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Kartuschen - Thema: Das Restaurant, postfaktisch.
Die "Aussteiger" wollten nicht mehr als "Bankster" beschimpft werden und trafen sich zur Besprechung in einem Ecklokal der Stadt, wo man sich nach der Arbeit ab und an zusammen setzte. Sie waren nach den Jahren Freunde geworden, die sich gegenseitig auch schon mal "bekocht" haben.
In diese Runde warf der alte Gastwirt die Bemerkung ein, daß er gedenke sich zur Ruhe zu setzen, die Gelenke - wissen sie, die werden nicht besser. Meine Frau ist schon vor Jahren gestorben und ich muß nun alles alleine machen. Wie froh wäre ich, einen Nachfolger finden zu können. Die Pacht ist nicht billig, das sage ich gleich!
Die Lage des Lokals war schon prima, aber die Ausstattung eben nicht mehr zeitgemäß, wie man sich das heute eben so vorstellt. Hier müsste viel getan werden, ganz ohne Frage.
Der Wirt schlug vor, daß er am nächsten Wochenende den Hausbesitzer und die Drei zum Frühschoppen einladen wird, um die Sachlage zu klären.
Das kam an, man nickte sich zu.
Der Termin kam und auch der Hausbesitzer - er besaß einige Immobilien in der Innenstadt, die alle sehr gut vermietet waren. Die Pacht, so sagt er, würde bei mindestens 4000 Euro im Monat liegen müssen, wenn mithilfe der Brauerei ein Übernahmevertrag geschaltet werden könnte. Dafür wird alles neu gemacht, mit nur 25% Kostenanteil.. und dann folgt noch die Bonitätsprüfung, wie bei jedem seiner Mieter.
Der Pachtvertrag soll auf 2 Jahre laufen, danach würde man sehen, wie es weiter gehen soll.
Die Bankangestellten lösten ihre Arbeitsverträge mit guten Abfindungen auf und taten je die Hälfte daraus auf ein Sonderkonto der Gaststätte "Eckenversteher", wie sie das Lokal nannten.
Die Ausstattung kam direkt nach der Renovierung, es war eine lange Theke in U-Form mit halbhohen bequemen Stühlen davor, wie Barhocker, aber sicherer und mit mehr Abstand zueinander.
Die Leuchtreklame wurde gekauft und dann kam die Brauerei mit ihrer Rechnung.
80.000 Euro kostete die Ausstattung mit einfacher Küche im Hintergrund, Kühlmöbel und Zapfanlage. So waren die ersten 20.000 Euro weg.
Zuvor erledigten alle Drei die vorgeschriebenen Hürden, die nicht so einfach waren.
www.starting-up .de/geschaeftsideen/checklisten/worauf-sie-achten-muessen-bevor-sie-einen-gastro-betrieb-eroeffnen.html
Der erste Monat brachte 2000 Euro minus, durch die reduzierte Einstandsmiete.
Zuerst schrieben sie die Speisekarte und probierten nochmal die Rezepturen aus, die bei unseren Dreien eigentlich längst ausgewußt und sicher waren. Sie haben ausschließlich Eintöpfe auf der Tafel, die vor dem Lokal und innen angebracht war:
Nudeleintopf vegan oder mit Fleisch und mit Fisch.
Reiseintopf vegan oder mit Fleisch und mit Fisch.
Kartoffeleintopf, vegan oder mit Fleisch oder mit Würstchen.
Sowie
Erbsentopf, Linsentopf, Bohnentopf als einfacheres Essen.
Dazu gab es Kaffee oder alkoholfreies Bier oder hochwertige Säfte.
Das Lokal "Eckenversteher" lag recht günstig, vor der Haltestelle der U-Bahn und in der Nähe des Geschäfts- und Bankenviertels.
Einer der Drei machte das Büro, der 2. war an der Theke, der 3. in der Küche - das ging so lange gut, bis einer krank wurde und eine Vertretung eingestellt werden mußte.
Personal kostet Geld, gutes Personal eben mehr..
Dieses Lokal war dafür aber erst ab 11 Uhr geöffnet, was durch das Angebot bedingt - sinnvoll war. Nach 19 Uhr kam kaum noch jemand vorbei. Die Marktanalyse ergab, daß sich dort fast nur Beschäftigte der umliegenden Betriebe zum Mittagstisch einfanden, bis die Anwohner am frühen Abend dort noch geschwind eine bequeme und warme Mahlzeit witterten.
Die Zahl der Gäste fiel sofort, als der Preis für das Standardessen von 3 auf 4 Euro angehoben wurde.
Wer Eintöpfe kennt, weiß daß diese nicht billig herzustellen sind und so kam der Laden immer mehr in die Schieflage, obwohl die Drei sich noch keinen Cent Lohn genommen haben und ihre Sozial- und Rentenversicherung bis dahin aus den eigenen Spargroschen finanzierten, die nichts mit dem gemeinsamen Fond zu tun hatten.
Die Konkurrenz war nicht in unmittelbarer Nähe, aber in ausländischen Händen und diese Leute arbeiteten mit sehr billigem Personal, meistens aus den eigenen Reihen, entfernte Familienangehörige etc. die verwendeten Lebensmittel und Materialen bezogen sie aus nicht nachvollziehbaren Quellen, also nochmal billiger..
Nun berieten die Drei, was denn zu tun sei - einen "Restaurantretter" bemühen oder das Programm umstellen?
Die Qualität der Speisen wurde gelobt, aber mehr als 2,50 Euro wollten die Kunden eigentlich nicht bezahlen und meckerten bereits bei 3 Euro.
Wer eine gute Linsensuppe mit Rindswurst machen will, bekommt diese Wurst schon mal nicht unter einem Euro im Einstand.. bei den Nudel-Reis-Töpfen war der Einstandspreis noch höher, gutes Fleisch hat eben seinen Preis. Billige Würstchen - ob vom Rind oder Schwein will keiner haben.
Pommes und Burger oder gar Kebab wollten die Drei nicht anbieten, die gab es rundherum mehr als genug.
Also setzten sie die Preise auf 4 Euro in Mischkalkulation an und hatten - oder besser gesagt häten - dabei 2 Euro Bruttogewinn pro Mahlzeit gemacht. Die Getränke waren deutlich gewinnträchtiger, aber gingen nicht gut im Lokal "Eckenversteher"; Wer Eintöpfe oder Suppen zu sich nimmt, ist bald statt und da paßt kein Getränk mehr in den Magen.
So kamen durchschnittlich nur knapp 50 Kunden am Tag, was also 100 Euro Gewinn - brutto - wäre.
133 Euro am Tag war alleine die Miete.. ohne Gewerbesteuer und ohne Löhne.
Die Verluste jeden Tag waren beachtlich, die dem Finanzamt klar gemacht werden sollten - doch die spielten da nicht mit und so kam nach einem Jahr das Unternehmen im Vergleich.
(Geld war durch die drei Abfindungen genug da, also kam es wenigstens nicht zur Insolvenz)
Die Drei waren ihre Abfindung los - mit Ach und Krach hat das Geld gereicht und ein Nachfolger war fix gefunden:
Die 3. Filiale einer Dönerbude öffnete die Pforte.
Dann kam das Gesundheitsamt und wollte das Lokal "Eckenversteher" überprüfen, fand aber einen neuen Inhaber vor, der schon ein paar Monate darin werkelte. Die Untersuchung muß nicht gut ausgefallen sein, denn das Lokal wurde sofort geschlossen, wie einige andere an diesem Tag ebenso.
Was aus den drei Freunden geworden ist, weiß man nicht, sie hatten noch ein paar Jahre bis zur Rente - vielleicht haben sie einen einfacheren Job angenommen?
Mithilfe eines Anwaltes sind sie aus dem Miet- und Liefervertrag heraus gekommen, mit 40.000 Abfindungszahlung (10% der entgangenen Mieteinnahmen, was ein guter Deal war!)
Ich schreibe das, damit man die Probleme der Restaurants und Futterbuden besser verstehen kann..
Hätten die Freunde das Lokal von qualifiziertem Personal mit größerer Menue-Auswahl machen lassen, wären also nur Geschäftsführer geworden, kämen die Brocken über die Brühe:
So ein Koch will gutes Geld sehen, die Bedienungen sollten in Schichten arbeiten und das kostet nicht wenig. Man darf dabei nicht vergessen, daß die Unternehmer fast das Doppelte des Nettos zahlen müssen, das der Bedienstete auf die Hand bekommt. (Krankenkasse, Rente, Soli, Lohnsteuer, Kirchensteuer, Pflegeversicherung etc.)
Soll der Koch drei tausend Euro netto haben, sind also 5 Mille in den Büchern, bei 4x 6 Stunden Hilfs- oder Bedienpersonal am Tag kommen 24x13 Euro zusammen - oder gut 9000 Euro plus 5000 für den Koch, also 14.000 Euro monatlich. (Die Ersatzkraft für den Koch, falls dieser krank werden sollte, ist da nicht eingerechnet)
Das wären 466 Euro Lohnkosten und 133 Euro Miete plus nochmal 66 Euro an Energiekosten, also ca 666 Euro an EINEM Tag !
Es müssten also mindestens 333 Essen -ebenfalls jeden Tag- verkauft werden - die Gewerbesteuer und die Reinigung ist nicht mal dabei, ganz zu schweigen die Gewinnerwartung der drei Freunde ! Diese waren -fiktiv- zum Glück nicht auf Kredite angewiesen und hatten ein festes finanzielles Polster..
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