilder, die diesen Effekt versuchen nachzuahmen.
Die Vorbereitungen für dieses Festessen in den Häusern aller Konfirmanten
brachte von überall her Backzutaten, irgendwie aus dem ganzen Dorf herbei.
Es kamen auch viele Glückwunsch-Briefe an, wo immer ein Schein darin lag- je nach dem- mal mehr mal weniger.
(Ähnlich wie bei Hochzeiten)
Mit zittrigen Händen öffnete ich die Briefe- oh, was man sich dafür alles kaufen kann !
Mutter hat sich einen Teil davon nehmen müssen,
denn bei drei Kindern war das ganze Spektakel nicht so leicht
aus der Haushaltskasse zu finanzieren,
gerade dann nicht,
wenn man neu gebaut hat und Vaters Einkommen unregelmäßig kam..
Es blieb aber noch eine Menge übrig- was gut eingeteilt werden mußte:
Da man nach der Konfirmation "erwachsen" war, brauchte es neue Kleidung-
der Rest kam auf das Sparbuch bei der Post.
(Damals ein echter Verwaltungakt - und es gab Zinsen, die einmal im Jahr eingetragen wurden, "Hochdruck-Stempel" und Bremborium.)
Da wir Kinder zeitig mit eigenem Taschengeld dabei waren, war der Umgang mit Geld auch gut eingewöhnt.
Während ich mich über das viele Geld freute wie ein Schneekönig,
notierte Mutter ganz genau wer wieviel gegeben hat-
es war der Brauch, daß die gleiche Summe wieder in das Geberhaus floß,
wenn eine ähnliche Feier anstand, wozu auch Beerdigungen und Taufen oder
Hochzeiten gehörten.
Diese Liste lag noch lange in ihrer ganz persönlichen Schublade,
wo wichtige Rezepte und der Geldbeutel und ein wenig Nähzeug lagen.
Viele Leute sparten sich vieles buchstäblich noch vom Munde ab -
bei uns in den 60iger Jahren war es schon etwas besser
als in der Altenkirchener Chronik
geschilderten Zeiten.
Eier, Zucker, Mehl und Butter wurden von den Frauen ins Haus gebracht,
in dem die Feier sein sollte - ein kurzer Plausch, Austausch von Rezepten..
Geliehene Teller, das werde ich nie vergessen,
wurden mit Nagellack auf der Unterseite markiert von den Verleiherinnen -
weil das Geschirr eben meistens
noch rein in Weiß war,
zuweilen mit einem schmalen Goldrand, der sich aber nicht so lange hielt..
Der Bäcker des Ortes- bei uns waren das gleich zwei,
obwohl das Kaff nur knapp 900 Einwohner hatte- nahm Butter und Eier an,
hat damit den
bestellten Kuchen oder Kranz oder Weck etwas billiger gebacken.
Überall war Hochbetrieb, es wurde vorbereitet und gekocht, der alte Küchenherd,
der damals noch aus der alten Wohnung, die mit dem Plumpsklo auf dem Hof-
mit in das neue Haus genommen worden war, glühte..
..die Verbindung zur alten Zeit blieb uns Kindern erhalten,
der Geruch der verbrannten "Silberbronze",
mit der das lange Ofenrohr gestrichen wurde,
war in der Nase.
(Mit dieser seltsamen Farbe habe ich sogar meine Seifenkiste gestrichen..)
Daneben stand der neue Elektroherd, ebenfalls in Aktion..
Schlachten war nicht drin, dazu fehlte das Geld und auch die Möglichkeiten
im neuen Haus- manche Familien machten das jedoch und hatten so
viel Geld für den Metzger gespart, der wahrhaft tierisch zulangte..
(Der goldne Daumen, der das Warengewicht auf der Waage etwas erhöhte,
selbst das Papier hat der Metzger mitgewogen und in Rechnung gestellt, als wäre es Wurst..)
Auf Braten wurde wohl nie verzichtet, auch in den größten Notzeiten nicht, wie die Chronik nennt.
Notfalls behalf man sich mit Hasen oder Ziegen oder Geflügel.
Tagelang hinterher gab es die Reste, es wurde auch manches in die Geberhäuser gebracht,
besonders Kuchen, was zum guten Ton gehörte.
Kübelweise Kartoffeln, Gemüse, Soßen, Mengen an Getränken, Bowle war ganz modern..
Wein, Schnaps, Bier und sogar Sekt - was damals selten gereicht wurde,
da dieser noch sehr teuer war.
Früher konnte man sich das nur in wenigen Häusern leisten,
so griff man auf selbstgemachten Apfelwein zurück.
Die Frauen tranken lieber Liköre, die aus Erdbeeren und anderen Beerenfrüchten -selbst- gemacht wurden.
In meiner Zeit war der Eierlikör sehr modern, durch den beliebten Schauspieler Heinz Erhard gut gefördert ;)
Eng, aber gemütlich wurde dann gefeiert..
Es wurde praktisch alles zweifach gemacht, damit keiner "zu kurz kam", auch die Verwandten nicht.
So mancher Pfarrer galt als richtige Krücke, deren Spaß es war,
die Konfirmanten zu blamieren, wenn sie etwas nicht wußten.
Die Mütter hatten danach noch lange zu putzen und aufzuräumen,
wir Kinder trugen die geliehenen Sachen wieder zu den Besitzern zurück.
In dieser Zeit sahen die Hausfrauen alle etwas "zerrupft" und verschwitzt aus..
***
Der Ortsdiener versah in alter Zeit noch mehrere Aufgaben, er trug die Zeitung aus
oder half noch bei den Bauern mit oder trieb
Schweine zur Mast.
In meiner Zeit, ich kannte den Ausrufer noch, den Dietze-Opa,
der getreulich an den Straßenecken auftauchte, mit der Handschelle läutete
und
dann mit lauter Stimme die Gemeinde-Nachrichten verkündete.
Manche Orte installierten später eine Ortsrufanlage mit Lautsprechern-
eine furchtbar laute und störende Sache.
In der Ortschronik Altenkirchens wird von dem Tun des Ortsdieners als Säu-Hirt geschrieben,
wo er die Tiere zur Suhle trieb.
Der Ententeich mit dem Schilf war ein beliebter Platz für die Mutterschweine,
die sich dort nach Herzenslust suhlten.
Wie wir alle wissen, hat der Frankenkönig Karl der Große die Schule eingeführt, was man selten liest ist,
daß er die Wichtigkeit der Schulung der Söhne von Palastdienern und niedrigsten Angehörigen erkannt hat.
Schule fing somit eigentlich als Weiterbildung und Nachwuchsförderung von "Mitarbeitern" an !
Zuerst durch Pfarrer, dann - wenn durch Kriege und Seuchen geeignete Leute fehlten, auch durch solche Personen,
die "halbwegs geeignet waren, Halbstudierte, invalide Militärs,
unzufriedene Handwerker oder gar verkrachte Existenzen" ..
In den späten 1950ern waren noch viele Lehrer,
die zum Kriegsdienst nicht gezogen wurden und vor allen Dingen
(wie überall) Frauen
eingesetzt, mehr als heute.
Diese Lehrerinnen waren zuweilen richtig grausig,
weil sie härter als die Männer sein mußten -
ob aus Neigung oder Passion oder schierer Pflicht,
kann ich nicht beurteilen.
Meist ältliche "Fräuleins", die große Freude am Schikanieren hatten.
Dann kam die Zeit der Junglehrer, die ihren Spaß an "Hilfestellungen" beim Sport entwickelten.
Zum Glück waren das jedoch die Ausnahmen und nicht die Regel-
aber in der Zeit sexueller Aufklärung war das nicht so ohne!
***
Die Seitenzahl dieses Exkurses habe ich nochmal erhöhen müssen,
- nun ist gerade die 8. Seite dran,
sechs weitere werden
noch angehängt, plus ein paar verborgenere Erweiterungen.
***
Um 1900 bis 1950 waren die Zeiten noch so, daß Rentner richtig arm waren,
dh. sie hatten wenig Geld, obwohl noch kein Auto
und keine nennenswerte
Stromrechnung oder Miete oder Reisen bezahlt werden mußten,
wie in der heutigen Zeit.
Heute hat man viele Versicherungen, nicht nur eine Lebensversicherung,
zahlt für die Enkelchen dies und das, muß für das Auto Unterhalt zahlen,
weil kein Laden im Dorf ist und jede Besorgung sonst viel zu umständlich und zeitraubend wäre.
Die Ansprüche an Kleidung und Wohnen sind sehr viel höher als damals,
wo die meisten Leute die ganze Woche durch die gleichen Sachen trugen.
Gute für draußen und für die Kirche, Arbeitsklamotten im Garten oder bei Arbeiten.
Luxus war für die allermeisten Leute ein Fremdwort,
zum Geburtstag gab es für den Mann eine Flasche billigen Schnaps und / oder Tabak,
für die Frau etwas Parfüm oder ein besonderes Kleidungsstück oder eine Brosche, Ohrringe etc.
Man war froh, warm zu wohnen und
genug zu essen auf den Tisch stellen zu können.
(Wärme bezog sich damals auf ein Zimmer, heute auf die ganze Wohnung, ja auf das ganze Haus,
welches zuvor in allen Räumen kalt war, bis auf die Küche und Abends das Wohnzimmer)
Viel mehr war da nicht.
Nicht immer wurde "geklebt", dh. eine Rentenmarke vom Arbeitgeber eingeklebt-
so mancher Chef hat sich davor gedrückt,
wie ich beim Rentenantrag für meine Mutter erleben durfte.
Der Bauer mußte nachzahlen was eigentlich selbstverständlich gewesen wäre
und so kam es zum Wortwechsel -
die Freundschaft war vorbei..
(Sie war zu dem Landwirt als junges Mädchen in der "Landjahr-Zeit" geschickt worden und mußte dort helfen. Es muß wohl länger gedauert haben, so ist eine Renten- oder Beitragslücke entstanden, die nachgewiesen wurde. Wenn diese Arbeit nicht staatlich angeordnet worden wäre, hätte der Bauer nicht in der Pflicht gestanden)
***
Nicht zu fassen - wie auch immer, früher "arbeitete man zu",
um das zum Leben Nötige zu haben, half beim Bauern,
das gab Kartoffeln und
Getreide oder irgendwelche Früchte oder auch Speck;
so reichte es gerade mal so eben, um die wichtigsten Sachen kaufen zu können.
Heute arbeitet man zu, weil der Grundlohn für viele Leute nicht mehr reicht,
um die gehobenen Ansprüche zu befriedigen,
den 2. Wagen oder die
Reise bezahlen zu können -
das gilt zumindest für die Nichtstudierten oder bis in die untere Leitungsebene.
(Kinder kosten heute auch mehr Geld, weil deren Hobbies recht teuer geworden sind)
"Besserverdiener" mal ausgenommen, die hatten sowieso ein unvergleichlich besseres Leben, damals wie heute.
***
Es gab früher einen Sommer- und einen Winterunterricht mit täglich 6 Stunden:
"Täglich war das Gebet am Anfang und Ende, es wurden die Hauptstücke des Katechismus und Psalmen gelesen.
Morgens wird ein schickliches Lied abgesungen, nach dem Morgengebet, das kniend getan wurde."
Die Sommerschule wurde eine Stunde für ländliche Arbeit eingeplant -
z.B. Kartoffelhacken, Heu- und Fruchternte.
1833 bekamen die Schulen ein Anatomie-Lehrbuch, das aber unter Verschluß gehalten wurde,
damit keine Neugier geweckt würde.. so sagte man uns auf Nachfrage.
1839 gab es im Winterhalbjahr am Mittwoch und Samstag Abendschulen für Jünglinge- zwangsweise versteht sich.
1843 mußten Lehrer melden, wem wieviel Land für das Halten
einer oder zweier Kühe zur Verfügung war
und wo Land zum Gemüseanbau fehlte,
ggf. unentgeltliches Pachtland fehlte.
In diesem Jahr soll ein Erdbeben, "ganz deutlich spürbar" registriert.
1850 gab es Prüfungen in Religion, Lesen, Sprache, Aufsätze, Kopf- und Tafelrechnen, Seelenlehre und Gesang,
im Jahr darauf
Religion, Biblische Geschichte, Aufsätze,
schriftl. Rechnen und Lesen, Körperlehre, "Diatetik" und Gesang..
1867 waren lt. Lehrer 139 unerlaubte Fehltage, dann folgten Strafgelder an die Gemeindekasse.
Lehrer und Pfarrer hielten abwechselnd wöchentl. belehrende und unterhaltende Vorträge,
bei denen zuweilen 100 Personen anwesend waren.
1885 starben 18 Kinder an Scharlach, Diphterie, Gehirnentzündung, Herzleiden und Masern innerhalb zehn Jahren.
Man bedenke dabei die Größe des Dorfes..
1911 war ein sehr heißer und trockener Sommer,
nur wenige Kartoffeln waren auf dem Feld und die wären bereits "weich gebraten" gewesen.
1912 war die Tausend-Jahr-Feier der Gemeinde Altenkirchen!
Es kam der Weltkrieg, der Lehrer mußte einrücken, die anderen hatten nun sehr viele Schüler zu unterrichten.
Eicheln, Bucheckern, Roßkastanien und Hagebutten wurden von den Kindern eingesammelt,
6 Pf. je Pund gab es dafür.
Alles über 1/2 Pfund Brot mußte an Getreide abgeliefert werden, arme Leute erhielten Brotmarken.
Roggenmehl wurde mit 30% Kartoffeln gestreckt, wegen Papiermangels wurden wieder Schiefertafeln eingeführt.
Bald wurden auch die Kartoffeln beschlagnahmt, Orgelpfeifen, Glocken und alles Metall,
Kinder sammelten nun
Arzneikräuter, Wildgemüse, Teekräuter als Pflicht.
Für ein Kilo Kerne von Steinobst gab es 10 Pf, Kürbiskerne 15 Pfg.
Laubheu, Flaschen, Stanniol, Lumpen, Zelluloid, Knochen,
Gummi und Brenn-Nessel mußten organisiert gesammelt werden.
Als die Franzosen kamen, wurde gewütet und Bücher zerrissen,
alles beschmutzt - die Schule mußte danach desinfiziert und entlaust werden.
Die Barbaren kamen mal aus dem Osten, mal aus dem Westen oder Süden.
1921 kam das elektrische Licht ins Dorf, die alten Lampen hatten es hinter sich.
Das Jahr brachte eine seit Menschengedenken nicht mehr erlebte Dürre.
1923 kam die fortschreitende Entwertung der Mark und die Quäkerspeisung,
an der 40 Kinder teilnahmen,
die Schule bekam einen Lichtbildapparat- ohne Bilder.
Armut war überall, das Land wurde von hungernden Städtern überlaufen,
Tauschhandel, stark unterernährte Kinder bekamen einen Kuraufenthalt im
Westerwald.
Der ganze Oberlahnkreis wurde zum Notgebiet erklärt-
nach gutem Wetter im Frühjahr regnete es ununterbrochen,
so dass 80% der Ernte zerstört wurde.
1928/29 war kälteste seit Menschengedenken- bis zu 29 Grad Frost, am Tag minus 16 Grad.
Der Frost ging 1,4 mtr tief - die Häuser waren somit ohne Wasser.
Mit dem Schlitten, mit Pferden gezogen, wurden Kohlen ins Dorf geholt.
Nur wenige Leute hatten Arbeit, meistens Kurzarbeit.
1929 gab es einen Regierungserlaß, daß Kartoffelfelder nach dem Kartoffelkäfer abgesucht werden mußten..
Der 50. Geburtstag H itlers wurde zum Feiertag erhoben,
am 21. Juni fand eine Sonnwendfeier statt, die Kinder trugen einen Holzstapel zusammen.
1939 kam der Zweite Weltkrieg, alles wurde verdunkelt.
Schulkinder mußten dort helfen, wo die Männer fehlten, im Stall und auf dem Feld.
Es gab Kohleferien- es war nicht genug Heizmaterial für den Schul-Ofen da.
Der Waffenstillstand mit Frankreich kam 25. Juni 1941.
Überall fehlten Lehrer, der Lehrer Herrchen wurde namentlich als neuer Ersatz erwähnt-
diesen freundlichen Mann hatte ich noch vor seiner Pensionierung
als Ersatzlehrer,
einer ganz, ganz wenigen umgänglichen und vernünftigen dieser Berufsgruppe,
alle anderen haben - bis zum heutigen Tage, was man bei den Kindern und Enkelchen sehen kann -
irgendwie alle persönliche Probleme, oder waren und sind
getrost gesagt, als menschliche Krücken zu bezeichnen.
***
1944 kamen die Amerikaner - Gebäude wurden geräumt,
alle Bücher mit kontaminiertem Inhalt wurden entfernt,
wie zuvor dasselbe die Na zionalsozialisten und die in der DDR - taten.
Bücherverbrennung - diesmal heimlich.
Ein Lehrer wurde entlassen, weil er Parteimitglied war.
1947 bescherte die Arbeiterwohlfahrt (die heutige AWO mit ihren schlimmen Skandalen von Vetternwirtschaft) und das rote Kreuz, die Amerikaner gaben reichlich.
Gegen 75 Pfennig an die Gemeindekasse erhielt jedes Schulkind Schokolade
und andere Süßigkeiten - endlich wieder!
Bedürftige erhielten die Gaben ohne Geld.
Vom November an gab es Frühstücksspeisung im Rahmen des amerik. Hilfswerks-
70 Kinder haben ein Frühstück von 350 Kalorien bekommen.
(Selbstversorger waren davon ausgenommen)
(Bei dem Hurrican Katharina habe ich eine Spende gemacht, um etwas zurück zu geben)
Ärztl. Untersuchungen stellten die bedürftigsten Kinder fest.
Dieser Sommer war 38 Grad heiß - die Heuernte dürr, Grummet fiel aus, Klee nur als Einmalschnitt,
Kartoffeln nur als Drittel, Getreide war notreif,
halbe Ernte.
Obst hielt sich nicht, die Wasserleitung fiel oft trocken- aber Mitte November holte das Jahr wieder auf-
am 27. und 28. Dezember fiel
mehr als die Hälfte des normalen Monats.. mit Hochwasser.
Ich habe die Schulbänke mit den Klapp-Stühlen ohne Lehne noch erlebt,
wo das Tintenfaß und die Vertiefung für die Griffel im Holz hinter dem Klapp-Pult untergebracht war.
Als das Backhaus mit dem Schulraum darüber zur Wohnung umgebaut war, ging eine Tradition zu Ende.
1952 erhält die Schule aus Mitteln der Funklotterie "Glück aus dem Äther"
einen Schulempfänger "Siemens Expert Super 712W" -
der
Schirmbildwagen war für die Röntgenuntersuchungen da.
Es wird vom Schwimmbad berichtet, das noch nicht fertig war-
aber schon eifrig von Einheimischen und Ausheimischen benutzt wurde.
1950 konnte nur ein Schulkind schwimmen - heute fast alle.
Flüchtlinge erzählen,
daß in Altenkirchen noch fast in allen Häusern Ställe waren,
wo oft nur eine Kuh, ein Schwein oder Ziegen / Schafe
gehalten wurden.
(Als ob es in ihrer angestammten Heimat anders gewesen wäre, das war Jahr 2000 noch nicht viel besser -zufrieden ist diese Gruppe heute noch nicht.)
Geflügel hat man dabei wohl vergessen?
Tagsüber mußten die Frauen die fälligen Arbeiten machen,
die schweren Sachen blieben den Männern am Abend,
wenn sie von ihrer Arbeit außerhalb
nach Hause kamen.
In den noch nicht "flurbereinigten" Wiesen sind die Bäche so geflossen,
wie sie wollten - es bildeten sich
"Kumpen", tiefe Tümpel, in den die Kinder badeten - manche waren so groß,
daß man darin Schwimmen lernen konnte..
"Brühlsberg", "auf dem Brühl" und ähnlich lauten manche Lagebezeichnungen,
die ihren Ursprung im Französischen haben:
Breuil = Gebüsch.
Kohlemeiler und sogenannte Podien, Wohnstätten aus uralter Zeit
findet man auf den Höhen, oft mit Resten der Eisenverhüttung -
ein wertvolles Handesgut mit den Römern, die unweit am Limes ihre Lager hatten.
Genaue Untersuchungen der Eisenfunde am Limes zeigten,
daß es sich um Roheisen aus germanischer Erzeugung handelte.
Alte Hügelgräber von vor 1400 v.Chr. säumen im Taunus überall den Weg.
***
Zu urdenklichen Zeiten waren Bäume heilig, unter ihnen wurden Feiern und Zeremonien abgehalten,
wurde geheiratet, beerdigt, getanzt und gelacht.
So mancher schräge Baum hat schon ewig "Schlagseite" -
so lange wie ich mich entsinnen kann, lag 3/4 des Stammes abwärts
auf der abschüssigen
kleinen Wiese, bevor sich im 45 Grad Winkel nach oben
der Baum erhob und seine Krone aufrichtete.
Noch heute trägt er seine Äpfel, die Wiese wird nicht mehr als Schlittenwiese genutzt - weil am Fuße eine Ortsdurchfahrt gebaut wurde und die Fahrzeuge sehr flott fahren.
2019: Die Kinder fahren Richtung Tiefbrunnen mit dem Schlitten,
aber der alte liegende Apfelbaum trägt noch immer Früchte - inmitten des Ortes Graeveneck..
2021 auch noch, 2022 auch noch.. 2023 kam er ab, schade !
***
Die Blüten der prächtigen Linden in Altenkirchen strömen einen betörenden Duft aus,
überall summen Bienen in den hohen Ästen, wo auch
Elstern, Falken und Eulen nisten.
Eßkastanien und Walnüsse wurden früher mehr gepflanzt, heute sind sie eine echte Rarität,
noch seltener die Maulbeerbäume, mit deren Erzeugnissen man die Seidenraupenzucht betrieb.
***
Im Taunus, auf der Südseite Richtung dem offenen Frankfurter Beckens,
sieht man die Eßkastanienbäume öfter, im hinteren Taunus nur selten,
im Westerwald nur rar, es war einfach zu kalt für diesen Baum,
oft wachsen dort nicht einmal Apfelbäume -
die Lage für Eß-Kastanien und Walnüsse sollte schon ziemlich geschützt sein.
Zur Kirmeszeit, Mitte bis Ende Oktober ist die Zeit der Maronen (Eßkastanien) -
ein wenig zu spät geerntet und schon waren Eichhörnchen und Häher schneller.
Desgleich ist bei Walnüssen zu beobachten - je kälter die Lage, um so kleiner die Nüsse, desgleichen bei den überall wachsenden Haselnüssen.
(2018 war sehr heiß und trocken - die Walnüsse kleiner als gewöhnlich, aber sehr wohlschmeckend,
eine richtige Apfel-Schwemme, der selbst die Nabu-Leute nicht Herr werden konnten)
Wie bei allen Obstbäumen wurden damals auch die Nußbäume versteigert - so sich Interessenten finden.
Etwas naschen ja, aber ernten?
Nee, das ist wohl zu anstrengend und nicht "lohnend",
weil man die paar Früchte und Nüsse im Supermarkt
einfacher bekommen kann. Billig zudem, getrocknet und eingetütet.
Äpfel bleiben ebenso meistens am Baum, viele alte Baumbestände morschen
langsam aber sicher weg, wäre da nicht der "Nabu",
wo engagierte Mitglieder sich dieser "Streuobstwiesen" annehmen.
Das ätherische Öl der Walnußbaum soll Mücken und Schnaken abgehalten haben.
Die Pflege und Hege von vielen Obstbäumen -
sehe ich von der Initiative des Nabu mal ab -
wird von der Gemeinde und auch von den evtl. noch
lebenden Baumstückbesitzern
vernachlässigt oder stümperhaft ausgeführt.
Wirtschaftliche Interesse der Bauern stehen der Baumreihe am Feldrand diametral entgegen -
klar, denn die Wurzeln ziehen Kraft aus dem Boden -
auf der anderen Seite ist der Fahrweg,
wo die Äste den immer größer werdenen landwirtschaftlichen Fahrzeugen im Weg sind.
Wer hätte bei deren Pflanzung mit derartigen Sauriern gerechnet, die unsere Flure durchziehen?
"Abgekrotzt" ist die wohl einzig stimmige Umschreibung auf die maschinelle "Landschaftspflege" der Kommunen.
Die Koloniallinde in Altenkirchen wurde von Schülern
und dem Lehrer am Friedhof ausgegraben und an einen Ehrenplatz gepflanzt:
Der Lehrer sprach vom "armen deutschen Volk",
das hart unter dem Versailler Diktat leiden mußte, den die Siegermächte aufgezwungen hatten.
Gebietsverluste des Reiches machten Begehrlichkeiten -
so kaufte das Land und viele private Anleger beträchtliche Besitzungen in Kamerun und Togo,
das unter den Schutz des Deutschen Reichs gestellt wurde.
Auch diese Gebiete wurden durch dieses Diktat aberkannt -
Briten und Franzosen verstanden dieses Geschäft der Ausbeutung wohl besser.
1924 aber wurde diese Kolonial-Linde als Gedenken an die erste Kolonie gesetzt.
Die Kirschenhohl war mit vielen großen Kirschbäumen unterschiedlicher Sorten bepflanzt,
die eifersüchtig vom Feldschütz bis zur richtigen Reife
behütet worden sind - wehe es klaute einer - egal ob Mensch oder Vogel !
Die Bäume wurden zur Ernte versteigert, manche Familien boten gemeinsam.
Die Weckgläser wurden gefüllt und mußten zuweilen gleich ein paar Jahre halten -
weil die Bäume unterschiedlich und nicht jedes Jahr trugen.
Es wurde weder gespritzt noch gedüngt noch geschnitten -
so waren zuweilen Würmchen drin, die man mit einem Trick entfernte;
Kirschen ins Wasser, warten bis die kleinen Biester
an der Oberfläche auftauchten um nicht zu ertrinken- dort wurden sie abgeschöpft.
Regnen sollte es nicht, bevor die Kirschenernte abgeschlossen war- sonst platzten sie auf.
Kirschen waren -und sind es noch- ein wertvolles Obst der Region.
***
Von Backhäusern kommt in meinen Beschreibungen einiges vor,
aber dennoch taucht immer mal wieder etwas auf, was noch nicht erwähnt wurde.
So lese ich in der Chronik, daß bis 1945 nur Roggenmehl zu Brot verarbeitet wurde,
bis die neuen Mehlsorten (Typen 1050, 997, 405 usw.)
das reine Roggenbrot ablösten
und das Mischbrot und das Weizenbrot mehr Abwechslung boten.
Naja, vor der Zeit der gemeinschaftlichen Backhäuser wurde in jedem Haus gebacken,
wie die Chronik schreibt, wurden wahrscheinlich Kastenformen
dafür genommen.
Brot gegen Mehl haben die späteren Bäckereien gemacht,
weil die Befeuerung der Einzelbacköfen doch recht aufwändig und teuer war.
Der Kuhwagen hatte ausgedient, als die Backwellen nicht mehr gebraucht wurden.
Die großen Bleche mit dem Quetsche- oder Appel- oder Streuselkuchen
waren richtige Anziehungspunkte - auch bei späteren Backes-Festen ist
deren Inhalt geschwind verputzt ;)
Die Beschreibung des Backes bezüglich Ablauf und Anheizen habe ich schon öfter ausgeführt.
Zu Backwellen wurden aus Astschnitte aus den Gärten, - die heute mit dem Bioabfall-Laster geholt werden.
Die Waldarbeiterinnen brachten auch Backwellen aus dem Wald mit,
jeder hatte eine Lagerplatz dafür, damit sie schön trocken wurden.
Ein Grubenarbeiter brachte Sauerteig vom Bäcker aus Philippstein mit,
der dann in einem großen Trog mit 40kg Mehl und Wasser
und Salz angerührt
und wurde über Nacht "gehen lassen".
Anderntags wurde davon etwas in einen Steintopf getan,
mit etwas Mehl bestreut und im Keller kühl aufbewahrt - bis zum nächsten Backtag.
Andere trockneten diesen "Herrmann" auf dem Käsebrett: "Heweling".
Der Teig wurde anschließend im Trog mit Mehl vermischt,
in die "Beut" bis die Konsistenz eine zähe Masse war- nicht zu naß, nicht zu trocken.
Einfach portioniert und geknetet, bis der Schweiß tropfte - geformt und gebacken.
Das Brot mußte oben vielmals eingestochen werden,
weil sonst die große Hitze des Backes die obere Schicht des Brotes abgehoben hätte-
so konnte die
Feuchtigkeit besser entweichen.
(Bei unseren heutigen Öfen ist das nicht nötig, die werden nicht so heiß-
hier geht es über die Backzeit, damit das Brot fertig wird)
Der "Beute-Kuchen" kam nicht vom Diebesgut, sondern von dieser "Beut",
in der der Ansatz mit dem Mehl zum Teig vermischt wurde.
Dieser Beute-Kuchen war so etwas wie eine Pizza auch Brotteig,
die mit allem belegt wurden, was man gerade so hatte - wie das die Italiener ebenso taten.
Ich denke mal, daß die Kinder auch ein Brot backen wollten -
und so blieb etwas "übrig" das diese dann auf ihre Weise machen konnten..
(Zumindest war das bei unseren Kindern so)
Das Brot mußte kundig aufgehoben werden, damit sich kein Schimmel bildete-
es wurde nicht jede Woche gebacken und schon mal gar nicht jeden Tag
frischen Brot auf den Tisch gestellt..
Manche legten das Brot in Leinenbeutel, andere in Holzkisten,
einige auf Regale in einem trocknen Raum- bei uns ist es ein großer Steintopf,
unlasiert
mit Deckel, den wir auf einem Mittelaltermarkt für viel Geld gekauft haben.
Das zweite Geback des Backes lieferte dann die Wärme für die Kuchen - wie schon erwähnt.
Damals wie heute sind Brotscheiben mit Griebenschmalz oder Pflaumenmus der Renner schlechthin..
Überhaupt ist für mich eine gute Scheibe selbstgebackenes Brot
mit hausmacher Leberwurst
und einem Gürkchen drauf - eine der besten Delikatessen!
Heute bevorzuge ich fast schon die Scheibe Brot mit Erdnuss-Butter (Crunchy) oder .. Pflaumenmus.
Man(n) wird eben älter.
Beim Schreiben dieser Zeilen sitzen meine Frau und ich im ehemaligen Kinderzimmer, das wir "Teezimmer" genannt haben.
Hier steht -hinter einem kl. modernen Raumteiler-Regal, in dem die 600 LP's untergebracht sind, die Computer-Anlage.
Weiter sind optisch die hervorstechenden Dinge zwei Ohrenbackensessel
mit zugehörigen Hockern und ein kl. Tisch, zwei Steh/Leselampen.
Meine Frau strickt den drei Enkelchen Strümpfe, eine Decke über die Beine gelegt,
das Buch, aber auch ein Tablet daneben liegend und wir trinken .. feinen Tee.
draußen fällt schon seit Tagen Schneeregen, hier ist es warm und trocken..
Ich lese von alten Quellen, von Drainagen, die zu einem Sammler führten,
von Brunnen im Ort und in den Kellern, vom späterem Wasserbedarf,
der
schon 1912 bei 40cbm am Tag - nur für die Gemeinde Altenkirchen!
Ein 371 mtr langer Stollen im Schieferfels förderte bis 28 cbm am Tag.
Danach sind die Anlagen noch sehr viel komplexer geworden.
Es ist freilich ein Unterschied gewesen, ob man für eine herrschaftliche Residenz,
wie z.B. Weilburg oder Hadamar eine Fernleitung baute oder
für eine kleine Westerwaldgemeinde.
Wenn man sich die enormen Kosten für den Unterhalt dieser Wasseranlagen anschaut,
wundert die Gemeinderechnung an die Bewohner nicht mehr.
1922 kostete die damalige Hochdruckwasserleitung 1,3 Millionen Mark..
die aus einem Eichenbestand genommen wurden, der freilich auch wieder
aufgeforstet werden sollte..
***
Lese ich die alten Bücher oder Chroniken, fällt immer wieder auf, daß damals Schlägereien bei Festen
oder auch mal zwischendurch durchaus
üblich waren.
Zwar nicht geduldet und hart bestraft-
dennoch kam das regelmäßig vor.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie auf dem Schulhof geprügelt wurde- richtige kleine Schlachten,
wo sich eine Reihe Schüler an
den Händen faßten und mit dieser "Kette" ihre -sonst viel stärkeren-
Widersacher einfach niedermähten..
rumm rumm rumm, wir rennen alle um !
Heute ist dieses Ventil weg, - vermutlich sind deshalb diese seltsamen "Demonstrationen" in den großen Städten so gut besucht?
Vielleicht werden deshalb so viele Ballerspiele am Computer gespielt?
Vielleicht müssen deshalb so viele -schon ganz kleine- Kinder zum Onkel Doktor, damit sie nicht "ausrasten"?
Die strafende elterliche Hand darf ja auch nicht mehr sein.
Selbst wenn ich mich nun "oute":
( Harte körperliche Züchtigung muß man ablehnen - aber ein Klaps hinten vor
zeigt doch schon die Grenzen,
wie das überall in der Tierwelt ganz natürlich ist.)
Lehrer und andere "besseren Leute" haben in den 1970-1990iger Jahren
ihren eigenen Kindern richtigen Psychoterror bereitet,
wochenlang nichts mehr mit den eigenen Kindern gesprochen.. (ist das besser als ein Klaps?)
So geben sich
"Linke" und "rechte" Chaoten die Klinke -oder besser Pflastersteine-
in die Hand, bekämpfen die Polizisten,
die eigentlich in ihrem Namen unterwegs sind.
Mir kommte es vor, als weiß so mancher nicht recht, warum er dort "demonstriert" -
untermauern möchte ich diese These durch
spontane Befragungen durch Reporter..
Hauptsache mal wieder "aufmischen" und denen da oben zeigen, was Sache ist ?
Vermutlich ist es eher eine Art "Freizeitbeschäftigung" gelangweilter Zeitgenossen.
(Wie wäre sonst zu erklären, daß wir in Hessen eine "schwarz-grüne Koalition" haben,
sich also plötzlich einig sind, die zuvor spinnefeind waren? 2014,
im Jahr 2018 wiederholte sich der Quatsch, wo alle wieder bequem auf ihren Posten hocken blieben,
da hatten wir schon die Nasen voll und sind erst gar nicht zur Wahl gegangen..)
Wenn "die Menschen", wie die neuen Politiker so gerne sagen
(eigentlich reden so nur die Götter)
keine sinnvolle Beschäftigung haben,
werden sie seltsam.
Ich mache mal besser mit Seite 9 weiter, das wird nun doch zu lange hier..
Die Autoren der Bücher sind schon lange tot,
wenn aber nachfolgende Rechte tangiert worden sein sollten, bitte ich um Abklärung per E-Mail,
damit die entsprechende
Zeile aus meinen Seiten heraus genommen werden kann.
Ansonsten gelten die Angaben in meinem Impressum.
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